Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/006

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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Himmelsbrot lechzenden Volkes, als Berather der Verlassenen, als Führer zu Dem, der allein helfen und retten kann.“

Die Drangsale des dreißigjährigen Religionskrieges in der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts waren wie ein Grab der deutschen Nationalliteratur[1], welche ein Jahrhundert früher einen freieren Aufschwung genommen und besonders die Prosa entwickelt hatte. Luther und seine Genossen, denen die religiöse Begeisterung die Seele ihrer literarischen Productionen gewesen war, fanden unter den streitsüchtigen Theologen keine Nacheiferer. Der Eifer für Geistesfreiheit und Geistesrecht des Volkes war völlig erkaltet. Die lebendige Gemeinschaft mit dem Volke hörte auf, daher im Vortrage die echte Popularität, die Einfachheit und Herzlichkeit. Es trat in den Predigten die Erörterung von theoretischen Streitigkeiten und schulgelehrten Controversen an die Stelle. Die Prosa verdarb überhaupt, sie wurde durch technische Ausdrücke und lateinische Brocken verunstaltet. durchspickt mit fremden und geschmacklosen Redensarten, mit lateinischen und halblateinischen Floskeln. Ein großer Kenner sagt über die Predigtweise dieses Zeitraumes: „Man führte den Text hebräisch und griechisch an, mengte viel Latein ein, berief sich nicht bloß auf alte und mittelalterliche Kirchenlehrer, sondern auch auf Klassiker und Rabbinen, kam auf historische und chronologische Untersuchungen, donnerte nicht bloß gegen Katholiken, Reformirte, Socinianer u. a., sondern auch gegen Macedonianer, Patripassianer und Valentinianer, und führte aus Natur und Geschichte viele Beispiele an, deren Beweiskraft und Erbaulichkeit mehr als zweifelhat ist.“[2]

Bei uns wurde zu jener Zeit als Kanzelredner gerühmt der Königliche Generalsuperintendent Dr. Klotz, von dem weiter unten die Rede sein wird. Er war in seinen jüngeren Jahren mit einer so starken Gedächtnißkraft begabt, daß er mit bewundernswerther Leichtigkeit und Sicherheit eigene und fremde Predigten auswendig wußte, wovon noch jetzt Anekdoten erzählt werden. Man hat auch


  1. L. Wachler, Vorlesungen über die Geschichte der deutschen Nationalliteratur. Frankfurt a. M. 1818. Th. I, S. 214 ff.
  2. Kahnis, a. a. O. über die Predigt im Zeitalter der Rechtgläubigkeit, S. 115. Wachler bemerkt über die Predigten jener Zeit nicht mit Uebertreibung: „Bei weitem die mehrsten Predigten aus der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts müssen Unwillen und wehmüthige Empfindungen erregen; und dieses Uebel nahm späterhin eher zu als ab.