Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/1/011

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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reichten nicht die Sachsen mit ihren Wohnsitzen ,[1]sondern die Wenden hielten die Küsten besetzt so wie die Ufer der beiden beträchtlichsten in die Ostsee sich hier ergießenden Flüsse, Sventine und Trave. Uebrigens auch hier Waldung genug rings um die vielen, hier sich findenden Landseen, wenn gleich, wie es scheint, früherer Ackerbau auch Handel und eine Art friedlicher Cultur, ehe das Wendenvolk gereizt zum Widerstande in ein kriegerisches Leben verwickelt ward und auch auf Seeräuberei sich warf. Im Binnenland aber, im eigentlichen Holstein und Stormarn, und Dithmarschen zum Theil, saßen die Sachsen auf wenig fruchtbarem, doch leichterem, auch mit geringerer Mühe zu bearbeitendem Boden, zwischen ihren Wäldern, die auch hier beträchtlich waren, auf den Ackerbau angewiesen, reichliche Nahrung für ihren Viehbestand findend in den Wäldern und zu Zeiten in den angränzenden, noch kaum bedeichten, und wenig bewohnten Marschen an der Elbe, Stör und bis an die Westsee hin. Die Seezüge der Sachsen, welche einige Jahrhunderte früher nach Westen namentlich nach Brittannien gegangen waren ,[2] hatten


  1. Man möchte indessen denken, es sei doch die Kieler Föhrde ein Meerbusen der Sachsen gewesen und hätte ihnen eine Verbindung mit der Ostsee gewährt, doch finden wir von Benutzung desselben um jene Zeiten keine Nachricht, und es scheint in der That sich das Holsteinsche Gebiet kaum bis dahin erstreckt zu haben. Hier hindurch ging der große Wald Isarnho oder Isernholt, wie Adam Brem. ihn nennt profundissimus saltus paganorum (d. i. der Wenden). Die Wenden reichten bis an die Eider, wenigstens bei dem Schulensee. Von dem Landstrich zwischen diesem, dem Westensee, Flemhuder-See, Levensau und Kieler Föhrde, wo nachher die Stadt thom Kyle sich erhob, die in einem Privilegio von 1242 noch blos als civitas Holsatorum bezeichnet wird, und als eine neue Anlage erscheint, wird später ausführlicher die Rede sein.
  2. Um das Jahr 280 erscheinen zuerst die Sachsen, sich selbst so nennend, mit kleinen Raubschiffen an der Brittannischen Küste. Ptolemäus der Geograph kennt übrigens schon im 2. Jahrhundert die Saxones in ihren Wohnsitzen auf dem Nacken der Cimbrischen Halbinsel - also im Nordelbingischen Lande, welches auch nach den Zeugnissen Englischer Schriftsteller immer als das alte Sachsenland oder als das Land der Alt-Sachsen ist angesehen worden - regio quae nunc Antiquorum Saxonum cognominatur. Beda venerabilis (+ 735) und Alfred gegen Ende des 9. Jahrhunderts setzt westlich von den Alt-Sachsen die Elbmündung - be westan eald Seaxum is Aelfe mutha - wodurch die Lage des Landes ganz unzweifelhaft bezeichnet ist. Man hat daher Holtsatia durch Oltsassia erklären wollen. Die Sache ist wenigstens richtig, wenn auch nicht die Etymologie. Auch die Ableitung des Sachsen-Namens selbst ist eine verschiedene. Sind die Sassen - und dies ist die einheimische Form des Namens - die Sitzenden nach den bekannten Wortverbindungen Insassen Landsassen, Hintersassen, Freisassen, so wäre ein Gegensatz gegen die Schweifenden, Umherziehenden. Wie aus Insassen aber Insten und aus Landsassen Lansten geworden, so konnte aus Zoltsassen füglich Holsten werden. Eine andere Ableitung ist von ihren langen Messern, sass, sax bei ihnen genannt. Gleichwie die Franken von ihrer Streitaxt Francisca sollen benannt sein. (Vide monum. Paderborn. p. 115, 116 und 83, wo die Verse des Gottfr. Viterbiensis aus dem 12. Jahrhundert angeführt werden: Ipse brevis gladius ab ipsis Saxa vocatur. Undo sibi nomen Saxo peperisse notatur.) Der Name der Waffen kann aber eben sowohl von den Völkern abgeleitet sein. Daß sie die gedachte Waffe führten, bezeugt übrigens auch Wittekind von Corvey saec. X lib. 1 annal.: Vestiti erant sagis (mit Mänteln) et armati longis lanceis et subnixi stabant parvis scutis habentes ad renes cultellos magnos quos Sachs appellabant. Die Formel der Betheuerung bei dieser Waffe blieb - unverstanden freilich - bis in neuere Zeiten. In meiner Kindheit wenigstens hörte man nicht selten: "Bei meiner Sex"; abgekürzt "Min Sex". - Der Sachsen-Name breitete sich aus, als der Völkerbund sich erweiterte, als (wie es scheint im 5. Jahrhundert) auch die Cherusker demselben beigetreten waren und das Gebiet desselben nun an den Harz reichte. Im 5. Jahrhundert aber war es, daß die berühmten Züge der Sachsen nach Brittannien in Verbindug mit den Anglern und Jüten ihren Anfang nahmen, die nach 180 Jahren die völlige Eroberung des Landes zur Folge hatten. Sussex (Suth Seaxnaland) ward gegründet von Ella, der 477 landete, Westsex (West Seaxnaland) von Cerdic, der 495 mit einer Schaar Sachsen und Jüten kam, Essex (East Seaxnaland), wozu auch Middlessex, war vor 530 schon ein Königreich der Angler, wiewohl verbündet mit den Sachsen. Wenn aber Angel-Sachsen (Anglo-Saxones) häufig genannt werden, so ist dabei zu erinnern, daß diese Zusammensetzung nicht den Sinn haben kann, als wären Angel-Sachsen eine besondere Art von Sachsen; die Zusammensetzung ist vielmehr gerade wie das jetzige: "Schleswig-Holsteiner", was ja bekanntlich nicht eine Art von Holsteinern, sondern die engverbundenen Schl. und H. bedeutet. Auch kommt die Form Angli-Saxones vor z. B. bei Paul. Diae. de gestisLongobard. lib. 4, c. 23; ibid. lib. 5, c. 37. Hermelinda ex Saxonum Anglorum genere, und lib. 6, c. 15: Cedoaldus rex Anglorum-Saxonum. Nachdem aber Egbert, König der Westsachsen (+ 836) die kleinen Reiche vereinigt, ward der Anglische Name der vorherrschende. Deinde rex Egbertus convocatis Proceribus apud Winconiam coronatus est rex totius Brittaniae, ubi edictum fecit ut ab illo die omnes Saxones et Juti vocarentur Angli et Brittania Anglia vocaretur. Westph. III praef. 75. Dahingegen ist für die Engländer der Name Sachsen bei den Nachkommen der alten Britten geblieben, Sassenaghs bei den Irländern. Die Mehrzahl der Einwanderer mag allerdings Sächsischer Abkunft gewesen sein. Bemerkenswerth ist, daß in der Englischen Sprache die Menge der aus dem Plattdeutschen oder Niedersächsischen abzuleitenden Wörter überwiegend ist, dahingegen die Construction der Sprache mehr der im Schleswigschen üblichen entsprechend und der Dänischen sich annähernd.