Deutsche und französische Kultur im Elsass/017: Unterschied zwischen den Versionen

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
(korrigiert von CW)
K (Seitenzahl entfernt)
 
Zeile 5: Zeile 5:


Erfindung eines Franzosen im Elsass. Die Gewerbe der Bierbrauerei, Sauerkraut- und Wurstfabrikation stellten spezifisch germanische Genussmittel für den französischen Konsum dar und beruhten daher, allerdings aus dem entgegengesetzten Grunde wie die übrigen Industrieen, auf dem Zusammenhang mit Frankreich. Sie sind daher seit der Trennung des Elsasses von Frankreich sehr zurückgegangen, weil sie in Frankreich eine Art Monopolstellung hatten, während sie in Deutschland einer vielfach überlegenen Konkurrenz ausgesetzt sind. So war die elsässische Industrie in Produktion und Konsumtion ein Bestandteil der französischen Volkswirtschaft und trägt noch heute wesentliche Züge dieser Zugehörigkeit an sich. Aber nicht nur die einzelnen Industrieen tragen den Stempel der französischen Kultur oder sind durch die Zugehörigkeit des Landes zu Frankreich bedingt gewesen, sondern, und das ist die Hauptsache, der vorherrschend wirtschaftliche Sinn der Bevölkerung hat durch die Zugehörigkeit zu Frankreich eine bedeutende Stärkung erfahren. Die Bevölkerung musste bei ihrer Zugehörigkeit zu einer stammesfremden Nation sich auf Berufe verlegen, die nicht den spezifisch nationalen Geist erforderten. Ein Elsässer konnte weder als Politiker noch als Dichter noch als Lehrer eine hervorragende Rolle spielen. Von Ausnahmen abgesehen, waren alle Berufe, die das „genie national" im höheren Sinne erforderten, den Elsässern verschlossen. Daher wandten sich alle Begabten technischen Wissenschaften oder wirtschaftlicher Thätigkeit zu. Aber auch in Frankreich selbst bestand seit alter Zeit eine solche Vorherrschaft wirtschaftlicher Interessen, wenn auch nicht in solcher Ausschliesslichkeit wie im Elsass. Das französische Volk ist eines der wirtschaftlichsten Völker der Welt. Fehlt ihm auch der grossartige kaufmännische und gewerbliche Unternehmungsgeist des Engländers oder Amerikaners oder die schmiegsame, durch gründliche Bildung unterstützte Betriebsamkeit des Deutschen, so hat es andererseits eine unerreichte Sparsamkeit und Nüchternheit, eine hochentwickelte Feinheit aller Sinne und eine sehr alte wirtschaftliche Kultur vor allen anderen Völkern voraus. Die französische Revolution selbst ist mit ein Resultat dieser thatsächlichen Übermacht wirtschaftlicher Interessen in der Nation. Seit dieser Zeit sind die Erwerbsstände, seien es nun Grossbürger, Kleinbürger, Bauern oder schliesslich die Arbeiter, die herrschende Klasse in Frankreich gewesen, ein Beweis, wie stark die wirtschaftlichen Interessen im Leben dieser Nation sich geltend machen. So findet auch der vorherrschend wirtschaftliche Charakterzug der Elsässer seine Analogieen bei den Franzosen, und man wird nicht fehlgehen, wenn man ihn wenigstens zum Teil auf die Einwirkung Frankreichs zurückführt. Allerdings hat der französische Einfluss hier nur längst vorhandene Anlagen und gegebene Zustände weiterentwickelt. Aber das ungeheure Übergewicht wirtschaftlicher Interessen im Leben der Elsässer ist wieder auf
Erfindung eines Franzosen im Elsass. Die Gewerbe der Bierbrauerei, Sauerkraut- und Wurstfabrikation stellten spezifisch germanische Genussmittel für den französischen Konsum dar und beruhten daher, allerdings aus dem entgegengesetzten Grunde wie die übrigen Industrieen, auf dem Zusammenhang mit Frankreich. Sie sind daher seit der Trennung des Elsasses von Frankreich sehr zurückgegangen, weil sie in Frankreich eine Art Monopolstellung hatten, während sie in Deutschland einer vielfach überlegenen Konkurrenz ausgesetzt sind. So war die elsässische Industrie in Produktion und Konsumtion ein Bestandteil der französischen Volkswirtschaft und trägt noch heute wesentliche Züge dieser Zugehörigkeit an sich. Aber nicht nur die einzelnen Industrieen tragen den Stempel der französischen Kultur oder sind durch die Zugehörigkeit des Landes zu Frankreich bedingt gewesen, sondern, und das ist die Hauptsache, der vorherrschend wirtschaftliche Sinn der Bevölkerung hat durch die Zugehörigkeit zu Frankreich eine bedeutende Stärkung erfahren. Die Bevölkerung musste bei ihrer Zugehörigkeit zu einer stammesfremden Nation sich auf Berufe verlegen, die nicht den spezifisch nationalen Geist erforderten. Ein Elsässer konnte weder als Politiker noch als Dichter noch als Lehrer eine hervorragende Rolle spielen. Von Ausnahmen abgesehen, waren alle Berufe, die das „genie national" im höheren Sinne erforderten, den Elsässern verschlossen. Daher wandten sich alle Begabten technischen Wissenschaften oder wirtschaftlicher Thätigkeit zu. Aber auch in Frankreich selbst bestand seit alter Zeit eine solche Vorherrschaft wirtschaftlicher Interessen, wenn auch nicht in solcher Ausschliesslichkeit wie im Elsass. Das französische Volk ist eines der wirtschaftlichsten Völker der Welt. Fehlt ihm auch der grossartige kaufmännische und gewerbliche Unternehmungsgeist des Engländers oder Amerikaners oder die schmiegsame, durch gründliche Bildung unterstützte Betriebsamkeit des Deutschen, so hat es andererseits eine unerreichte Sparsamkeit und Nüchternheit, eine hochentwickelte Feinheit aller Sinne und eine sehr alte wirtschaftliche Kultur vor allen anderen Völkern voraus. Die französische Revolution selbst ist mit ein Resultat dieser thatsächlichen Übermacht wirtschaftlicher Interessen in der Nation. Seit dieser Zeit sind die Erwerbsstände, seien es nun Grossbürger, Kleinbürger, Bauern oder schliesslich die Arbeiter, die herrschende Klasse in Frankreich gewesen, ein Beweis, wie stark die wirtschaftlichen Interessen im Leben dieser Nation sich geltend machen. So findet auch der vorherrschend wirtschaftliche Charakterzug der Elsässer seine Analogieen bei den Franzosen, und man wird nicht fehlgehen, wenn man ihn wenigstens zum Teil auf die Einwirkung Frankreichs zurückführt. Allerdings hat der französische Einfluss hier nur längst vorhandene Anlagen und gegebene Zustände weiterentwickelt. Aber das ungeheure Übergewicht wirtschaftlicher Interessen im Leben der Elsässer ist wieder auf
<center>—  17  —</center>

Aktuelle Version vom 2. April 2008, 15:21 Uhr

GenWiki - Digitale Bibliothek
Deutsche und französische Kultur im Elsass
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[016]
Nächste Seite>>>
[018]
Datei:Kultur elsass.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



Bildunterschrift:
TH. SCHULER: ELSÄSSISCHES DORF.

Erfindung eines Franzosen im Elsass. Die Gewerbe der Bierbrauerei, Sauerkraut- und Wurstfabrikation stellten spezifisch germanische Genussmittel für den französischen Konsum dar und beruhten daher, allerdings aus dem entgegengesetzten Grunde wie die übrigen Industrieen, auf dem Zusammenhang mit Frankreich. Sie sind daher seit der Trennung des Elsasses von Frankreich sehr zurückgegangen, weil sie in Frankreich eine Art Monopolstellung hatten, während sie in Deutschland einer vielfach überlegenen Konkurrenz ausgesetzt sind. So war die elsässische Industrie in Produktion und Konsumtion ein Bestandteil der französischen Volkswirtschaft und trägt noch heute wesentliche Züge dieser Zugehörigkeit an sich. Aber nicht nur die einzelnen Industrieen tragen den Stempel der französischen Kultur oder sind durch die Zugehörigkeit des Landes zu Frankreich bedingt gewesen, sondern, und das ist die Hauptsache, der vorherrschend wirtschaftliche Sinn der Bevölkerung hat durch die Zugehörigkeit zu Frankreich eine bedeutende Stärkung erfahren. Die Bevölkerung musste bei ihrer Zugehörigkeit zu einer stammesfremden Nation sich auf Berufe verlegen, die nicht den spezifisch nationalen Geist erforderten. Ein Elsässer konnte weder als Politiker noch als Dichter noch als Lehrer eine hervorragende Rolle spielen. Von Ausnahmen abgesehen, waren alle Berufe, die das „genie national" im höheren Sinne erforderten, den Elsässern verschlossen. Daher wandten sich alle Begabten technischen Wissenschaften oder wirtschaftlicher Thätigkeit zu. Aber auch in Frankreich selbst bestand seit alter Zeit eine solche Vorherrschaft wirtschaftlicher Interessen, wenn auch nicht in solcher Ausschliesslichkeit wie im Elsass. Das französische Volk ist eines der wirtschaftlichsten Völker der Welt. Fehlt ihm auch der grossartige kaufmännische und gewerbliche Unternehmungsgeist des Engländers oder Amerikaners oder die schmiegsame, durch gründliche Bildung unterstützte Betriebsamkeit des Deutschen, so hat es andererseits eine unerreichte Sparsamkeit und Nüchternheit, eine hochentwickelte Feinheit aller Sinne und eine sehr alte wirtschaftliche Kultur vor allen anderen Völkern voraus. Die französische Revolution selbst ist mit ein Resultat dieser thatsächlichen Übermacht wirtschaftlicher Interessen in der Nation. Seit dieser Zeit sind die Erwerbsstände, seien es nun Grossbürger, Kleinbürger, Bauern oder schliesslich die Arbeiter, die herrschende Klasse in Frankreich gewesen, ein Beweis, wie stark die wirtschaftlichen Interessen im Leben dieser Nation sich geltend machen. So findet auch der vorherrschend wirtschaftliche Charakterzug der Elsässer seine Analogieen bei den Franzosen, und man wird nicht fehlgehen, wenn man ihn wenigstens zum Teil auf die Einwirkung Frankreichs zurückführt. Allerdings hat der französische Einfluss hier nur längst vorhandene Anlagen und gegebene Zustände weiterentwickelt. Aber das ungeheure Übergewicht wirtschaftlicher Interessen im Leben der Elsässer ist wieder auf