Sonntagsschule

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Kirchliche Einrichtung

Sonntagsschulen waren ursprünglich religiöse Fortbildungsschulen in denen einfacher mündlicher Unterricht und Religionsunterricht zur Verbesserung der kirchlichen Mündigkeit erteilt wurde. In manchen katholischen Bistümern kennen wir diese Sonntagsschule als Christenlehre am Sonntagnachmittag nach der Sonntagsandacht. Daran mußte teilweise auch noch nach dem 2. Weltkrieg auf dem Lande die schulentwachsene Jugend teilnehmen.

An sie begann man allmählich auch den sogenannten Sonntagsunterricht (Wiederholungsunterricht) allgemeiner Art anzuschließen, so in

  • Württemberg 1695 (1739)
  • Baden 1756
  • Preußen 1763
  • Österreich seit Josef II. (1741–1790)
  • Bayern 1771 (1803)
  • Nassau 1817

Bewahrung kultureller Tradition

Sonntagsschulen haben eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung und Bewahrung kultureller Traditionen gespielt. Insbesondere haben sie eine wichtige Funktion bei der Verbreitung der drei traditionellen Kulturtechniken gespielt: Lesen, Schreiben und Rechnen.

Bedeutung der traditionellen Kulturtechniken

Lesen, Schreiben und Rechnen sind grundlegende Kulturtechniken, die den Zugang zu Bildung und Wissen ermöglichen. Sie sind die Grundlage für individuelle Entwicklung, soziale Teilhabe und berufliche Möglichkeiten. Das Beherrschen dieser Fähigkeiten war entscheidend für das tägliche Leben und die persönliche Entwicklung in einer Zeit, in der Informationen nicht so leicht verfügbar waren wie heute. Die Verbreitung dieser Kulturtechniken hatte daher einen tiefgreifenden Einfluss auf die Gesellschaft und Kultur.

Eine Auswirkungen auf die individuelle Entwicklung

Ihre Verbreitung durch Sonntagsschulen hatte eine nachhaltige Auswirkung auf die individuelle Entwicklung der Menschen. Durch das Lesen konnten sie neue Welten entdecken und ihr Wissen erweitern. Das Schreiben ermöglichte es ihnen, Gedanken und Ideen auszudrücken und zu kommunizieren. Das Rechnen half ihnen im Alltag bei der Bewältigung von beruflichen und finanziellen Angelegenheiten und förderte logisches Denken. Die Beherrschung dieser Fähigkeiten eröffnete ihnen neue Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Entwicklung.

Auswirkungen auf die Gesellschaft und Kultur

Ihre Weitergabe hatte nicht nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen. Die Fähigkeit zu lesen, schreiben und rechnen ermöglichte den Menschen eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. So konnten sie an politischen Diskussionen teilnehmen, ihre Meinungen äußern und an Entscheidungsprozessen teilhaben. Zudem ermöglichte der Zugang zu Wissen und Informationen eine stärkere Vernetzung und den Austausch von Ideen und Innovationen. Die Verbreitung der Kulturtechniken trug somit zur Weiterentwicklung der Kultur und Gesellschaft bei.

Handwerkliche Sonntags-Fortbildung in Westfalen

Sonntagsschulen waren um 19. Jahrhundert Fortbildungsschulen für Lehrlinge und Gesellen. Es waren Anstalten, an denen die Jugend des "niedern Volkes" durch freiwillige Lehrer und Lehrerinnen der "gebildeten Stände" unter religiösen Gesichtspunkten unterrichtet wurden.

  • 1799 gründete Professor Müchler in Berlin eine Sonntagsschule für Knaben
  • 1800 der jüdische Mennchenfreund Samuel Levi eine Sonntagsschule für Mädchen
  • 1830-67 in Stadt Hamm freiwillige private Sonntagsschule für Handwerkslehrlinge und Gesellen
  • 1830 in Dorsten Gründung einer freiwilligen Sonntagschule für Handwerkerlehrlinge und -gesellen
  • 1846 in Blomberg Gründung einer Sonntagsschule für Handwerkerlehrlinge
  • 1851 Rüthen Gründung einer Sonntagsschule
  • 02.09.1855 in Recklinghausen Gründung einer freiwilligen Sonntagschule für Handwerkerlehrlinge und -gesellen
  • 1860 in Dülmen Gründung eines Gesellenvereins unter Präses Kaplan Pottgießer
    • Schulzeit: Montags bis Freitags in den Abendstunden von 19,30 bis 22 Uhr in angemieteten Räumen. An Sonn- und Feiertagen traf man sich von 11,30 bis 13.00 und 14,00 bis 16,00 Uhr zum Gesang, Vorträgen und Aufführungen.
  • 1860 in Coesfeld Gründung eines Gesellenvereins unter Präses Kaplan Sommer gegründet, welche sich die weitere Ausbildung des jüngeren Handwerkstandes (der Gesellen) im Lesen, Schreiben, Rechnen, Freihandzeichnen (Fachzeichnen), Geschichte und in der deutschen Sprache (Deutsch im Schriftverkehr) zum Ziel gesetzt hatten.
  • 1882 in Haltern Gründung eines Gesellenvereins (Kolpingfamilie)

Gesetzliche Fortbildungsregelung ab 1869

  • Nach § 106 und 142 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Mai 1869 (1871 auf das gesamte Reich übergegangen, später § 120 der Gewerbeordnung vom 26. Juni 1900) durften die Gemeinden für die Fortbildungsschulen den Schulzwang für Gesellen, Lehrlinge und Gehilfen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr bei Strafe gegen die widerstrebenden Meister und Lehrlinge einführen. Die staatliche Unterstützung wurde meistens davon abhängig gemacht, daß die Gemeinden dieses Recht benutzten.

Literaturverzeichnis

  • Karutz, Eva-Maria. Sonntagsschule in Deutschland: Geschichte, Struktur und didaktische Konzepte. Lutherisches Verlagshaus, 2010.
  • Landesverband der Evangelischen Sonntagsschulen in Deutschland e.V. Sonntagsschule: Konzepte, Praxisbeispiele, Materialien. Neukirchener Verlagsgesellschaft, 2005.
  • Koop, Ulrich. Die Sonntagsschule: Eine pädagogische Institution zwischen Kirche und Schule. Deutsches Jugendinstitut, 1994.
  • Schott, Claus-Dieter. Sonntagsschule: Eine Handreichung für die Praxis. Oncken Verlag, 2012.
  • Merklein, Elisabeth. Sonntagsschule: Ein Handbuch für die Praxis. SCM R. Brockhaus, 2004.
  • Thönissen, Annette. Die Sonntagsschule in der Gemeinde: Praxisorientierte Anregungen für Kinderarbeit und Gottesdienstgestaltung. Neukirchener Verlagsgesellschaft, 2009.
  • Friedrich, Silke. Konzeptionelle Aspekte der Sonntagsschularbeit. GRIN Verlag, 2009.
  • Simons, Lothar. Die Sonntagsschule als institutioneller Rahmen für Glaubensvermittlung. Diplomica Verlag, 2010.
  • Baur, Rolf. Praxisbuch Sonntagsschule: Anregungen für die Gestaltung von Kindergottesdiensten und Gruppenstunden. Neukirchener Verlagsgesellschaft, 2014.
  • Elwert, Jürgen. Sonntagsschule im Wandel der Zeit: Geschichte, Struktur und Aktualität. Deutscher Gemeinschafts-Diakonieverlag, 2017.