Kuschten: Unterschied zwischen den Versionen
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"Erinnerung an Kuschten" von Dr. H. Rothe | |||
Kuschten ist ein altes Dorf und liegt im ältesten Siedlungsgebiet des ehemaligen Heimatkreises. Es ist als Angerdorf angelegt. Wie bei den meisten hiesigen Angerdörfern teilt sich auch Kuschten am Eingang des Dorfes der einzige Hauptweg und umschließt einen ursprünglich freien Platz, den Anger. Die Bauerngehöfte sind auf der dem Anger abgewandten Seite der Haupt- und Nebenstraße planvoll aneinandergereiht. Im Laufe der Zeit wurden dann auch der Anger bebaut, denn er bot das gegebene Baugelände für den weiteren Ausbau, besonders aber für jene Bauten, die der Allgemeinheit dienten, wie Gemeinde- und Spritzenhaus, Schule, Gastwirtschaft, Bäckerei usw. Später konnten nur an den Enden des Dorfes Erweiterungsbauten angelegt werden. So war die Entwicklung auch in Kuschten. In neuerer Zeit wurde auf dem Anger auch das Ehrenmal für die gefallenen Kriegsteilnehmer errichtet. Das Kuschtener Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges zählte 32 Namen auf. | |||
In der Mitte des Dorfangers stand die alte katholische Holzkirche mit ihrem wuchtigen, breit und schwer wirkenden Turm. Diese Kirche erbaute im Jahre 1406 der Erbherr auf Kuschten und Nandel, Andreas Watha. Zwei Jahre später, 1408, wurde sie von dem Posener Bischof geweiht. Obwohl später die Zahl der evangelischen Einwohner in Kuschten die der katholischen erheblich überschritt, gab es in Kuschten nur ein katholisches Pfarramt, zu dem auch die katholischen Einwohner der Nachbardörfer Klastawe, Schloß Neudorf und Kranz gehörten. Kranz, das etwas 3 1/2 km südwestlich von Kuschten liegt, war ein fast rein evangelisches Dorf, seit der Reformationszeit, mit Patron. Zwischen dem evangelischen Pfarramt und dem Patron (Dziembowski) einerseits und dem Probst in Kuschten andererseits schwelte ein jahrhundertealter Streit, der auch den polnischen Reichstag immer wieder beschäftigte. Erst mit den Toleranzerlassen im späten 18. Jahrhundert, die allen Evangelischen in Polen wieder freie Religionsausübung zusicherten, kehrte Ruhe ein. Solche Streitigkeiten - besonders in Glaubensdingen - mögen wenig erfreuliche Erinnerungen wecken; aber wir verdanken gerade ihnen wichtige urkundliche Nachweise über Personen und Besitzverhältnisse der Vergangenheit, weil sie in alten Chroniken festgehalten worden sind. | |||
So wissen wir z.B., das Kuschten im 15. Jahrhundert sowohl "Coscheten" (1458) wie auch polnisch "Cossycin" genannt bzw. geschrieben wurde. Wir kennen auch einige Namen der jeweiligen Grundbesitzer. Im Frühjahr 1458 werden z.B. als adlige Erbherren die Brüder Nikolaus und Dobrogostius Watten genannt. Im Frühjahr 1492 besaß der adlige Erbherr Johannes Naldewitz das Gut Kuschten. Diese Namen sind in einer Chronik des Klosters Paradies überliefert. Fast 50 Jahre dauerte nämlich eine Auseinandersetzung zwischen den jeweiligen Erbherren auf Kuschten mit dem Abte des Klosters Paradies wegen gewisser Anrechte auf eine zwischen Kuschten und Koschmin an der Faulen Obra gelegenen Mühle. | |||
Kuschten war Guts- und Bauerndorf zugleich. Die Gesamtflur des Ortes betrug im Jahre 1925 2430ha und hat sich bis zur Austreibung nicht wesentlich verändert. Damit hatte Kuschten eine der größten Dorffluren des Kreises. Seine Einwohnerzahl schwankte zwischen 900 und 1000 (1919=1018, 1925=884, 1939=960) | |||
Kuschten muss schon in früherer Zeit ein großes Dorf gewesen sein. Die Steuerlisten von 1570/80 weisen für Kuschten 7 Handwerksbetriebe aus. Die durchschnittliche Zahl der Handwerksbetriebe betrug in einem Dorf dieser Größe damals 2-3. Der wichtigste Handwerksbetrieb war in der Regel die Dorfschmiede. Sie wird in den Steuerlisten deshalb auch regelmäßig genannt. In den dreißiger Jahren - zwischen den beiden Weltkriegen - gab es in Kuschten noch immer 3 Schmieden, dazu 2 Bäckereien mit Verkauf von Kolonialwaren, 3 Gasthöfe - einen noch immer auf dem Dorfanger (Simsch) - 1 Metzgerei, 2 Gemischtwarenhandlungen, 1 Stellmacherei, 2 Mühlen (Windmühlen, die später elektrifiziert wurden), 1 Sattlerei, 1 Ofensetzer, 1 Gärtner, 1 Anstreicher (Maler), 1 Molkerei, 1 Fahrradhändler mit Reparaturwerkstatt, 1 Friseur, 1 Genossenschaft, 1 Baugeschäft und zeitweise sogar Arzt und Zahnärztin und dazu die eigenen Handwerksbetriebe des Gutes. | |||
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und dem Verlust der Stadt Bentschen und infolge der ungünstigen Grenzlage der Stadt Tirschtiegel kam nach Kuschten sogar ein Distriktsamt, das viele Jahre Distriktskommissar Bürger und später Polizeirat Hagemann leitete. Mit dem Distriktsamt war in Kuschten zugleich ein Stück Landratsamt etabliert worden. Auf diesem Amt wurden Reisepässe ausgestellt und mancher Verwaltungsakt vorgenommen, der die lange Eisenbahnfahrt zur Kreisstadt Meseritz ersparte. Vielleicht hat dieser Umstand mit dazu beigetragen, dass den Jüngeren die Stadt Meseritz verhältnismäßig fremd blieb und die gleichgroße Stadt Schwiebus durch Einkauf und Schulbesuch (Realgymnasium) viel vertrauter geworden ist. Und vermutlich hing es auch mit dem Distriktsamt zusammen, dass in Kuschten zum "Schutze" der Einwohner gleich drei Gendarmeriebeamte stationiert waren. Für die Kinder waren sie oftmals ein Schrecken, wenn sie sie beim Fahren ohne Licht erwischten oder Jagd auf sie machten, wenn sie verbotenerweise beim Fahren nach Neu Bentschen unter den lagen Eisenbahnbrücken das Trottoir benutzten. Auf dem glatten Bürgersteig fuhr es sich mit dem Fahrrad natürlich viel leichter und schneller, als auf den Pflastersteinen der Straße. Zudem waren die Bürgersteige morgens, wenn sie in letzter Minute zum Bahnhof eilten, immer menschenleer - bis auf den Wachtmeister natürlich, der sich listigerweise irgendwo hinter einem Mauervorsprung oder Treppenabsatz im Schatten verborgen hielt. Manchmal wurden sie auch erwischt. | |||
Einmal aber - es war Herr Thiem - war er schon aus seinem Versteck heraus, und ich überlegte gerade, ob ich auf dem Bürgersteig bleiben und bremsen oder aber vom Bürgersteig herunter und auf der Straße an ihm vorbeiflitzen sollte, da zog er sich blitzschnell in sein Versteck zurück. Natürlich war ich baß erstaunt. Des Rätsels Lösung war einfach: Am Abend vorher hatte mich Wachtmeister Thiem gebeten, für seinen Sohn Gerhard eine Mütze aus Schwiebus mitzubringen! | |||
(Er ist mit vielen anderen Bewohnern - der Vater von H. Rothe war auch dabei - im Febr./März 1945 nach Russland verschleppt worden. Thiem und die meisten anderen sind elend umgekommen.) | |||
Die Kuschtener Wachtmeister waren ja gestrenge Herren. Doch manchmal mussten auch sie sich dem schadenfrohen Gelächter beugen oder weichen. Ein anderer hatte den dienstlichen Auftrag, einen lange gesuchten und endlich gefangenen "Gesetzesübertreter" in die Haftanstalt zu überführen. Der Gefangene musste mal und suchte in polizeilicher Begleitung das Örtchen im fahrenden Zug auf. Wer kann es dem Gesetzeshüter verdenken, dass er schamhaft nur eine Fußspitze zwischen Tür und Kabine beließ? Nun, der Gefangene strebte nach mehr sauberer Luft, hechtete durchs Fenster - und verschwand. Die Notbremse half nicht mehr. Der Heimweg war schmerzlich für den Beamten, das Bleiben wohl auch. Ob er sich deshalb alsbald versetzen ließ? | |||
Mit den Nachbardörfern bestanden Jahrhunderte hindurch recht enge Beziehungen. Da sich in Kranz das auch für Kuschten zuständige Standesamt befand, haben dort viele Kuschtener Familien ihre bürgerliche Ehe geschlossen. Noch engere Beziehungen als zu Kranz bestanden zwischen Kuschten und dem 1 km entfernten Nachbarort Klastawe. Hierher gingen seit der Reformation die evangelischen Bewohner Kuschtens zum Gottesdienst in die sehr schöne alte Holzkirche. Klastawe war zwar nur ein kleines, allerdings fast ein rein evangelisches Dorf. Die Evangelischen von Kuschten waren mehr als doppelt so zahlreich, aber ihr gemeinsames evangelisches Pfarramt war seit der Reformationszeit in Klastawe. Hierher kamen im 17. und 18. Jahrhundert die Evangelischen von weither, aus der Umgegend von Schwiebus ebenso wie auch von Bentschen und Tomischel und weit darüber hinaus. In letzter Zeit gehörten nur die Evangelischen von Klastawe und Kuschten, von Großdammer und Schloß Neudorf zum Pfarramt Klastawe. Außerdem versorgte der Klastawer Pfarrer noch die Filialgemeinde Rogsen, die aber eine eigene Kirche hatte. Das hatte zur Folge, dass die Gottesdienstzeiten in Klastawe und Rogsen umschichtig wechselten und im Winterhalbjahr sogar 14-tägig nachmittags liegen mussten. | |||
Die Patronatsherren der Klastawer Kirchengemeinde haben sich um die Erhaltung des evangelischen Glaubens wie auch des Deutschtums verdient gemacht. | |||
Neben Einführung der Reformation und der polnischen Teilung von 1793, die unsere Heimat zu Preußen brachte, war das Ende des 1. Weltkrieges wohl das einschneidenste Ereignis. Der Kreis wurde geteilt. Für den südlichen Teil des Kreises bedeutete es, dass ein neuer Bahnhof geschaffen werden musste, der zugleich die Funktion eines Grenzbahnhofes wahrzunehmen hatte. | |||
Mit dem Bau dieses Bahnhofes und der Siedlung Neu Bentschen erfuhr das gesamte Dorfleben von Kuschten eine gewisse Belebung. Die vielen Arbeiter und Techniker, die beim Bau beschäftigt waren, brachten zwar anfangs eine erhebliche Unruhe ins Dorf. Ja, es kam sogar vor, dass unzufriedene Arbeiter sich in der Inflationszeit zusammenrotteten uns sich kurzerhand ihre Lebensmittel gewaltsam holten. Später aber waren die Geschäfte der aufstrebenden Siedlung, der große Bahnhof, die weiterführenden Klassen der Volks- und Mittelschule Neu Bentschen eine große Bereicherung für die Bewohner der umliegenden Dörfer und besonders auch für das nahe Kuschten. Mancher Dorfbewohner hatte vor dem 2. Weltkrieg seinen dauernden Arbeitsplatz in Neu Bentschen gefunden; auf die Dauer wären Neu Bentschen, Kuschten und Klastawe gewiss zu einem Gemeinwesen zusammengewachsen. | |||
Neu Bentschen war mit seinem großen Bahnhof, auf dem auch internationale Fernzüge hielten, für die Kuschtener gewissermaßen das Tor zur großen, weiten Welt. Als Fahrschüler bewunderte und bestaunte man die komfortablen D-Zugwagen der internationalen Fernzüge Paris-Warschau-Moskau. Wenn der Schulzug verpasste, kam man gerade noch rechzeitig, wenn man diesen Fernzug nahm. Das kostete allerdings eine halbe Mark Zuschlag. Wer es geschickt machte, konnte diesen Zuschlag sparen. Man musste nur kurz vor Abfahrt des Zuges einsteigen und sich möglichst schnell in die 1. Klasse des belgischen oder französischen Wagens begeben. Dort kam selten ein Schaffner während der kurzen Fahrt bis Schwiebus. Dann gab es freilich noch eine Klippe, man musste unauffällig vom Bahnhof verschwinden! | |||
Landschaftlich war unsere heimatliche Flur ohne überwältigende Reize. Wer sie gar im Eiltempo durchmaß, konnte sie eintönig finden. Das Gelände wirkte auch einförmig durch die großflächigen Felder. Es war leicht gewölbt und hin und wieder durchsetzt von kleinen und größeren Waldstücken. Beherrschend war der weite Blick über die große, ausgedehnte Feldflur. Aber es gab auch ausgesprochen hübsche Partien, die das Auge erfreuten. Man musste nur Augen haben, um zu sehen. So etwa die markante Baumgruppe mit den Gebäuden der Schäferei Neudorf (s. HB I S. 199), die dicht an der Chaussee lag, welche von Kuschten nach Schloß Neudorf führte. Oder Schloß Neudorf selbst mit dem großen Bentschener See, der sich fast 7 km von Norden nach Süden erstreckte und beinahe die Gestalt einer Birne hat. Seine Breite beträgt von West nach Ost über 2,5 km. Der weite Seespiegel kam so recht zur Geltung, wenn man von Neudorf hinüber nach Bentschen blickte. Dieser See ist einer der größten Westposen Seen. Er war früher ein beliebter Badesee und für manchen ein - wenn auch verbotenes - Anglerparadies, leider war er polnisch! Nur ein kleiner Teil des westlichen Ufers im südlichen Teil war deutsch und der See nur von dieser Seite für Deutsche zugänglich. Und da gerade hier das Ufer für die polnischen Zollbeamten unbetretbar blieb, fehlte gleichsam die Grenzkontrolle. Natürlich nutzte man das aus und schwamm nach Herzenslust im polnischen See, baute Flöße aus Schilf und ruderte auf dem See herum. Aber auch die polnischen Zöllner hatten sich eine Methode ausgedacht, wie sie das illegale Treiben stören konnten. Als harmloser Ausflügler getarnt, mit weißen Oberhemden, näherten sie sich einem Boot und zogen dann blitzschnell ihre Uniformjacke an. Da gab es nur eines: Kopfsprung vom Floß ins Wasser und schleunigst zurück an das deutsche Ufer. Es ist jedes mal beim Schrecken geblieben. Und das war ja wohl auch nur beabsichtigt, denn in der Regel waren die Zöllner auf beiden Seiten freundliche Beamte, und die Grenze war eine friedliche Grenze. Stacheldrahtgrenze, die auch noch von Türmen bewacht werden, ist eine Erfindung unserer Zeit. | |||
Das gesellige Leben des Dorfes war dem Rhythmus der Jahreszeiten angepasst. Die Sommerfeste wurden gern im Hellergarten - am Rande des Dorfes - gefeiert. Am beliebtesten war das Turnfest, verbunden mit dem Kinderfest. Die Wettkämpfe begeisterten jung und alt. Verkaufszelte für Würstchen, Back- und Zuckerwerk, für Kinderspielsachen und nicht zuletzt die Schankzelte der Wirte waren unter den Bäumen aufgebaut. Mitten im Garten stand ein mächtiger Kirschbaum, der leuchtend schwarz-rote Herzkirschen trug, die gerade immer zur Festzeit reif waren und doch nicht gepflückt und gegessen werden durften. | |||
Der Festzug setzte sich gleich nach dem Mittagessen in Marsch. Eine Blaskapelle marschierte in der Spitze, begleitet von den übrigen Dorfbewohnern zog er hinaus auf den Festplatz. Die Feste des Kriegervereins fanden häufiger in einem Wald an der Kranzer Chaussee statt. Dort waren die Schießstände eingerichtet und die Festzelte wurden unter den Bäumen des Waldes aufgestellt. | |||
Die winterliche Festzeit gipfelte, in dem mehrtägigen Fastnachtstreiben. Ein Festkomitee bereitete die Fastnacht vor. Am Montag fand der Umzug durch das Dorf statt. Eine maskierte Gruppe mit Schimmel und Schimmelführer, Bären und Bärenführer, Clown mit Scherbelsack, Schornsteinfeger und Müller und an der Spitze ein Fastnachtspaar (Brautpaar) bewaffnet mit einer Schnapsflasche, und andere, die einen Spieß mit sich führten, auf dem die spendierten Wurstringe gesammelt wurden, bewegten sich fast den ganzen Tag durchs Dorf. Angeführt wurde der Zug von einer kleinen Blaskapelle. Mit dem ewiggleichen Schlachtruf: "Fastnacht, Fastnacht immer noch Fastnacht" zogen die Musikanten mit dem Brautpaar an der Spitze in jedes Haus. Sie schenkten dem Besitzer und seiner Frau ein, baten zum Tänzchen, empfingen ihre Wurst oder Fastnachtskrapfen, verstauten die Gaben im mitgebrachten Korb, und bald ging es weiter ins nächste Haus. | |||
Bei diesem Umzug am Montag war das halbe Dorf auf den Beinen. Jung und alt schaute zu, freute sich an den Streichen der maskierten jungen Burschen, etwa wenn der Schornsteinfeger ein Mädchen das Näschen, Stirn oder Wange schwärzte oder der Müller einen Vorwitzigen puderte oder gar der Scherbelsack einem frechen Jungen nachgeworfen wurde. Oft lag noch Schnee, und das Wetter war bitter kalt, aber der Freude tat das keinen Abbruch. Der Montag schloss abends mit einem Tanzvergnügen ab. Am Dienstag war dann eine große Tanzveranstaltung mit geladenen Gästen und am Donnerstag schloss das vergnügliche Treiben mit der Männerfastnacht ab. | |||
Natürlich gab es auch noch öffentliche Tanzveranstaltungen ohne besonderen Anlass. Aber wenn man das gesellige Leben überblickt, wird man sagen müssen, dass verhältnismäßig selten gefeiert wurde. Lange Arbeitszeiten und die Schwere der Arbeit setzten natürlich Grenzen. Um so intensiver nutzte man die seltenen außerordentlichen Gelegenheiten. Bei diesen nahmen zweifellos die Hochzeitsfeiern den obersten Rang ein. Am Samstag war Polterabend im Hause der Braut mit viel Fröhlichkeit drinnen und noch mehr Scherben und Krach draußen vor der Tür. Montagvormittag fuhr das Brautpaar mit den Trauzeugen zum Standesamt ins benachbarte Kranz und am späten Vormittag fand die kirchliche Trauung statt. Die katholischen Paare hatten nur einen kurzen Weg zur Kuschtener Kirche. Die evangelischen Hochzeiter fuhren in festlich geschmückten Kutschen nach Klastawe in ihre Kirche. Manchmal wurde der Hochzeitzug durch ein langes Seil aufgehalten, das von den Burschen über die Straße gespannt war. Der Bräutigam hatte sich durch Geld loszukaufen. Nach der kirchlichen Trauung wurde gefeiert. Gegessen wurde kräftig und gut, getrunken auch. In der Regel hatten die Brauteltern extra geschlachtet. Am Dienstag feierte man weiter und wer es mit seinen Gästen gut meinte, gab ihnen am Mittwoch noch ein Abschiedsessen. | |||
An den Hochzeitsvorbereitungen waren im Dorfe viele Familien beteiligt. Die Hochzeitskutschen für die Hochzeitsgäste z.B. stellten Verwandte, Nachbarn und Freunde des Hochzeitshauses und fuhren sie auch. Diese Kutschen wurden festlich geschmückt, Pferde und Geschirre gewienert. Selbstverständlich gehörten die Fahrer zu den Hochzeitsgästen. Aber auch zum Hochzeitsessen trugen Nachbarn und Freunde durch Gaben von Butter, Eiern, Mehl usw. bei. Sie erhielten dafür als Gegengabe einen Hochzeitskuchen, der ihnen ins Haus gebracht wurde. Die Reputation des Hochzeitshauses wurde an der Zahl der teilnehmenden Gäste gemessen. Zum Glück setzten auch hier Wohnverhältnisse deutlich Grenzen. Diese Familienfeste trugen wesentlich mit dazu bei, dass die verwandtschaftlichen Beziehungen auch zu den entfernteren Verwandten gepflegt und erhalten blieben. Vor allem aber stärkten sie das Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb des Dorfes. | |||
Am Gründonnerstag, also in der Karwoche, zogen die Dorfkinder von Kuschten von Haus zu Haus und sangen dabei ein kleines Lied im Chor oder allein: | |||
" Ich kumm zum grienen Dunnerstag, | |||
ich bin een kleener Plundersack, | |||
ich bin een kleener König, | |||
gäbt mir nicht zu wenig. | |||
Laßt mich nicht zu lange stiehn, | |||
ich muss a Häusang weiterziehn." | |||
Sie erhielten dann an der Haustür Ostereier, Plätzchen oder Gebäck. Auf diesen Tag freuten sich alle Kinder in der vorösterlichen Zeit sehr. | |||
Ferner fand - ebenfalls in der Osterzeit - immer am dritten Osterfeiertag, in Kuschten der sogenannte Spritzentag statt. Dies muss eine weit verbreitete österliche Eigentümlichkeit gewesen sein, und diente wohl nicht nur dazu, die Funktion der Feuerwehrgeräte zu überprüfen. Der Schriftsteller Stanislaw Reymont erwähnt in seinem berühmten Roman "Die Bauern", in dem er die Bauernschicksale und Familienkonflikte eines polnischen Dorfes (Ende des 19. Jhs.) erzählt, ebenfalls eine österliche Spritzenprobe. | |||
Wie dem auch sei, in Kuschten versammelten sich am dritten Osterfeiertag vormittags die jüngeren Mitglieder der Dorffeuerwehr an einem Teich mit ihrer Feuerspritze. Die Schläuche wurden ausgelegt und die Pumpmannschaft trat ans Gerät. Jeweils zwei Feuerwehrmänner bespritzten sich nun. Zunächst aus größerer Entfernung. Dann rückten sie immer näher aufeinander zu, bis einer der beiden den starken Wasserstrahl nicht mehr aushielt und aufgeben musste. Für die Zuschauer, besonders für die Kinder, war dieser Spritzentag immer ein großes Vergnügen. Nachträglich wunderte man sich, wie die tüchtig durchnässten und unterkühlten jungen Burschen - es war Ostern und oftmals noch recht kalt - diese Prozedur vertrugen, ohne krank zu werden. Selbstverständlich hatten sich die jungen Männer gut angezogen, wasserabweisende Schlapphüte und Gummistiefel; aber sie waren am Ende doch immer klitschnass. Offenbar lebte in Kuschten ein zähes Geschlecht. | |||
== Genealogische und historische Quellen == | == Genealogische und historische Quellen == |
Version vom 19. Juli 2009, 15:49 Uhr
Hierarchie
Regional > Historisches Territorium > Preußen > Posen > Kreis Meseritz > Kuschten
Regional > Historisches Territorium > Deutschland > Brandenburg > Neumark > Kreis Meseritz > Kuschten
Einleitung
Allgemeine Information
Politische Einteilung
Polnischer Ortsname | Kosieczyn |
W-Nummer (Kennziffer Verwaltungsbezirk) | W51136 |
Gemeinden Wohnplätze Vorwerke ...
Einwohnerzahl (1939) | 930 |
Zugehörige Ortsteile: Grünthal Vorwerk
Kirchliche Einteilung
Evangelische Kirchen
Katholische Kirchen
Geschichte
"Erinnerung an Kuschten" von Dr. H. Rothe
Kuschten ist ein altes Dorf und liegt im ältesten Siedlungsgebiet des ehemaligen Heimatkreises. Es ist als Angerdorf angelegt. Wie bei den meisten hiesigen Angerdörfern teilt sich auch Kuschten am Eingang des Dorfes der einzige Hauptweg und umschließt einen ursprünglich freien Platz, den Anger. Die Bauerngehöfte sind auf der dem Anger abgewandten Seite der Haupt- und Nebenstraße planvoll aneinandergereiht. Im Laufe der Zeit wurden dann auch der Anger bebaut, denn er bot das gegebene Baugelände für den weiteren Ausbau, besonders aber für jene Bauten, die der Allgemeinheit dienten, wie Gemeinde- und Spritzenhaus, Schule, Gastwirtschaft, Bäckerei usw. Später konnten nur an den Enden des Dorfes Erweiterungsbauten angelegt werden. So war die Entwicklung auch in Kuschten. In neuerer Zeit wurde auf dem Anger auch das Ehrenmal für die gefallenen Kriegsteilnehmer errichtet. Das Kuschtener Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges zählte 32 Namen auf.
In der Mitte des Dorfangers stand die alte katholische Holzkirche mit ihrem wuchtigen, breit und schwer wirkenden Turm. Diese Kirche erbaute im Jahre 1406 der Erbherr auf Kuschten und Nandel, Andreas Watha. Zwei Jahre später, 1408, wurde sie von dem Posener Bischof geweiht. Obwohl später die Zahl der evangelischen Einwohner in Kuschten die der katholischen erheblich überschritt, gab es in Kuschten nur ein katholisches Pfarramt, zu dem auch die katholischen Einwohner der Nachbardörfer Klastawe, Schloß Neudorf und Kranz gehörten. Kranz, das etwas 3 1/2 km südwestlich von Kuschten liegt, war ein fast rein evangelisches Dorf, seit der Reformationszeit, mit Patron. Zwischen dem evangelischen Pfarramt und dem Patron (Dziembowski) einerseits und dem Probst in Kuschten andererseits schwelte ein jahrhundertealter Streit, der auch den polnischen Reichstag immer wieder beschäftigte. Erst mit den Toleranzerlassen im späten 18. Jahrhundert, die allen Evangelischen in Polen wieder freie Religionsausübung zusicherten, kehrte Ruhe ein. Solche Streitigkeiten - besonders in Glaubensdingen - mögen wenig erfreuliche Erinnerungen wecken; aber wir verdanken gerade ihnen wichtige urkundliche Nachweise über Personen und Besitzverhältnisse der Vergangenheit, weil sie in alten Chroniken festgehalten worden sind.
So wissen wir z.B., das Kuschten im 15. Jahrhundert sowohl "Coscheten" (1458) wie auch polnisch "Cossycin" genannt bzw. geschrieben wurde. Wir kennen auch einige Namen der jeweiligen Grundbesitzer. Im Frühjahr 1458 werden z.B. als adlige Erbherren die Brüder Nikolaus und Dobrogostius Watten genannt. Im Frühjahr 1492 besaß der adlige Erbherr Johannes Naldewitz das Gut Kuschten. Diese Namen sind in einer Chronik des Klosters Paradies überliefert. Fast 50 Jahre dauerte nämlich eine Auseinandersetzung zwischen den jeweiligen Erbherren auf Kuschten mit dem Abte des Klosters Paradies wegen gewisser Anrechte auf eine zwischen Kuschten und Koschmin an der Faulen Obra gelegenen Mühle.
Kuschten war Guts- und Bauerndorf zugleich. Die Gesamtflur des Ortes betrug im Jahre 1925 2430ha und hat sich bis zur Austreibung nicht wesentlich verändert. Damit hatte Kuschten eine der größten Dorffluren des Kreises. Seine Einwohnerzahl schwankte zwischen 900 und 1000 (1919=1018, 1925=884, 1939=960)
Kuschten muss schon in früherer Zeit ein großes Dorf gewesen sein. Die Steuerlisten von 1570/80 weisen für Kuschten 7 Handwerksbetriebe aus. Die durchschnittliche Zahl der Handwerksbetriebe betrug in einem Dorf dieser Größe damals 2-3. Der wichtigste Handwerksbetrieb war in der Regel die Dorfschmiede. Sie wird in den Steuerlisten deshalb auch regelmäßig genannt. In den dreißiger Jahren - zwischen den beiden Weltkriegen - gab es in Kuschten noch immer 3 Schmieden, dazu 2 Bäckereien mit Verkauf von Kolonialwaren, 3 Gasthöfe - einen noch immer auf dem Dorfanger (Simsch) - 1 Metzgerei, 2 Gemischtwarenhandlungen, 1 Stellmacherei, 2 Mühlen (Windmühlen, die später elektrifiziert wurden), 1 Sattlerei, 1 Ofensetzer, 1 Gärtner, 1 Anstreicher (Maler), 1 Molkerei, 1 Fahrradhändler mit Reparaturwerkstatt, 1 Friseur, 1 Genossenschaft, 1 Baugeschäft und zeitweise sogar Arzt und Zahnärztin und dazu die eigenen Handwerksbetriebe des Gutes.
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und dem Verlust der Stadt Bentschen und infolge der ungünstigen Grenzlage der Stadt Tirschtiegel kam nach Kuschten sogar ein Distriktsamt, das viele Jahre Distriktskommissar Bürger und später Polizeirat Hagemann leitete. Mit dem Distriktsamt war in Kuschten zugleich ein Stück Landratsamt etabliert worden. Auf diesem Amt wurden Reisepässe ausgestellt und mancher Verwaltungsakt vorgenommen, der die lange Eisenbahnfahrt zur Kreisstadt Meseritz ersparte. Vielleicht hat dieser Umstand mit dazu beigetragen, dass den Jüngeren die Stadt Meseritz verhältnismäßig fremd blieb und die gleichgroße Stadt Schwiebus durch Einkauf und Schulbesuch (Realgymnasium) viel vertrauter geworden ist. Und vermutlich hing es auch mit dem Distriktsamt zusammen, dass in Kuschten zum "Schutze" der Einwohner gleich drei Gendarmeriebeamte stationiert waren. Für die Kinder waren sie oftmals ein Schrecken, wenn sie sie beim Fahren ohne Licht erwischten oder Jagd auf sie machten, wenn sie verbotenerweise beim Fahren nach Neu Bentschen unter den lagen Eisenbahnbrücken das Trottoir benutzten. Auf dem glatten Bürgersteig fuhr es sich mit dem Fahrrad natürlich viel leichter und schneller, als auf den Pflastersteinen der Straße. Zudem waren die Bürgersteige morgens, wenn sie in letzter Minute zum Bahnhof eilten, immer menschenleer - bis auf den Wachtmeister natürlich, der sich listigerweise irgendwo hinter einem Mauervorsprung oder Treppenabsatz im Schatten verborgen hielt. Manchmal wurden sie auch erwischt.
Einmal aber - es war Herr Thiem - war er schon aus seinem Versteck heraus, und ich überlegte gerade, ob ich auf dem Bürgersteig bleiben und bremsen oder aber vom Bürgersteig herunter und auf der Straße an ihm vorbeiflitzen sollte, da zog er sich blitzschnell in sein Versteck zurück. Natürlich war ich baß erstaunt. Des Rätsels Lösung war einfach: Am Abend vorher hatte mich Wachtmeister Thiem gebeten, für seinen Sohn Gerhard eine Mütze aus Schwiebus mitzubringen!
(Er ist mit vielen anderen Bewohnern - der Vater von H. Rothe war auch dabei - im Febr./März 1945 nach Russland verschleppt worden. Thiem und die meisten anderen sind elend umgekommen.)
Die Kuschtener Wachtmeister waren ja gestrenge Herren. Doch manchmal mussten auch sie sich dem schadenfrohen Gelächter beugen oder weichen. Ein anderer hatte den dienstlichen Auftrag, einen lange gesuchten und endlich gefangenen "Gesetzesübertreter" in die Haftanstalt zu überführen. Der Gefangene musste mal und suchte in polizeilicher Begleitung das Örtchen im fahrenden Zug auf. Wer kann es dem Gesetzeshüter verdenken, dass er schamhaft nur eine Fußspitze zwischen Tür und Kabine beließ? Nun, der Gefangene strebte nach mehr sauberer Luft, hechtete durchs Fenster - und verschwand. Die Notbremse half nicht mehr. Der Heimweg war schmerzlich für den Beamten, das Bleiben wohl auch. Ob er sich deshalb alsbald versetzen ließ?
Mit den Nachbardörfern bestanden Jahrhunderte hindurch recht enge Beziehungen. Da sich in Kranz das auch für Kuschten zuständige Standesamt befand, haben dort viele Kuschtener Familien ihre bürgerliche Ehe geschlossen. Noch engere Beziehungen als zu Kranz bestanden zwischen Kuschten und dem 1 km entfernten Nachbarort Klastawe. Hierher gingen seit der Reformation die evangelischen Bewohner Kuschtens zum Gottesdienst in die sehr schöne alte Holzkirche. Klastawe war zwar nur ein kleines, allerdings fast ein rein evangelisches Dorf. Die Evangelischen von Kuschten waren mehr als doppelt so zahlreich, aber ihr gemeinsames evangelisches Pfarramt war seit der Reformationszeit in Klastawe. Hierher kamen im 17. und 18. Jahrhundert die Evangelischen von weither, aus der Umgegend von Schwiebus ebenso wie auch von Bentschen und Tomischel und weit darüber hinaus. In letzter Zeit gehörten nur die Evangelischen von Klastawe und Kuschten, von Großdammer und Schloß Neudorf zum Pfarramt Klastawe. Außerdem versorgte der Klastawer Pfarrer noch die Filialgemeinde Rogsen, die aber eine eigene Kirche hatte. Das hatte zur Folge, dass die Gottesdienstzeiten in Klastawe und Rogsen umschichtig wechselten und im Winterhalbjahr sogar 14-tägig nachmittags liegen mussten.
Die Patronatsherren der Klastawer Kirchengemeinde haben sich um die Erhaltung des evangelischen Glaubens wie auch des Deutschtums verdient gemacht.
Neben Einführung der Reformation und der polnischen Teilung von 1793, die unsere Heimat zu Preußen brachte, war das Ende des 1. Weltkrieges wohl das einschneidenste Ereignis. Der Kreis wurde geteilt. Für den südlichen Teil des Kreises bedeutete es, dass ein neuer Bahnhof geschaffen werden musste, der zugleich die Funktion eines Grenzbahnhofes wahrzunehmen hatte.
Mit dem Bau dieses Bahnhofes und der Siedlung Neu Bentschen erfuhr das gesamte Dorfleben von Kuschten eine gewisse Belebung. Die vielen Arbeiter und Techniker, die beim Bau beschäftigt waren, brachten zwar anfangs eine erhebliche Unruhe ins Dorf. Ja, es kam sogar vor, dass unzufriedene Arbeiter sich in der Inflationszeit zusammenrotteten uns sich kurzerhand ihre Lebensmittel gewaltsam holten. Später aber waren die Geschäfte der aufstrebenden Siedlung, der große Bahnhof, die weiterführenden Klassen der Volks- und Mittelschule Neu Bentschen eine große Bereicherung für die Bewohner der umliegenden Dörfer und besonders auch für das nahe Kuschten. Mancher Dorfbewohner hatte vor dem 2. Weltkrieg seinen dauernden Arbeitsplatz in Neu Bentschen gefunden; auf die Dauer wären Neu Bentschen, Kuschten und Klastawe gewiss zu einem Gemeinwesen zusammengewachsen.
Neu Bentschen war mit seinem großen Bahnhof, auf dem auch internationale Fernzüge hielten, für die Kuschtener gewissermaßen das Tor zur großen, weiten Welt. Als Fahrschüler bewunderte und bestaunte man die komfortablen D-Zugwagen der internationalen Fernzüge Paris-Warschau-Moskau. Wenn der Schulzug verpasste, kam man gerade noch rechzeitig, wenn man diesen Fernzug nahm. Das kostete allerdings eine halbe Mark Zuschlag. Wer es geschickt machte, konnte diesen Zuschlag sparen. Man musste nur kurz vor Abfahrt des Zuges einsteigen und sich möglichst schnell in die 1. Klasse des belgischen oder französischen Wagens begeben. Dort kam selten ein Schaffner während der kurzen Fahrt bis Schwiebus. Dann gab es freilich noch eine Klippe, man musste unauffällig vom Bahnhof verschwinden!
Landschaftlich war unsere heimatliche Flur ohne überwältigende Reize. Wer sie gar im Eiltempo durchmaß, konnte sie eintönig finden. Das Gelände wirkte auch einförmig durch die großflächigen Felder. Es war leicht gewölbt und hin und wieder durchsetzt von kleinen und größeren Waldstücken. Beherrschend war der weite Blick über die große, ausgedehnte Feldflur. Aber es gab auch ausgesprochen hübsche Partien, die das Auge erfreuten. Man musste nur Augen haben, um zu sehen. So etwa die markante Baumgruppe mit den Gebäuden der Schäferei Neudorf (s. HB I S. 199), die dicht an der Chaussee lag, welche von Kuschten nach Schloß Neudorf führte. Oder Schloß Neudorf selbst mit dem großen Bentschener See, der sich fast 7 km von Norden nach Süden erstreckte und beinahe die Gestalt einer Birne hat. Seine Breite beträgt von West nach Ost über 2,5 km. Der weite Seespiegel kam so recht zur Geltung, wenn man von Neudorf hinüber nach Bentschen blickte. Dieser See ist einer der größten Westposen Seen. Er war früher ein beliebter Badesee und für manchen ein - wenn auch verbotenes - Anglerparadies, leider war er polnisch! Nur ein kleiner Teil des westlichen Ufers im südlichen Teil war deutsch und der See nur von dieser Seite für Deutsche zugänglich. Und da gerade hier das Ufer für die polnischen Zollbeamten unbetretbar blieb, fehlte gleichsam die Grenzkontrolle. Natürlich nutzte man das aus und schwamm nach Herzenslust im polnischen See, baute Flöße aus Schilf und ruderte auf dem See herum. Aber auch die polnischen Zöllner hatten sich eine Methode ausgedacht, wie sie das illegale Treiben stören konnten. Als harmloser Ausflügler getarnt, mit weißen Oberhemden, näherten sie sich einem Boot und zogen dann blitzschnell ihre Uniformjacke an. Da gab es nur eines: Kopfsprung vom Floß ins Wasser und schleunigst zurück an das deutsche Ufer. Es ist jedes mal beim Schrecken geblieben. Und das war ja wohl auch nur beabsichtigt, denn in der Regel waren die Zöllner auf beiden Seiten freundliche Beamte, und die Grenze war eine friedliche Grenze. Stacheldrahtgrenze, die auch noch von Türmen bewacht werden, ist eine Erfindung unserer Zeit.
Das gesellige Leben des Dorfes war dem Rhythmus der Jahreszeiten angepasst. Die Sommerfeste wurden gern im Hellergarten - am Rande des Dorfes - gefeiert. Am beliebtesten war das Turnfest, verbunden mit dem Kinderfest. Die Wettkämpfe begeisterten jung und alt. Verkaufszelte für Würstchen, Back- und Zuckerwerk, für Kinderspielsachen und nicht zuletzt die Schankzelte der Wirte waren unter den Bäumen aufgebaut. Mitten im Garten stand ein mächtiger Kirschbaum, der leuchtend schwarz-rote Herzkirschen trug, die gerade immer zur Festzeit reif waren und doch nicht gepflückt und gegessen werden durften.
Der Festzug setzte sich gleich nach dem Mittagessen in Marsch. Eine Blaskapelle marschierte in der Spitze, begleitet von den übrigen Dorfbewohnern zog er hinaus auf den Festplatz. Die Feste des Kriegervereins fanden häufiger in einem Wald an der Kranzer Chaussee statt. Dort waren die Schießstände eingerichtet und die Festzelte wurden unter den Bäumen des Waldes aufgestellt.
Die winterliche Festzeit gipfelte, in dem mehrtägigen Fastnachtstreiben. Ein Festkomitee bereitete die Fastnacht vor. Am Montag fand der Umzug durch das Dorf statt. Eine maskierte Gruppe mit Schimmel und Schimmelführer, Bären und Bärenführer, Clown mit Scherbelsack, Schornsteinfeger und Müller und an der Spitze ein Fastnachtspaar (Brautpaar) bewaffnet mit einer Schnapsflasche, und andere, die einen Spieß mit sich führten, auf dem die spendierten Wurstringe gesammelt wurden, bewegten sich fast den ganzen Tag durchs Dorf. Angeführt wurde der Zug von einer kleinen Blaskapelle. Mit dem ewiggleichen Schlachtruf: "Fastnacht, Fastnacht immer noch Fastnacht" zogen die Musikanten mit dem Brautpaar an der Spitze in jedes Haus. Sie schenkten dem Besitzer und seiner Frau ein, baten zum Tänzchen, empfingen ihre Wurst oder Fastnachtskrapfen, verstauten die Gaben im mitgebrachten Korb, und bald ging es weiter ins nächste Haus.
Bei diesem Umzug am Montag war das halbe Dorf auf den Beinen. Jung und alt schaute zu, freute sich an den Streichen der maskierten jungen Burschen, etwa wenn der Schornsteinfeger ein Mädchen das Näschen, Stirn oder Wange schwärzte oder der Müller einen Vorwitzigen puderte oder gar der Scherbelsack einem frechen Jungen nachgeworfen wurde. Oft lag noch Schnee, und das Wetter war bitter kalt, aber der Freude tat das keinen Abbruch. Der Montag schloss abends mit einem Tanzvergnügen ab. Am Dienstag war dann eine große Tanzveranstaltung mit geladenen Gästen und am Donnerstag schloss das vergnügliche Treiben mit der Männerfastnacht ab.
Natürlich gab es auch noch öffentliche Tanzveranstaltungen ohne besonderen Anlass. Aber wenn man das gesellige Leben überblickt, wird man sagen müssen, dass verhältnismäßig selten gefeiert wurde. Lange Arbeitszeiten und die Schwere der Arbeit setzten natürlich Grenzen. Um so intensiver nutzte man die seltenen außerordentlichen Gelegenheiten. Bei diesen nahmen zweifellos die Hochzeitsfeiern den obersten Rang ein. Am Samstag war Polterabend im Hause der Braut mit viel Fröhlichkeit drinnen und noch mehr Scherben und Krach draußen vor der Tür. Montagvormittag fuhr das Brautpaar mit den Trauzeugen zum Standesamt ins benachbarte Kranz und am späten Vormittag fand die kirchliche Trauung statt. Die katholischen Paare hatten nur einen kurzen Weg zur Kuschtener Kirche. Die evangelischen Hochzeiter fuhren in festlich geschmückten Kutschen nach Klastawe in ihre Kirche. Manchmal wurde der Hochzeitzug durch ein langes Seil aufgehalten, das von den Burschen über die Straße gespannt war. Der Bräutigam hatte sich durch Geld loszukaufen. Nach der kirchlichen Trauung wurde gefeiert. Gegessen wurde kräftig und gut, getrunken auch. In der Regel hatten die Brauteltern extra geschlachtet. Am Dienstag feierte man weiter und wer es mit seinen Gästen gut meinte, gab ihnen am Mittwoch noch ein Abschiedsessen.
An den Hochzeitsvorbereitungen waren im Dorfe viele Familien beteiligt. Die Hochzeitskutschen für die Hochzeitsgäste z.B. stellten Verwandte, Nachbarn und Freunde des Hochzeitshauses und fuhren sie auch. Diese Kutschen wurden festlich geschmückt, Pferde und Geschirre gewienert. Selbstverständlich gehörten die Fahrer zu den Hochzeitsgästen. Aber auch zum Hochzeitsessen trugen Nachbarn und Freunde durch Gaben von Butter, Eiern, Mehl usw. bei. Sie erhielten dafür als Gegengabe einen Hochzeitskuchen, der ihnen ins Haus gebracht wurde. Die Reputation des Hochzeitshauses wurde an der Zahl der teilnehmenden Gäste gemessen. Zum Glück setzten auch hier Wohnverhältnisse deutlich Grenzen. Diese Familienfeste trugen wesentlich mit dazu bei, dass die verwandtschaftlichen Beziehungen auch zu den entfernteren Verwandten gepflegt und erhalten blieben. Vor allem aber stärkten sie das Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb des Dorfes.
Am Gründonnerstag, also in der Karwoche, zogen die Dorfkinder von Kuschten von Haus zu Haus und sangen dabei ein kleines Lied im Chor oder allein:
" Ich kumm zum grienen Dunnerstag,
ich bin een kleener Plundersack,
ich bin een kleener König,
gäbt mir nicht zu wenig.
Laßt mich nicht zu lange stiehn,
ich muss a Häusang weiterziehn."
Sie erhielten dann an der Haustür Ostereier, Plätzchen oder Gebäck. Auf diesen Tag freuten sich alle Kinder in der vorösterlichen Zeit sehr.
Ferner fand - ebenfalls in der Osterzeit - immer am dritten Osterfeiertag, in Kuschten der sogenannte Spritzentag statt. Dies muss eine weit verbreitete österliche Eigentümlichkeit gewesen sein, und diente wohl nicht nur dazu, die Funktion der Feuerwehrgeräte zu überprüfen. Der Schriftsteller Stanislaw Reymont erwähnt in seinem berühmten Roman "Die Bauern", in dem er die Bauernschicksale und Familienkonflikte eines polnischen Dorfes (Ende des 19. Jhs.) erzählt, ebenfalls eine österliche Spritzenprobe.
Wie dem auch sei, in Kuschten versammelten sich am dritten Osterfeiertag vormittags die jüngeren Mitglieder der Dorffeuerwehr an einem Teich mit ihrer Feuerspritze. Die Schläuche wurden ausgelegt und die Pumpmannschaft trat ans Gerät. Jeweils zwei Feuerwehrmänner bespritzten sich nun. Zunächst aus größerer Entfernung. Dann rückten sie immer näher aufeinander zu, bis einer der beiden den starken Wasserstrahl nicht mehr aushielt und aufgeben musste. Für die Zuschauer, besonders für die Kinder, war dieser Spritzentag immer ein großes Vergnügen. Nachträglich wunderte man sich, wie die tüchtig durchnässten und unterkühlten jungen Burschen - es war Ostern und oftmals noch recht kalt - diese Prozedur vertrugen, ohne krank zu werden. Selbstverständlich hatten sich die jungen Männer gut angezogen, wasserabweisende Schlapphüte und Gummistiefel; aber sie waren am Ende doch immer klitschnass. Offenbar lebte in Kuschten ein zähes Geschlecht.
Genealogische und historische Quellen
Soweit noch erhalten befinden sich Kirchenbücher und Zivilstandsregister (älter als 100 Jahre) zumeist im Staatsarchiv Leipzig, jüngere im Standesamt Meseritz. Eine vollständige Übersicht ist zu finden bei Grüneberg (Bestandsverzeichnis).
Kirchenbücher
- ev. Kirche (Klastawe):
- KB: ev. 1818-74 LDS, kath. Potsdam/Leipzig/Kuschten, LDS
Zivilstandsregister
- StA (Kranz):
- StAReg: keine
Andere Quellen
LDS/FHC
Grundakten und -bücher
- Amtsgericht: Tirschtiegel
- Staatsarchiv_Landsberg/W.
- Grundakten 1793-1944 (571 Akten)/Grundbuch (7 Akten)
- Staatsarchiv_Landsberg/W.
Adreßbücher
Archive und Bibliotheken
Archive
Staatsarchiv Landsberg (Warthe)
Siehe Erfahrungsbericht der Neumark-L.
Bestände in Polen
Hier ein Link zur Bestandsübersicht in polnischen Archiven.
Bibliotheken
Handbibliothek der FST Neumark
Weblinks
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Kontakte
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Zufallsfunde
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Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
<gov>KUSTENJO72VF</gov>