Deutsche und französische Kultur im Elsass/044: Unterschied zwischen den Versionen

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Gerichte. Dass Musik, Tanz und Frauenliebe dabei keine geringe Rolle spielen, lässt sich denken.  Besonders ist die Musik eine vielgeliebte Unterhaltung in den Mussestunden. Die höheren Kreise bevorzugen wie überall das Klavier und die Violine, der Kleinbürger pflegt die Blechmusik mit der grössten Ausdauer. Jeder junge Mann spielt ein mehr' oder minder durchdringendes Blasinstrument und in unzähligen Vereinen finden sich die verschiedenen Instrumente zu einem fleissig übenden Orchester (fanfare) zusammen. Alle körperlichen Übungen wie Turnen, Rudern, Radfahren u. a. werden von der kleinbürgerlichen Bevölkerung eifrig gepflegt. Dem Radfahrsport wird leidenschaftlich gehuldigt. Von Frankreich her hat er sich im Elsass früher als in Altdeutschland verbreitet. Natürlich werden mit Vorliebe französische Räder benutzt, und die Damen fahren wenn irgend möglich nach französischer Sitte in Beinkleidern auf Herrenrädern. Auch das Automobil wird immer häufiger, und die Reichen sind eifrige Jäger und Pferdeliebhaber. Jedoch spielt die Jagd eine viel bedeutsamere Rolle als der Pferdesport. Der Elsässer reitet nur ungern, ein gutes Gespann ist ihm die Hauptsache. In Strassburg ist der wichtigste Schauplatz aller Volksbelustigungen das Wasser, die vielen natürlichen und künstlichen Wasserläufe der Umgegend. Die verschiedensten Arten des Wassersports, Rudern und Fischen, Gänselspiel und Schifferstechen, bilden die liebste Erholung von Alt und Jung, Arm und Reich. Hier im Mittelpunkt des elsässischen Fluss- und Kanalsystems hat dieser Wassersport eine historische Bedeutung, er knüpft direkt an die alte hochangesehene Zunft der Schiffer (Ankerzunft) an, die seit uralter Zeit den Strassburger Handel rheinauf- und rheinabwärts vermittelten. Noch heute nennen sich die Mitglieder des „Strassburger Ruderklubs" mit dem alten Namen der Schifferzunft „die Schiffischen", und manches kühne Wagestück auf dem wilden Rhein oder manches lustige Kunststück im stillen Wasser, das von jungen Ruderern aufgeführt wird, beruht auf den von alten Schiffern überlieferten Handwerkskünsten der Schiffischen. So hat vor einiger Zeit ein junger Strassburger Sportsmann gewettet, starke Karpfen vor ein Boot zu spannen und sich von ihnen ziehen zu lassen, ja sogar einmal das seltsame Gespann zu wenden, und er hat die Wette Punkt für Punkt gewonnen. Allerdings hat er undankbarer Weise seine getreuen Zugtiere alsbald blau gesotten und im Kreise seiner Freunde verzehrt. Wer diese Wasserfreuden der Strassburger alle auf einmal kennen lernen will, der muss an einem warmen Sommerabend vor den gedeckten Brücken längs der Jll gehen. Hier entfaltet sich ein wirklich reizvolles und in seiner Naivität unendlich malerisches Volksleben. Am Ufer stehen, die Pfeife im Mund,  die bedächtigen Angelfischer,  meist Arbeiter oder andere kleine Leute,  die
Gerichte. Dass Musik, Tanz und Frauenliebe dabei keine geringe Rolle spielen, lässt sich denken.  Besonders ist die Musik eine vielgeliebte Unterhaltung in den Mussestunden. Die höheren Kreise bevorzugen wie überall das Klavier und die Violine, der Kleinbürger pflegt die Blechmusik mit der grössten Ausdauer. Jeder junge Mann spielt ein mehr' oder minder durchdringendes Blasinstrument und in unzähligen Vereinen finden sich die verschiedenen Instrumente zu einem fleissig übenden Orchester (fanfare) zusammen. Alle körperlichen Übungen wie Turnen, Rudern, Radfahren u. a. werden von der kleinbürgerlichen Bevölkerung eifrig gepflegt. Dem Radfahrsport wird leidenschaftlich gehuldigt. Von Frankreich her hat er sich im Elsass früher als in Altdeutschland verbreitet. Natürlich werden mit Vorliebe französische Räder benutzt, und die Damen fahren wenn irgend möglich nach französischer Sitte in Beinkleidern auf Herrenrädern. Auch das Automobil wird immer häufiger, und die Reichen sind eifrige Jäger und Pferdeliebhaber. Jedoch spielt die Jagd eine viel bedeutsamere Rolle als der Pferdesport. Der Elsässer reitet nur ungern, ein gutes Gespann ist ihm die Hauptsache. In Strassburg ist der wichtigste Schauplatz aller Volksbelustigungen das Wasser, die vielen natürlichen und künstlichen Wasserläufe der Umgegend. Die verschiedensten Arten des Wassersports, Rudern und Fischen, Gänselspiel und Schifferstechen, bilden die liebste Erholung von Alt und Jung, Arm und Reich. Hier im Mittelpunkt des elsässischen Fluss- und Kanalsystems hat dieser Wassersport eine historische Bedeutung, er knüpft direkt an die alte hochangesehene Zunft der Schiffer (Ankerzunft) an, die seit uralter Zeit den Strassburger Handel rheinauf- und rheinabwärts vermittelten. Noch heute nennen sich die Mitglieder des „Strassburger Ruderklubs" mit dem alten Namen der Schifferzunft „die Schiffischen", und manches kühne Wagestück auf dem wilden Rhein oder manches lustige Kunststück im stillen Wasser, das von jungen Ruderern aufgeführt wird, beruht auf den von alten Schiffern überlieferten Handwerkskünsten der Schiffischen. So hat vor einiger Zeit ein junger Strassburger Sportsmann gewettet, starke Karpfen vor ein Boot zu spannen und sich von ihnen ziehen zu lassen, ja sogar einmal das seltsame Gespann zu wenden, und er hat die Wette Punkt für Punkt gewonnen. Allerdings hat er undankbarer Weise seine getreuen Zugtiere alsbald blau gesotten und im Kreise seiner Freunde verzehrt. Wer diese Wasserfreuden der Strassburger alle auf einmal kennen lernen will, der muss an einem warmen Sommerabend vor den gedeckten Brücken längs der Jll gehen. Hier entfaltet sich ein wirklich reizvolles und in seiner Naivität unendlich malerisches Volksleben. Am Ufer stehen, die Pfeife im Mund,  die bedächtigen Angelfischer,  meist Arbeiter oder andere kleine Leute,  die

Version vom 13. März 2008, 13:00 Uhr

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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Gerichte. Dass Musik, Tanz und Frauenliebe dabei keine geringe Rolle spielen, lässt sich denken. Besonders ist die Musik eine vielgeliebte Unterhaltung in den Mussestunden. Die höheren Kreise bevorzugen wie überall das Klavier und die Violine, der Kleinbürger pflegt die Blechmusik mit der grössten Ausdauer. Jeder junge Mann spielt ein mehr' oder minder durchdringendes Blasinstrument und in unzähligen Vereinen finden sich die verschiedenen Instrumente zu einem fleissig übenden Orchester (fanfare) zusammen. Alle körperlichen Übungen wie Turnen, Rudern, Radfahren u. a. werden von der kleinbürgerlichen Bevölkerung eifrig gepflegt. Dem Radfahrsport wird leidenschaftlich gehuldigt. Von Frankreich her hat er sich im Elsass früher als in Altdeutschland verbreitet. Natürlich werden mit Vorliebe französische Räder benutzt, und die Damen fahren wenn irgend möglich nach französischer Sitte in Beinkleidern auf Herrenrädern. Auch das Automobil wird immer häufiger, und die Reichen sind eifrige Jäger und Pferdeliebhaber. Jedoch spielt die Jagd eine viel bedeutsamere Rolle als der Pferdesport. Der Elsässer reitet nur ungern, ein gutes Gespann ist ihm die Hauptsache. In Strassburg ist der wichtigste Schauplatz aller Volksbelustigungen das Wasser, die vielen natürlichen und künstlichen Wasserläufe der Umgegend. Die verschiedensten Arten des Wassersports, Rudern und Fischen, Gänselspiel und Schifferstechen, bilden die liebste Erholung von Alt und Jung, Arm und Reich. Hier im Mittelpunkt des elsässischen Fluss- und Kanalsystems hat dieser Wassersport eine historische Bedeutung, er knüpft direkt an die alte hochangesehene Zunft der Schiffer (Ankerzunft) an, die seit uralter Zeit den Strassburger Handel rheinauf- und rheinabwärts vermittelten. Noch heute nennen sich die Mitglieder des „Strassburger Ruderklubs" mit dem alten Namen der Schifferzunft „die Schiffischen", und manches kühne Wagestück auf dem wilden Rhein oder manches lustige Kunststück im stillen Wasser, das von jungen Ruderern aufgeführt wird, beruht auf den von alten Schiffern überlieferten Handwerkskünsten der Schiffischen. So hat vor einiger Zeit ein junger Strassburger Sportsmann gewettet, starke Karpfen vor ein Boot zu spannen und sich von ihnen ziehen zu lassen, ja sogar einmal das seltsame Gespann zu wenden, und er hat die Wette Punkt für Punkt gewonnen. Allerdings hat er undankbarer Weise seine getreuen Zugtiere alsbald blau gesotten und im Kreise seiner Freunde verzehrt. Wer diese Wasserfreuden der Strassburger alle auf einmal kennen lernen will, der muss an einem warmen Sommerabend vor den gedeckten Brücken längs der Jll gehen. Hier entfaltet sich ein wirklich reizvolles und in seiner Naivität unendlich malerisches Volksleben. Am Ufer stehen, die Pfeife im Mund, die bedächtigen Angelfischer, meist Arbeiter oder andere kleine Leute, die Innendekoration eines Hauses, Kalbsgasse 18 in Strassburg.

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