Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Heilige Römischen Reich Deutscher Nation war kein Staat im heutigen Sinn. Es gab keine Gleichheit vor dem Gesetz, keine klar umrissenen Grenzen, keine zentrale Exekutive und auch keine nennenswerte Reichsbürokratie. Stattdessen war die öffentliche Gewalt ungleichmäßig auf viele verschiedene Glieder aufgeteilt. An der Spitze der politischen Ordnung stand der auf Lebenszeit gewählte Kaiser. Er teilte sich die Regierung des Reiches mit mehreren hundert anderen Herrschaftsträgern, darunter Fürsten, Bischöfen und freien Stadtkommunen. Diese sogenannten Reichsstände, deren Herrschaftsgebiete den berühmt-berüchtigten Flickenteppich bildeten, besaßen eine Vielzahl von Hoheitsrechten und waren deshalb außerordentlich selbstständig, jedoch bis zuletzt nicht souverän. | |||
Reichspolitik spielte sich primär auf drei Ebenen ab. Da waren zunächst die Herrscherhöfe und -kabinette, allen voran natürlich der Kaiserhof in Wien, dann der Reichstag in Regensburg (die zentrale Ständeversammlung) und schließlich die regionalen Vereinigungen der Reichsstände, die sogenannten Reichskreise. Niederrhein-Westfalen war einer von zehn Kreisen. Ihm gehörten etwa vierzig Reichsstände an, deren Territorien sich über ein unregelmäßig konturiertes Gebiet von der Nordsee bis zum Mittelrheintal, vom heutigen Belgien bis nach Hessen erstreckten. | |||
An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert befanden sich Europa und das Reich wieder einmal am Rande eines großen Krieges. Der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) war der letzte und längste der Kriege, die der ehrgeizige französische König Ludwig XIV. (1638-1715) um die Vorherrschaft auf dem Kontinent führte. Ihm stand eine Koalition unter Führung von England, den Niederlanden und dem römisch-deutschen Kaiser gegenüber. Im Gegensatz zu den vergangenen Konflikten, die als französische Eroberungszüge begannen, eskalierte dieser Krieg über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren aus einer internationalen Krise heraus (Herbst 1700 bis Herbst 1702). Niederrhein-Westfalen war einer der Brennpunkte dieser Krise und daher Schauplatz vielfältiger diplomatischer und militärischer Winkelzüge der Konfliktparteien. | |||
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*[[Grafschaft Schaumburg]] (teils zu Hessen-Kassel, teils zu Lippe gehörig) | *[[Grafschaft Schaumburg]] (teils zu Hessen-Kassel, teils zu Lippe gehörig) | ||
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*[[Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst]] | *[[Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst]] | ||
*[[Herrschaft Varel]] | |||
*[[Grafschaft Lippe]] | *[[Grafschaft Lippe]] | ||
*[[Grafschaft Bentheim]] | *[[Grafschaft Bentheim]] | ||
*[[Grafschaft Steinfurt]] | *[[Grafschaft Steinfurt]] | ||
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*[[Grafschaft Virneburg]] | *[[Grafschaft Virneburg]] | ||
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*[[Grafschaft Schleiden]] | *[[Grafschaft Schleiden]] | ||
*[[Grafschaft Hallermunt]] | *[[Grafschaft Hallermunt]] | ||
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*[[ | *[[Reichsstadt Dortmund]] | ||
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==Kreistag== | ==Kreistag== | ||
Kreisausschreibender Reichsstand (seit dem 17. Jahrhundert Kreisdirektor) war zunächst der Herzog von Jülich, seit Anfang des 17. Jahrhunderts der Bischof von Münster, der das Amt nach dem jülich-klevischen Erbfolgestreit mit Brandenburg und Pfalz-Neuburg teilen mußte. Im 18. Jahrhundert wurde der „Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis“, dessen wenige Kreistage in Köln stattgefunden hatten, weitgehend handlungsunfähig. 1806 löste er sich auf. | Kreisausschreibender Reichsstand (seit dem 17. Jahrhundert Kreisdirektor) war zunächst der Herzog von Jülich, seit Anfang des 17. Jahrhunderts der Bischof von Münster, der das Amt nach dem jülich-klevischen Erbfolgestreit mit Brandenburg und [[Fürstentum Pfalz-Neuburg|Pfalz-Neuburg]] teilen mußte. Im 18. Jahrhundert wurde der „Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis“, dessen wenige Kreistage in Köln stattgefunden hatten, weitgehend handlungsunfähig. 1806 löste er sich auf. | ||
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Aktuelle Version vom 17. Juli 2023, 10:12 Uhr
Hierarchie:
Regional > Historisches Territorium > Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation > Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis
Einleitung
Das Heilige Römischen Reich Deutscher Nation war kein Staat im heutigen Sinn. Es gab keine Gleichheit vor dem Gesetz, keine klar umrissenen Grenzen, keine zentrale Exekutive und auch keine nennenswerte Reichsbürokratie. Stattdessen war die öffentliche Gewalt ungleichmäßig auf viele verschiedene Glieder aufgeteilt. An der Spitze der politischen Ordnung stand der auf Lebenszeit gewählte Kaiser. Er teilte sich die Regierung des Reiches mit mehreren hundert anderen Herrschaftsträgern, darunter Fürsten, Bischöfen und freien Stadtkommunen. Diese sogenannten Reichsstände, deren Herrschaftsgebiete den berühmt-berüchtigten Flickenteppich bildeten, besaßen eine Vielzahl von Hoheitsrechten und waren deshalb außerordentlich selbstständig, jedoch bis zuletzt nicht souverän.
Reichspolitik spielte sich primär auf drei Ebenen ab. Da waren zunächst die Herrscherhöfe und -kabinette, allen voran natürlich der Kaiserhof in Wien, dann der Reichstag in Regensburg (die zentrale Ständeversammlung) und schließlich die regionalen Vereinigungen der Reichsstände, die sogenannten Reichskreise. Niederrhein-Westfalen war einer von zehn Kreisen. Ihm gehörten etwa vierzig Reichsstände an, deren Territorien sich über ein unregelmäßig konturiertes Gebiet von der Nordsee bis zum Mittelrheintal, vom heutigen Belgien bis nach Hessen erstreckten.
An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert befanden sich Europa und das Reich wieder einmal am Rande eines großen Krieges. Der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) war der letzte und längste der Kriege, die der ehrgeizige französische König Ludwig XIV. (1638-1715) um die Vorherrschaft auf dem Kontinent führte. Ihm stand eine Koalition unter Führung von England, den Niederlanden und dem römisch-deutschen Kaiser gegenüber. Im Gegensatz zu den vergangenen Konflikten, die als französische Eroberungszüge begannen, eskalierte dieser Krieg über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren aus einer internationalen Krise heraus (Herbst 1700 bis Herbst 1702). Niederrhein-Westfalen war einer der Brennpunkte dieser Krise und daher Schauplatz vielfältiger diplomatischer und militärischer Winkelzüge der Konfliktparteien.
Zugehörige Territorien gegen Ende des Ancien Regime
- Hochstift Münster
- Herzogtum Kleve
- Grafschaft Mark (1614 an Brandenburg)
- Grafschaft Ravensberg (1614 an Brandenburg)
- Herzogtum Jülich (1614 an Pfalz-Neuburg)
- Herzogtum Berg (1614 an Pfalz-Neuburg)
- Hochstift Paderborn
- Hochstift Lüttich
- Hochstift Osnabrück
- Fürstentum Minden
- Fürstentum Verden
- Gefürstete Abtei Corvey
- Gefürstete Abteien Stablo und Malmedy
- Reichsabtei Werden
- Reichsabtei Kornelimünster
- Gefürstete Abtei Essen
- Frauenstift Thorn
- Frauenstift Herford
- Lande der Fürsten zu Nassau-Diez
- Fürstentum Moers
- Grafschaft Wied
- Grafschaft Sayn
- Grafschaft Schaumburg (teils zu Hessen-Kassel, teils zu Lippe gehörig)
- Fürstentum Ostfriesland
- Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst
- Herrschaft Varel
- Grafschaft Lippe
- Grafschaft Bentheim
- Grafschaft Steinfurt
- Grafschaften Tecklenburg und Lingen
- Grafschaft Hoya
- Grafschaft Virneburg
- Grafschaft Diepholz
- Grafschaft Spiegelberg
- Grafschaft Rietberg
- Grafschaft Pyrmont
- Grafschaft Gronsfeld
- Grafschaft Reckheim
- Herrschaft Anholt
- Herrschaften Winneburg und Beilstein
- Grafschaft Holzappel
- Herrschaft Wittem
- Grafschaften Blankenheim und Gerolstein
- Herrschaft Gemen
- Herrschaft Gimborn und Neustadt
- Herrschaft Wickrath
- Herrschaft Myllendonk
- Herrschaft Reichenstein
- Grafschaft Kerpen und Lommersum
- Grafschaft Schleiden
- Grafschaft Hallermunt
- Reichsstadt Köln
- Reichsstadt Aachen
- Reichsstadt Dortmund
- Reichsstadt Herford
Geschichte
Der häufig nur „Westfälischer Reichskreis“ genannte „Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis“ wurde im Jahre 1500 geschaffen. Er umfaßte die Gebiete zwischen der Weser und der späteren Grenze der Niederlande, in dem aber auch Teile des zum kurrheinischen Reichskreis gehörigen Erzstifts Köln lagen. Durch Vertrag wurden 1548 das Bistum Utrecht, das Herzogtum Geldern und die allodiale Grafschaft Zutphen ausgegliedert. Kreisstände waren danach noch Kleve-Mark-Ravensberg, Jülich-Berg, die Hochstifte Münster, Paderborn, Lüttich, Osnabrück, Minden und Verden, die Abteien Corvey, Stablo und Malmedy, Werden, Kornelimünster, Essen, Thorn, Herford, die Grafschaften und Herrschaften Nassau-Diez, Ostfriesland, Moers, Wied, Sayn, Schaumburg, Oldenburg und Delmenhorst, Lippe, Bentheim, Steinfurt, Tecklenburg, Hoya, Virneburg, Diepholz, Spiegelberg, Rietberg, Pyrmont, Gronsveld, Reckheim, Anholt, Winneburg, Holzappel, Witten, Blankenheim und Gerolstein, Genien, Gimborn und Neustadt, Wickrath, Millendonk, Reichenstein, Kerpen und Lommersum, Schleiden, Hallermunt sowie die Reichsstädte Köln, Aachen und Dortmund.
Kreistag
Kreisausschreibender Reichsstand (seit dem 17. Jahrhundert Kreisdirektor) war zunächst der Herzog von Jülich, seit Anfang des 17. Jahrhunderts der Bischof von Münster, der das Amt nach dem jülich-klevischen Erbfolgestreit mit Brandenburg und Pfalz-Neuburg teilen mußte. Im 18. Jahrhundert wurde der „Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis“, dessen wenige Kreistage in Köln stattgefunden hatten, weitgehend handlungsunfähig. 1806 löste er sich auf.
Archiv
Die Archivalien des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises befinden sich im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf.
Der Bestand:
- 12 Urkunden
- 1480 Akten (Zeitraum:1493-1803)
ist durch das Findbuch 115.02 erschlossen.
Literatur/Quellen
- Paul Casser: Der Niederrheinisch-westfälische Reichskreis, 1934, in: Franz Petri: Der Raum Westfalen, Band 2, Teil 2: Untersuchungen zu seiner Geschichte und Kultur, Münster (Westfalen) 1934.
- Werner Hastenrath: Das Ende des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises (1786-1806), Bonn, Phil. F., Diss. v. 5. Mai 1949 (Maschinenschrift).
- Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder, die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1999.
- Andreas Schneider: Der Niederrheinisch-Westfälische Kreis im 16. Jahrhundert, Geschichte, Struktur und Funktion eines Verfassungsorgans des Alten Reiches (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Band 16), Düsseldorf: Schwann 1985, ISBN 3-590-18128-1.
Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
Die Daten in GOV befinden sich im Aufbau. Hinweise und Korrekturen bitte hier eintragen. <gov>object_218163</gov>