Tappensches Familienbuch (1889)/Vorwort 2

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Tappensches Familienbuch (1889)
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      Ein jeder Autor pflegt seinem Kinde einen Wunsch in die Wiege zu legen. So thue auch ich es im folgenden. Dieses Familienbuch ist zu nichts weniger bestimmt, als uns einem Spiegel der Eitelkeit zu dienen, Wer es in dieser Meinung zur Hand nähme, würde seine Rechnung nicht finden. Es zeigt seinen Lesern vielmehr nur, wie unsere im Dunkel der Zeiten erblühte Familie schon seit Jahrhunderten seinen harten und vielfach sieglosen Kampf uns Dasein zu führen hatte, wie mit dem Niedergange des deutschen Vaterlandes und insonderheit ihrer Vaterstadt Hildesheim auch sie dem Niedergange nicht zu wehren vermochte. Um die Zeitwende des Mittelalters geboren tritt aus den Nebeln der Vergessenheit als die erste Persönlichkeit, welche die erhaltenen Nachrichten für uns wieder Fleisch und Blut gewinnen lassen, uns ein tüchtiger Handelsherr entgegen, welcher seine Handelsbeziehungen bis in weite Ferne erstreckte und daneben auch seiner Vaterstadt als thätiges Mitglied des Rates diente. Er sandte seinen Sohn Friedrich zum Studium der Jurisprudenz nach Frankfurt a./O., als derselbe dort aber von den Wissenschaften ein wenig „abalienierte“, nach Antwerpen auf seine dortige Handelsfaktorei, bis er ihn demnächst zu seinem Beistande ins väterliche Geschäft berief. Dieser Sohn, ein streitbarer Mann, Ratsherr und Nachfolger im Handelsgeschäft des Vaters, hat letzteres offenbar mit gleichem Ansehen und Erfolge geleitet, er wie seine Brüder schlossen Ehen mit Töchtern der vornehmsten Familien ihrer Vaterschaft, und als er unter den ersten Donnern des 30jährigen Krieges verstarb, darf man mit Grund sagen, dass die Tappen’s zu den angesehendsten Geschlechtern der Stadt Hildesheim gehörten. Jener Krieg, welcher auch über Hildesheim seine furchtbare Geissel schwang, hat aber sichtlich auch in die Geschicke unserer Familie aufs tiefste eingegriffen: zu Ende desselben war ihr einstiger Wohlstand geschwunden, zwei Grossbeffen Friedrichs mussten in einem Handwerk ihr Brot suchen, mit dem Niedergange ihrer Vaterstadt hat auch unsere Familie ein völliger Niedergang offenbar recht ernst bedroht ! Das familienbuch berichtet uns aber fast auf jeder Seite auch noch von etwas anderem: von dem Ernst und der Innigkeit der Gottesfurcht, welche unsere Vorfahren durch all jene schweren Zeiten hindurch begleitet und geleitet hat, und von der energischen Tüchtigkeit, mit welcher sich immer wieder einzelne Glieder zu hervorragenderer Lebensstellung emporschwangen. Gottvertrauen und Tüchtigkeit, beides zusammengefasst, finde ich herrlich ausgesprochen in ihrem Wappen-Wahlspruch: Pondere spreto ! - Hieraus entnehme ich nun den tiefsinnigen Wunsch, welchen ich dem Familienbuche für die Damilie mit auf den weg Gebe. Möge das Vorbild unserer Vorfahren dazu beitragen, dass ernste Gottesfurcht allezeit in unserer Familie heimisch sei und als ihre schönste Zierde gelte, möge es dazu mitwirken, dass auch feste, energische Tüchtigkeit in ihr nimmer erlahme oder gar erlösche ! „Ich und mein Haus wir wollen dem Herrn dienen !“, unter dem Gelöbnis möge unsere Familie allezeit leben, wirken und so es sein muss streiten ! Wirken in Hingabe und Tüchtigkeit, ein Jeder an seinem Platz, nicht im Dienste der Selbstsucht und Eigenliebe, sondern den Blick vor allem gerichtet auf das, was dem Gemeinwohl fromme und dem Vaterlande. Streiten, mit Weisheit zwar, aber in Kraft und Ausdauer überall, wo edlen Streben ein Feind entgegentritt, als Streiter Gottes für recht und Wahrheit. So wird Gott über unsere Familie seine Gnadensonne leuchten lassen bis in ferne Zeiten.

      Berlin, im August 1889,

                        Th. Tappen.