Schulen im Memelland
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Lehrerausbildung
Die Lehrerausbildung beinhaltete seinerzeit auch die Ausbildung zum Kirchenmusiker. Jeder Lehrer hatte mindestens ein Instrument zu spielen und während der Lehrerausbildung das Orgelspiel zu erlernen. Die Ausbildung zum Volksschullehrer und Kantor auf der "Präparandie" dauerte sechs Jahre und umfasste folgenden Fächerkanon: Pädagogik, Religion, Deutsch, Litauisch, Französisch, Geschichte, Mathematik, Naturkunde, Erdkunde, Musik (Gesang, Violine, Theorie, Orgel). Ebenfalls wurden bewertet: Lehrproben, Führung und Fleiß. Mit dem Abschlusszeugnis war man nicht nur Volksschullehrer und Kantor sondern erhielt gleichzeitig die Hochschulreife, die zum Studium in Königsberg oder anderswo berechtigte.
Die Landschule
Die typische Situation ostpreußischer Lehrer im Jahre 1828 (und noch lange Zeit später) wird in einem Bericht über das Kirchspiel Willkischken bei Tilsit beschrieben:
Die Regierung hatte dem Schulverband das freie Bauholz überwiesen, so daß mit dem Neubau begonnen werden konnte. Ein Schulhaus und ein Stall sollten errichtet werden. Das Schulgebäude sollte nach dem Abschlag 45 Fuß lang, 32 Fuß tief, 9 Fuß hoch in Mauerwerk mit Strohdach erbaut werden. Die Schulstube war für 90 Kinder berechnet. Die Lehrerwohnung bestand aus 1 Wohnstube, 1 Schlafstube, 1 Kammer, 1 Küche und 2 Hausfluren. Der Stall war 23 1/2 Fuß lang, 14 1/2 Fuß breit, 7 Fuß hoch in Mauerfachwerk und Strohdach. Die Innenräume bestanden aus einem Kuh- und Kälberstall, einem Schweine- und Federviehstall und einem Holz- und Torfgelaß. Ein Raum zur Unterbringung des Getreides und zum Dreschen war nicht vorgesehen. Der Schullehrer erhielt 1 Morgen kulmisches Ackerland, 3 Achtel Brennholzdeputat, 1 Morgen preußisches Ackerland, freie Weide für eine Kuh, 1 Sterke, 2 Schafe nebst Zuzucht, 2 Gänse nebst Zuzucht und 2 Schweine. Außerdem 12 Scheffel Roggen, 6 Scheffel Gerste, 20 Zentner Heu, 2 Schock Stroh und aus der Kirchspielschulkasse jährlich 16 Taler bar.
Quelle: Schwarzien, Otto: Bilder aus der Vergangenheit des Kirchspiels Willkischken, Hamburg 1973
Schulwesen
Mit dem Erwerbs- und Wirtschaftsleben hängt das Schul- und Bildungswesen sehr eng zusammen. Nur wer etwas gelernt hat, kann es im späteren Leben zu etwas bringen und im Wirtschaftleben seinen Mann stehen, und wie es mit dem Einzelnen ist, so auch mit ganzen Berufsgruppen, ja mit der gesamten Bevölkerung. Der Wohlstand unseres Heimatlandes ist deshalb auch zum großen Teile dem in hoher Blüte und in weiterer Entwickelung stehenden Schulwesen zu verdanken.
Alle Kinder müssen mit dem vollendeten 6. Lebensjahre die Schule besuchen. Die Volksschulen sind Einrichtungen des Staates. Gemeinde- und Privatschulen gibt es nur wenige. In Memel befindet sich ein staatliches Reformgymnasium [1], städtisches Lyzeum [2], 2 Mittelschulen [3] [4] und 6 siebenstufige Volksschulen. Heydekrug besitzt ein 12 klassige siebenstufige Volksschule und ein Realgymnasium [5] im Entstehen. Auf dem Lande gibt es rund 225 Volksschulen (1-5 klassig) mit gegen 20000 Schülern. Die größeren Kirchorte, wie Ruß, Coadjuthen, Wischwill, Schmalleningken haben höhere Privatschulen
Zur Vorbildung der Lehrkräfte besteht in Memel ein ev. Lehrerseminar [6].
Außerdem gibt es dort eine landwirtschaftliche Winterschule, in der junge Leute in allen Zweigen der Landwirtschaft unterrichtet werden. Demselben Zwecke dienen auch die ländlichen Fortbildungsschulen. Ihr Besuch war busher freiwillig; sie waren nur in geringer Zahl vorhanden (etwa 20). Die Einrichtung der ländlichen Pflichtfortbildungsschule wird angestrebt.
Für die Handwerker- und kaufmännischen Lehrlinge, Arbeiter usw. bestehen die Pflichtfortbildungsschulen schon seit längerer Zeit, so in Ruß, Memel und Heydekrug.
Zur Förderung der Bildung im allgemeinen dienen die verschiedensten Vereine (Jugend- und Büchereivereineusw.) In recht vielen Vereinen wird auch der Gesang gepflegt.
Um das Lesebedürfnis in die richtigen Bahnen zu leiten, sind Büchereien eingerichtet worden. Die größten davon sind die Stadtbibliothek in Memel und die Volksbücherei in Heydekrug. Für Jugendliche und Erwachsene auf dem Lande befinden sich in jeder Schule die Kreiswanderbüchereien und für die Schüler die Schülerbüchereien. So wird einem jeden Gelegenheit genug geboten, sich an den langen Winterabenden zu unterhalten und sich nach des Tages Last und Arbeit beim Lesen eines guten Buches zu erholen.
Quelle: Meyer, Richard (Kreisschulrat in Heydekrug): Heimatkunde des Memelgebietes, Robert Schmidt´s Buchhandlung, Memel 1922