Grundsätzliches über zeitgeschichtliche Darstellungen (Rösch): Unterschied zwischen den Versionen

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== Grundsätzliches über zeitgeschichtliche Darstellungen ==
{{Grundsätzliches über zeitgeschichtliche Darstellungen (Roesch)||Titel|Titel|}}
von [[Siegfried Rösch|Prof. Siegfried Rösch]], 1899-1984<br>
erschienen 1969 in: Genealogie 18.Jg., Bd.9, Heft 11, S. 786-789; Verlag [[Verlag Degener & Co.|Degener & Co]]. Insingen


== Bibliografische Angaben ==
[[Siegfried Rösch]]: erschienen 1969 in: Genealogie 18.Jg., Bd.9, Heft 11, S. 786-789; Verlag [[Verlag Degener & Co.|Degener & Co]]. Insingen


Herr Liebich, der mir in seinen letzten Jahren mehrfach von der beabsichtigten Neuauflage seiner Abhandlung von 1933 über „Zeichnerische Darstellungen familiengeschichtlicher Forschungsergebnisse" (Prakt. f. Familienforscher H. 26) erzählte, hat deren Vollendung leider nicht mehr erlebt. Am 3.Dezember 1966 mußte er endgültig die Feder aus der fleißigen Hand legen. Als der Verlag an mich mit der Bitte herantrat, das begonnene Werk zu Ende zu führen, waren meine Gefühle zwiespältig. Auch ich sah die dringende Notwendigkeit ein und begrüßte sie, dieses schöne und seinerzeit bahnbrechende Büchlein wieder verfügbar und dem genealogischen Nachwuchs dienlich zu machen, und war freudig bereit, dabei mitzuhelfen. Andererseits fordert die in der Zwischenzeit von 36 Jahren enorm angewachsene einschlägige Literatur erhebliche Erweiterungen, Änderungen und Anpassungen, die leicht etwas entstehen lassen, was dann nicht mehr das Liebichsche Gesicht trägt. Insbesondere würde ich eine solche Gelegenheit gar gern benutzen zu einem generellen Durchdenken der hier zur Debatte stehenden Zeichnungstypen, was zu einer Art Vereinheitlichungsvorschlag führen würde, über den hier einiges gesagt werden soll.
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Es läßt sich nicht verheimlichen, daß unsere genealogischen zeichnerischen Darstellungen seit langer Zeit uneinheitlich erfolgen, was bei ihrer Ausführung durch die verschiedensten Menschen und für die verschiedensten Zwecke durchaus verständlich ist. Leider führt dies aber oft zu Mißverständnissen, mindestens aber zur Erschwerung ihrer Lesbarkeit und beim Vergleich mit den in immer engere Beziehung zur Genealogie tretenden Nachbarwissenschaften zu Inkonsequenzen. Die Hauptsorge macht hierbei eine scheinbar lächerlich belanglose Kleinigkeit: Die Darstellungen der Folge genealogischen Geschehens sind nun einmal sehr stark mit dem Zeitbegriff verknüpft, und daher spielt wie in vielen anderen verwandten Wissensgebieten dessen einheitliche Darstellung eine nicht unwichtige Rolle. Bei horizontaler Anordnung der Zeitskala tritt hier nur selten eine Schwierigkeit auf: Wohl jedermann wird heute zustimmen (wenigstens in unserem europäischen Kulturkreis), daß die Zeit sinngemäß im Bild von links nach rechts fortschreiten soll, was auch mit unserer Gepflogenheit harmoniert (und sicher eng zusammengehängt), im gleichen Richtungssinn zu schreiben. Nur bei zeichnerischen oder textlichen Darstellungen von Ahnenfolgen ist vielleicht der Hinweis nützlich, daß folgerichtig auch dabei einheitlich links die ältesten Ahnengenerationen, rechts die dem Probanden nächsten stehen sollten.
== Bearbeiter ==
* Scanvorlage: [[Benutzer:Richter|Arndt Richter]]
* Scans: [[Benutzer:Richter|Arndt Richter]]
* DjVu: [[Benutzer:PLingnau|Peter Lingnau]]
* Projektanlage: [[Benutzer:Schwerin|Simon von Schwerin]]
* Transkription: [[Benutzer:Schwerin|Simon von Schwerin]]
* 1. Korrektur:
* 2. Korrektur:


Viel schlimmer ist es aber bestellt bei den zahlreichen Gelegenheiten vertikaler Zeitskalenanordnung, die sich uns bieten. Wie sieht es da in unserem Fachgebiet
aus? Der uralte „Stammbaum" streckt seine jungen Triebe nach oben in den Himmel der Zukunft, während die Ahnen gewissermaßen dem Wurzelwerk entsprechen, das unter der Erde sich verzweigt und aus seinen vielen Kanälen von unten nach oben den Stamm aufbaut und ernährt.


Aus diesem Stammbaumschema ist, wie man so sagt, sowohl unsere Ahnenschafts-als unsere Nachfahrenschafts-Darstellung entstanden. Betrachten wir diese kritisch, so bemerken wir aber eine seltsame Veränderung: Wir haben uns meist angewöhnt, die Kindergeneration unter die Eltern zu schreiben; Stammfolgen werden in ihrem historischen Verlauf von oben nach unten geschrieben<ref>Der „Stammbaum Christi" am Beginn des Matthäus-Evangeliums ist ein bekanntes Beispiel, wahrscheinlich eines der ältesten</ref>, gezeichnete Ahnentafeln und ihre vorgedruckten Formblätter haben fast stets unten den Probanden, und die Ahnenfolge baut sich nach oben auf, „bis zu Karl dem Großen hinauf"! Unkonsequenterweise pflegen dagegen Ahnenlisten gerade umgekehrt oben mit dem Probanden zu beginnen und mit (absolut) wachsender Generations- und Ahnen-nummer nach unten fortzuschreiten. Das uralte römische Verwandtschaftsschema und der daraus entstandene mittelalterliche „arbor genealogicus" laufen entgegen dem „Stammbaum" abwärts, woran anscheinend nie Anstoß genommen wurde. Ich bin überzeugt, daß eine wesentliche Ursache für diese Abwärtstendenz der Stamm- und Nachfahrentafeln vom Probanden aus die Art unseres Schreibens ist, das eine Zeile unter die andere setzt. Damit und mit dem altrömischen Schema somit in Einklang mußten nun eben die zahllosen gemalten und wappengezierten „Ahnenproben" auch auf den Kopf gestellt werden und vom Probanden aus nach oben wachsen (soweit sie nicht in Kreisform gemalt und somit ohne Oben-unten sind).
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Ein interessantes Beispiel aus der Zeit des „Umdenkens" finden wir im Schloßmuseum in Braunfels (Kreis Wetzlar). Dort hängt, auf Papier gemalt, eine „Stammtafel des Fürstlichen Hauses Solms-Braunfels", auf der man, von barocken Emblemen umgeben, den mit buntem Wappen gezierten Stamm reichverästelt aus einem Hügel aufsteigen sieht. Eine spätere Hand hat aber partiell Stücke dünnen Papiers darübergeklebt, auf denen nun die Stammfolge von oben nach unten in Rechteckfelder geschrieben ist, durch die man aber die alte Zeichnung noch erkennt. Eine beigeschriebene Jahreszahl 1818 dürfte der späteren Darstellung zugehören.
Auf einen kurzen Ausdruck gebracht, steht also dem anschaulichen, nach oben wachsenden Stammbaumbild unsere Schreibgewohnheit von oben nach unten gegenüber, manchmal gleichsinnig, manchmal entgegen gerichtet.
 
Bei diesem heillosen, aber in seiner natürlichen Entstehung verständlichen Durcheinander fragt es sich, wie man sich in Zukunft verhalten soll, um im genealogischen Schrifttum nach Möglichkeit zu einer sinnvollen Einheitlichkeit bei Zeichnungen zu kommen. Nun, der Weg in solchen Fragen führt naturgemäß zum Deutschen Normenausschuß (DNA). Bald fand sich da das für alle Gebiete technischer und wissenschaftlicher Zeichnungen zuständige Normblatt DIN461: „Graphische Darstellungen durch Schaulinien", das in Richtlinie 1 aussagt:
 
„Positive Werte sind vom Nullpunkt aus nach rechts und nach oben, negative nach links und unten abzutragen. Statt von einem Nullpunkt kann auch von einem anderen Bezugspunkt ausgegangen werden."
 
Diese klare Aussage, die eindeutig mit unserem Bild des „Stammbaums" harmoniert, ist erfreulich, weil durch sie eine Gleichrichtung genealogischer Zeichnungen mit jeder verwandten graphischen Darstellung mit vertikaler Zeitskala (in Statistik, Medizin, Biologie, Geschichte, Geologie, Astronomie, Mathematik usf.) erreichbar ist. Schauen wir uns um, wo in dieser Hinsicht andere Disziplinen heute stehen, so ist klar, daß mathematisch-naturwissenschaftliche und technische Fächer die segensreichen Regeln der Normung bereits als Selbstverständlichkeit ansehen. So habe ich in einer größeren Bibliothek eine Reihe moderner Lehrbücher der Geologie aus aller Welt angesehen und gefunden, daß die Folge der Formationen, also der Erdzeitalter, wenn sie als tabellarisches Schaubild (nicht als Texttabelle!) geboten werden, die Zeitskala fast ausnahmslos nach oben gerichtet zeigen. Hierbei ist dies allerdings dadurch erleichtert, weil auch im natürlichen ungestörten Gesteinsverband meist die älteren Formationen unten, die rezenten oben liegen. In rein geisteswissenschaftlichen Disziplinen der Geschichte nähern wir uns bereits der verworrenen Situation, die unsere genealogische Wissenschaft vielleicht am krassesten zeigt.
 
Daß es unangenehm ist, zugunsten einer neuen „Vorschrift" (auch wenn es, wie bei allen Normen, nur eine „Empfehlung" ist) altgewohnte Gepflogenheiten aufzugeben, weiß ich sehr wohl. Vielleicht ist es ein kleiner Trost, wenn ich aus eigener Erfahrung etwas ganz Hierhergehöriges erzähle. Bis zu den Dreißiger Jahren war es in der Farbenlehre selbstverständlich, sich für Darstellungen (wenn auch in den verschiedensten Varianten) der Grundform des „Helmholtzschen Farbendreiecks" zu bedienen, eines gleichseitigen Dreiecks, dessen obere Spitze die Grundfarbe Grün darstellte, während die Basis die Endpunkte Rot (links) und Veil (rechts) hatte. Dies harmonisierte wiederum bestens mit unserer Gepflogenheit, von links nach rechts zu schreiben, und der Tatsache, daß (seltsamerweise?) jeder Mensch, nach den Spektralfarben befragt, deren Reihenfolge mit Rot beginnt, über Gelb, Grün, Blau zählt, und mit Veil endet; auch Kirchhoff hatte in seinem berühmten Spektralapparat (um 1860) die Zahlenskala der Farben links mit Rot begonnen und nach rechts hin gegen Veil wachsen lassen, wie dies noch jedes ältere Physikbuch zeigt. Da kam eben jenes Normblatt DIN461 (erstmals 1923 erschienen) „in Mode", und da die Spektralfarben nach ihren Wellenlängen sortiert zu werden pflegen, mußte man wohl oder übel umlernen und mit dem kurzwelligen Veil (links) beginnen, was zuerst recht schwer fiel. Auch auf die Farbdreieckdarstellung wirkte sich dies aus, und da die nüchternen Amerikaner zugleich ein rechtwinkliges Dreieck propagiert! (obwohl darin die physiologische Gleichwertigkeit der 3 Eckgrundfarben verlorenging), sind wir nun zu einem, sogar international einheitlichen CIE-Farbdreieck gekommen mit Rot rechts und Veil links, woran man sich sehr lange gewöhnen mußte. Auch trifft man heute kaum mehr auf eine Spektraldarstellung, die links mit Rot beginnt.
 
Wie sieht es nun in unserer Fachliteratur aus, deren Autoren zumeist keine Beziehungen zu Normregeln hatten und haben? Ich habe, außer den Deutschen Geschlechterbüchern, den Adelstaschenbüchern, dem Deutschen Familienarchiv, den Ahnentafeln berühmter Deutscher u. a. größeren Sammelwerken zu Rate gezogen: M. Wilberg: Regententafeln (1906, Neudruck 1962), O. Lorenz: Geneal. Handb. europ. Staatengesch. (1908), W. K. v. Isenburg: Meine Ahnen (1925), Forst de Battaglia: Wiss. Genealogie (1948), E. Winkhaus: Ahnen zu Karl d. Gr. und Widu kind (1950/53), W. K. v. Isenburg/F. Freytag-Loringhoven: Europäische Stammtafeln (1953/57), W. Möller: Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter im Mittelalter (1922/51), W. H. Ruoff: Ahnentafel Rubel-Blaß (1939), G. Sirjean: Encyclop. geneal. des maisons souveraines du monde (1959 ff.), W. Wegener: Genealog. Tafeln zur mittelalterl. Geschichte (1962), M. Stromeyer: Merian-Ahnen (1963/68), S. O. Brenner: Nachk. Gorms des Alten (1964).
 
Man kann bei tabellarisch-textlicher wie bei zeichnerischer Darbietung sowohl bei Ahnenschaften als auch bei Nachfahrenschaften die Tendenz erkennen, mit dem Probanden zu beginnen und in Schreibrichtung nach rechts oder nach unten sich nummern- bzw. generationsmäßig von ihm zu entfernen. Eine Ausnahme bilden dabei die graphischen Ahnentafeln mit vertikaler Zeitachse, die vom Probanden aus meist nach oben gehen; selten geschieht es dagegen bei horizontaler Zeitachse, daß die Ahnen links vom Probanden stehen. Dabei muß man sich klar sein, daß in der Nachkommenschaft eine Entfernung vom Probanden, also ein Wachsen der Generationsnummer, stets der positiven Zeitrichtung entspricht, in der Ahnenschaft der negativen.
 
Bei dieser recht verworrenen Sachlage erscheint es nicht gerade glücklich, eine generell nach oben bzw. rechts gerichtete positive Zeitskala für die Zukunft zu empfehlen, um damit einen völligen Anschluß an die Normregel und an die Nachbardisziplinen anzustreben. Es hieße, plötzlich die ganze Tradition der Fachliteratur auf den Kopf stellen, gedruckte Ahnentafelformblätter außer Kurs setzen usw. Um aber doch im graphischen Bild einen Fortschritt in Richtung der Einheitlichkeit zu erreichen, möchte ich hiermit vorschlagen, in allen Fällen, bei denen nur Generationsfolgen dargestellt werden (Stamm-, Nachfahren-, Ahnentafeln), bei denen man also nicht vordergründig an den Zeitverlauf denkt, bei der heute vorwiegenden Gepflogenheit des Zeitfortschreitens nach unten bzw. rechts zu bleiben (aber überall einheitlich!), bei allen Darstellungen aber, die eine ausgesprochene Zeitskala (mit Jahreszahlen) tragen, diese im positiven Sinn nach oben wachsen zu lassen. Es bleibt so zwar eine doppelsinnige Darstellung, ein Riß, der zum Umdenken zwingt, bestehen. Aber nur so scheint vorerst der Vorschlag Aussicht auf Beachtung zu haben.
 
Da der einzelne Autor meist wenig mit solchen „Äußerlichkeiten" vertraut zu sein pflegt, wird es Sache der Verleger und der Schriftleiter von Zeitschriften bzw. Sammelwerken sein, hierauf zu achten. Nachdem die Sachlage selbst nunmehr geschildert ist, wäre es wünschenswert, zunächst Meinungen und Stellungnahmen anderer Genealogen hierzu zu erfahren. Dabei ergeht an sie allerdings die Bitte, nicht mit Scheuklappen nur an das eigene Arbeitsgebiet zu denken, sondern die zukünftige Entwicklung der Gesamtwissenschaft, möglichst im internationalen Rahmen, im Auge zu haben. Die Farbenlehre hat in wenigen Jahrzehnten trotz einer 180°-Wendung und trotz mancher Geburtswehen eine weltweite Einigkeit und Anschluß an die Nachbarschaft erreicht. Möge auch den Genealogen etwas Ähnliches gelingen!
 
== Einzelnachweise ==
<references />

Version vom 22. September 2010, 21:03 Uhr

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Siegfried Rösch: erschienen 1969 in: Genealogie 18.Jg., Bd.9, Heft 11, S. 786-789; Verlag Degener & Co. Insingen

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