Vogt: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. Juli 2023, 14:20 Uhr

Hierarchie:

Familienforschung > Informelles Lernen > Vogtei > Vogt (Verwaltung)

Disambiguation notice Vogt ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Vogt (Begriffserklärung).


Berufsbezeichnung

Bedeutung: zunächst "rector", "praepositus", "vicedominus", "advocatus" dann Schutzherr, Vetreter des Landesfürsten, Anwalt, Statthalter, Aufseher, Richter, Gemeindevorsteher

Begriff Vogt

Vogt oder Voigt ist ein althochdeutscher Begriff (in lat. Urkunden des MA. „Advocatus“) und bedeutet der „Herbeigerufene“ oder der „Rechtsbeistand“. Es war ein von Männern bekleidetes Amt und beinhaltete die Vertretung von Personen, Institutionen und Interessen.

Das Amt des Vogtes entwickelte sich aus

  • römischen Rechtsformen (-advocatus) in Verbindung mit der
  • germanischen Munt, vermutlich auch der
  • keltischen Klientel sowie der
  • Haus-, Sippen- und Gefolgsherrschaft.

Advocatus

  • = (lat.) der Herbeigerufene, der Rechtsbeistand nach römischem Recht.
  • = Vogt
    • advocatis burgi, advocatis major = Domvogt

Munt

  • (hdtsch. munt) = Schutz, lateinisiert „mundium“
  • Personal- familienrechtliches Schutz- und Vertretungsverhältnis eines Muntherren über Familienabgehörige, wie auch Hörige und Schutzunterworfene.
  • Aus dem Königschutz für die Kirche entstand die Vogtei über Kirchen und Klöster.
    • Das Herrschaftsrecht des Grundherren gegenüber seinen Grundholden entstammt diesem Muntrecht.

Vogtei als mittelalterliche Verwaltungseinheit

Im Mittelalter bezeichnete eine Vogtei eine Verwaltungseinheit, die einem Vogt oder Vögten unterstellt war. Eine Vogtei konnte verschiedene Bedeutungen haben, je nach Kontext und Zeitraum.

In den meisten Fällen war eine Vogtei ein Verwaltungsbezirk, der von einem Vogt im Auftrag des Königs, eines Landesherrn oder einer kirchlichen Institution verwaltet wurde. Der Vogt konnte entweder ein Adliger, ein Beamter (niederer Adel) oder ein vom Landesherrn eingesetzter Ministerialer sein. Die Aufgaben des Vogts umfassten die Verwaltung von Ländereien, die Erhebung von Abgaben und Steuern, die Rechtsprechung und die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit.

Eine Vogtei konnte auch die Gerichtsbarkeit (Vogteigericht) über ein bestimmtes Gebiet umfassen. Der Vogt hatte dann die Befugnis, über strafrechtliche und zivilrechtliche Angelegenheiten zu entscheiden und Gerichtsverfahren abzuhalten.

Darüber hinaus konnte eine Vogtei auch die Schutzherrschaft über ein Kloster, eine Kirche oder eine andere religiöse Institution beinhalten. Der Vogt hatte die Aufgabe, die Interessen und Rechte der Institution zu wahren, ihre Einkünfte zu verwalten und gegebenenfalls ihre Besitztümer zu verteidigen

Vogteigericht

Das Gericht einer Vogtei. Während es sich in den späteren Territorien hierbei meist um Niedergerichte handelte, waren es als Patrimonialgerichte in reichsunmittelbaren Herrschaften oder Erbherrschaften und in den Städten in der Mehrzahl der Fälle Hochgerichte.

Advocatiae ecclesiae

Während eine der wichtigsten Aufgaben der christlichen Kaiser zunächst der Schutz der Kirche (advocatia ecclesia) war, wuchs sie später zur weitgehenden Schutzherrschaft und zur Bevormundung (jus advocatiae) aus.

Auf Grund eines kaiserlichen Erlasses vom Jahre 401 waren der Kirche „advocati„ vorgeschrieben, da sie sich (nach Tim. II, 2, 4) sämtlicher weltlicher Geschäfte enthalten soll. Im Frankenreich, zunächst bei den Westfranken, wurden in den geistlichen Immunitäten die Immunitätsleute durch einen Vogt (zunächst rector, praepositus, vicedominus) vertreten; er schützte sie durch seine Macht und führte auch deren Aufgebot, später Schirmvogtei genannt; im Immunitätsgericht übte er das Richteramt aus.

Erblehen

Im Jahre 802 berief Karl der Große (reg. 768-814) grafschaftsweise Vögte sowohl für Bistümer als auch Abteien; sie wurden durch den zuständigen Grafen im echten Ding eingesetzt und von den „Missi“ kontrolliert, welche für das gesamte Reich verbindlich wurden (nachdem sie zunächst privat-rechtlichen Charakter gehabt hatten). Sowohl die Gerichts- als auch die Schirmvogtei wird während des 10. Jh. zu einem erblichen Lehen des Hochadels.

Dynastische Vögte als Schutzvögte

Erbvögte hochadeliger kaiserlicher oder freiweltlicher Stifter waren so z. B. in den meisten Fällen Dynasten, welche sich später keinerlei Weisungen unterwarfen.

Eigenvogteien

In Eigenklöstern konnte die Vogtei durch die Klöster selbst zur Eigenvergabe übernommen werden. Dem Adel diente die Vogtei zur persönlichen Machterweiterung, weshalb die kirchliche Reformbewegung des 11. Jhdts. den Versuch unternahm, diesen Mißbrauch zu beseitigen; dies gelang ihr durch die Einrichtung der „abbatiae liberae“.

Stifter Vögte

Stifteten Adelige Klöster, Stifter oder Kirchen, behielten sie sich in den meisten Fällen die Erbvogteirechte über die Einrichtung vor.

Vogteiabgaben

Während des gesamten Mittelalters betrachtete sich der König als oberster Schirmvogt über das Reich, namentlich über die Reichskirche, seit der Zeit der Salier und Staufer (1024/1138) über die Reichsstädte und -bauern. Zur Zeit des Spätmittelalters war der Landesherr in seinem Territorium, das sich nicht selten aus Vogteien entwickelt hatte, der oberste Vogt, insbesondere über die landsässigen geistlichen und weltlichen Grundherrschaften sowie die freien Bauern; sie hatten als Abgabe das Vogtrecht (beispielsweise das Fastnachtshuhn, den Vogthafer u.a.) zu entrichten.

Im Mittelalter wurden unrerschiedliche Arten von Vogteiabgaben erhoben, je nach den spezifischen Umständen und der Region. so beispieldweise

  • Vogteisteuer: Die Vogteisteuer war eine Abgabe, die von den Bewohnern einer Vogtei erhoben wurde. Sie diente dazu, die Kosten der Verwaltung und Rechtsprechung durch den Vogt zu decken. Die Steuer konnte in Form von Geldzahlungen, Naturalabgaben oder Frondiensten entrichtet werden.
  • Vogtgeld: Das Vogtgeld war eine Abgabe, die von den Untertanen an den Vogt gezahlt wurde, um seine Schutz- und Verwaltungsfunktionen zu honorieren. Es war eine Art Tribut, der von den Bewohnern der Vogtei geleistet wurde.
  • Zehnt: Der Zehnt war eine Abgabe, die in Form von Naturalien, oft in Höhe von einem Zehntel der landwirtschaftlichen Erträge, erhoben wurde. Oftmals hatte der Vogt das Recht, den Zehnt einzuziehen und für bestimmte Zwecke zu verwenden, wie zum Beispiel zur Finanzierung der Kirche oder zur Unterstützung des Vogtes selbst.
  • Wegegeld: Das Wegegeld war eine Abgabe, die von Reisenden oder Warentransporten an bestimmten Stellen oder auf bestimmten Straßen erhoben wurde. Der Vogt konnte Wegegeld erheben, um die Instandhaltung der Straßen und Brücken in der Vogtei zu finanzieren.
  • Maut: Die Maut war eine Abgabe, die an bestimmten Grenzen, Brücken oder Zollstationen erhoben wurde. Der Vogt konnte die Kontrolle über solche Mautstellen haben und Einnahmen aus dem Mautbetrieb erzielen.
  • Fronarbeit: Fronarbeit war eine Form der Abgabe, bei der die Bewohner der Vogtei verpflichtet waren, bestimmte Arbeiten auf den Ländereien des Vogts zu verrichten. Dies konnte beispielsweise die Pflicht zur Feldarbeit oder zur Erhaltung von Straßen und Wegen umfassen.

Beamteter Vogt

Ein Reichs-Vogt war auch der vom König (im HRR bis 1806) bestellte Verwaltungsbeamte sowie Hochrichter eines Krongutbezirks oder einer königlichen Abtei. Diese Vogteien gelangten meistens, wie bei den Klöstern, an die Städte selber.

Amtsvogt

In Ämterverfassungen von Territorien konnten aus Sprengeln (Kirchspielen) Vogteibezirke oder Vogteien gegründet werden, denen der Richter sowie der Verwaltungsbeamte eines Sprengels (Vogtei), der meist Teil eines Amtes, vereinzelt auch (z.B. in Württemberg seit dem ausgehenden 15. Jh., das Herzogtum Westfalen) eines aus mehreren Ämtern bestehenden Bezirks war (mit dem Titel Obervogt). Insgesamt gesehen war die Stellung eines Vogtes von Territorium zu Territorium verschieden, gemeinsam aber war den von Territorialherren bestellten Vögten, daß es sich dabei stets um einen herrschaftlichen Beamten handelte. In den Städten konnte dem Vogt auch die Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit obliegen; häufig wurde er im Verlauf des Mittelalters durch den Schultheiß ersetzt.

  • Vor 1802: Im Fürstbistum Münster: Ein landesherrlicher Beamter höheren oder niederen Ranges, der die lokale oder regionale Aufsicht in oder über etwas (Kirchspiel, Stadt, Einrichtung) führt, gewöhnlich mit einem Zusatz, der sein Geschäft näher bezeichnet, z. B. Schloßvogt, Amtsvogt, Hausvogt, Feldvogt oder ähnlich.

Reichs- und Landesvogteien

  • Der Reichsvogt agierte als Vertreter des Königs oder Kaisers in seinem Gebiet.
  • Landesfürsten setzten als Landvögte einen Landdrosten, Vizedominus (Statthalter, Amtmänner) direkt dem zuständigen unterstellt.
Vogteiordnung-Osnabrück
  • Den Vögten ist in ihren Vogteien, wozu bisweilen mehrere Kirchspiele gehören, nicht nur die Hebung des Schatzes, sondern auch die Polizey anbefohlen. Sie sind aber den Beamten untergeordnet, deren Befehle sie vollstrecken, und welchen sie alles, was in ihrem Kirchspielen sträfliches vorgeht, berichten müssen. Die Vögte ~ Ordnung befindet über die obliegenden Pflichten. 26. Jan. 1651.
    • Quelle: Aus dem alphabetischen Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück mit Rücksicht auf die benachbarten westfälischen Provinzen, von I. Aegidius Klöntrup. 1799.

Ehevogt

Aus dem „Munt“ direkt entstandenes familienrechtliches Schutz- und Vertretungsverhältnis eines Eheherren über seine Ehefrau (Familienabgehörige).

Begriffserweiterungen

Vogtei

Amt oder Amtsbezirk eines Vogtes. (siehe Vogtei)

Vogteigut

Ein bäuerliches Gut, das nur einem Schirmvogt unterstand (im Spätmittelalter häufig dem Landesherrn). Da es keiner Grundherrschaft angehörte, zahlte sein Besitzer lediglich Bede oder das Vogtrecht.

Vogtfrei

Die Freiheit vom Gericht eines Vogts. Vogtfrei waren vor allem Klöster, u. a die der Zisterzienser.

Vogtleute

Allgemein sämtliche Leute, die einem Vogt unterworfen waren und die ein Vogtrecht entrichteten, namentlich die Angehörigen einer Immunität

Bibliografie

  • Glier, L. Die Advokatia ecclesia Romanae imperatori in der Zeit von 1519 bis 1648 (1897)
  • Hirsch. H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit (1913)
  • Klebel, E. Eigenklosterrecht und Vogtei in Bayern und Dtsch.-Österreich (1939)
  • Kroeschell, K., Haus- und Herrschaft im frühen dtsch. Recht. (1968)
  • Mayer, Th. Fürsten und Staat (1950)
  • Molitor, E., Zur Entwicklung der Munt (1944)
  • Müller, R. Die rechtlichen Wandlungen der Advocatia Ecclesiae des röm. Kaisers dtsch. Nation (1895)
  • Otto, E. F., Die Entwicklung der dtsch. Kirchenvogtei im 10. Jh. (1933);
  • Schlesinger, W. Die Entstehung der Landesherrschaft (1941)
  • Waas, A. Vogtei und Bede in der dtsch. Kaiserzeit (Teil l: 1919; Teil 2: 1923),