Deutsche und französische Kultur im Elsass/045

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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Bildunterschrift:
Villa AUG. KLEIN, Kaiser-Friedrichstrasse 15 in Strassburg
(Arch.: M Eissen in Strassburg).

sich von des Tages Last erholen und ein kleines Nachtessen erbeuten wollen. In der Ferne sieht man die weissen Körper der Badenden, auf dem Fluss aber tummeln sich zahlreiche Boote. Pfeilschnell schiessen die von zahlreichen Mannschaften getriebenen Klubboote dahin, dazwischen üben die Gänselspielvereine das rasche Begegnen der altertümlichen Fahrzeuge, deren jedes am Hinterteil eine hohe Plattform als Standpunkt für die Kämpfer im Schifferstechen trägt. In bequemen Ruderbooten fahren lustige Gesellschaften zu einem Fischessen in eines der kleinen Wirtshäuser am Wasser, und manches schlanke Schiff, das nur für zwei, den Ruderer und Steuermann, Raum bietet, trägt ein verliebtes Paar den umbuschten Ufern der Jll zu. All' dieses feuchte Leben schwimmt in einem goldenen Dunst, den die untergehende Sonne eines schwülen Tages über dem stillfliessenden Wasser verbreitet. Gehen wir aufs Land, so finden wir ungefähr dieselben Volksbelustigungen wie bei dem altdeutschen Landvolk. Höchstens sind sie etwas altertümlicher und origineller. Kirchweihe, Erntefeste, Weinlesen, Spinnstuben (Kunkelstuben) und natürlich die Familienfeste bilden die Mittelpunkte der bäuerlichen Freuden, wo es mit Essen und Trinken, Singen und Tanzen hoch hergeht.

Die Freuden des ganzen Volkes sind eben wie seine ganze Kultur auf das Thatsächliche, sinnlich Greifbare gerichtet. Die Geistesbildung und Empfindsamkeit spielen dabei eine verschwindende Rolle, aber die natürliche Grazie, die Fröhlichkeit, das frische Zugreifen und der gute Witz kommen auch in ihnen aufs Glücklichste zur Geltung. Gerade hier entfalten sich die liebenswürdigsten Eigenschaften des Elsässers, eine weitgehende Gastfreundschaft und eine Generosität, die gern die anderen an dem eigenen Wohlsein teilnehmen und mitgeniessen lässt, und eine heitere wohlwollende Gesinnung, die fern von jeder Überhebung und Missgunst, den Nebenmenschen als gleichberechtigt anerkennt und leben lässt. Vom Standpunkt der Nationalität aus gesehen, neigen tägliches Leben, sowohl wie die Belustigungen des Volkes mehr auf die deutsche als auf die französische Seite. Kleinbürger, Arbeiter und Bauern haben ganz die altertümliche deutsche Tageseinteilung, die bäuerlichen Freuden sind völlig deutsch, in den städtischen mischen sich wieder deutsche und französische Einflüsse. So ist die unbegrenzte Freude am Wassersport allerdings auch französisch, aber in Strassburg beruht sie sicher auf vorfranzösischen eigenartigen Bedingungen und ist durch französische Einflüsse nur modifiziert, aber nicht wesentlich bedingt worden.