Parkstraße in Platjenwerbe
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Da in den Adreßbüchern von 1965 und 1969 nicht ersichtlich ist, wer der Eigentümer des Hauses ist, werden alle Personen alphabetisch aufgeführt.
Die Daten zu dem Jahr 1998 entstammen dem Telephonbuch. Hier kann es sein, daß die Person, die dort eingetragen ist, schon verstorben ist, aber der Anschluß nicht umgemeldet wurde. Die Erfassung des Jahres 1998 ist noch nicht abgeschlossen.
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Haus Nr.1 (Stümer)
- 1965: Stümer, Erich, Arbeiter
- 1969: Stümer, Erich, Arbeiter
- 1994: Stümer, Erich: Familienanzeige
- 1998: Stümer, Dieter
- 2000: Stümer, Dieter: Familienanzeige
Haus Nr.1a (Fanigliulo)
Haus Nr.4 (Thor)
- 1965: Thor, Paul, Diplomingenieur
- 1969: Thor, Paul, Diplomingenieur (Parkstr. 9)
Haus Nr.6 (Mill, Jendrollik, Rohan)
- 1965: Jendrollik, Erwin, kaufmännischer Angestellter, Rohan, Karl, kaufmännischer Angestellter
- 1969: Jendrollik, Erwin, kaufmännischer Angestellter, Rohan, Karl, kaufmännischer Angestellter
- 1985: Rohan, Karl: Familienanzeige
- 2010: Mill, Rita: Familienanzeige
Haus Nr.7 (Elsner, Gottschalk)
- 1969: Gottschalk, Harri, Graphiker
Haus Nr.8 (Liedtke)
- 1965: Liedtke, Ernst, Maurer, Liedtke, Ewald, Hüttenarbeiter
- 1969: Liedtke, Ernst, Maurer, Liedtke, Ewald, Arbeiter, Hüttenarbeiter
- 1998: Liedtke, Ernst
Haus Nr.9 (Grote, Wischhausen)
- 1965: Grote, Cord, Tischler
- 1969: Grote, Kord, Tischler, Wischhausen, Gerhard, Weinhandlungs-Küfer
Haus Nr.9a (Oldenburg)
- 1954: Oldenburg, Emma: Familienanzeige
Haus Nr.10 (Melchers, Niemeyer)
- 1965: Niemeyer, Wilhelm, Chemiearbeiter
- 1969: Niemeyer, Wilhelm, Chemiearbeiter
Haus Nr.11 (Schlüsselburg, Wollersheim)
- 1965: Wollersheim, Hinrich, Schlosser
- 1969: Wollersheim, Hinrich, Schlosser
Haus Nr.13 (Dilba)
- 1965: Dilba, Georg, Schlosser
- 1969: Dilba, Georg, Schlosser
- 1998: Dilba
- 2007: Dilba, Margot Familienanzeige
Haus Nr.14 (Schuppik, Dangschat, Müller)
- 1965: Dangschat, Helene, Hausfrau, Müller, Reinhold, Schlosser
- 1969: Dangschat, Helene, Müller, Reinhold, Schlosser
Haus Nr.15 (Hecht, Fischer, Krebs)
- 1965: Krebs, Lydia, Hausfrau, Krebs, Wilhelm, kaufmännischer Angestellter
- 1969: Fischer, Oskar, Maler, Krebs, Lydia, Rentnerin, Krebs, Waldemar, Operator
Haus Nr.16 (Schmonsees)
- 1965: Schmonsees, Wilhelm, Arbeiter
- 1969: Schmonsees, Wilhelm, Arbeiter
- 1998: Schmonsees, Wilhelm
- 2006: Schmonsees, Anna: Familienanzeige
Haus Nr.17 (Labuhn)
- 1965: Labuhn, Horst, orthopäd.Mechaniker
- 1969: Labuhn, Horst-Friedrich, orthopäd.Mechaniker
- 1998: Labuhn, Horst
Haus Nr.18 (Cölle, Schardelmann)
- 1945: Cölle
- 1965: Cölle, Albert, Handlungsgehilfe, Cölle, Heinz Hermann, Kupferschmied
- 1969: Cölle, Albert, Handlungsgehilfe. Schardelmann, Heribert, Kraftfahrzeug-Handwerker
- 1998: Cölle, Heinz-Hermann
- 2020: Cölle, Heinz-Hermann, verstorben am 6. März 2020
Haus Nr.19 (Werner)
- 1945: Werner
- 1965: Werner, Arthur, Rentner
- 1969: Werner, Arthur, Rentner
Haus Nr.20 (Fraun)
- 1945: Frauen
- 1965: Fraun, Dietrich, Schiffbauer
- 1969: Fraun, Diedrich, Schiffbauer
Haus Nr.21 (Jacobi, Belz, Lübben)
- 1945: Lübben
- 1965: Belz, Walter, Postbetriebsassistent
- 1969: Belz, Walter
Haus Nr.22 (Siemers, Heiden)
- 1945: Heyden
- 1965: Heiden, Christian, Schlossser
- 1969: Heiden, Christian, Schlossser
Haus Nr.23 (Petersen, Gehle)
- 1945: Gehle
- 1965: Gehle, Heinrich, Heizer
- 1969: Gehle, Heinrich, Heizer
Haus Nr.24 (Hoese, Wojatzek, Aderhold)
- 1945: Aderhold
- 1965: Wojatzek, Hans, Schlachter
- 1969: Hoese, Dieter, technischer Angestellter, Wojatzek, Hans, Schlachter
- 1998: Wojatzek, Lucie
Haus Nr.25 (Vahlenkamp, Geisweller)
- 1945: Geisweller
- 1965: Geisweller, Vorname fehlt im Adreßbuch, Maler
- 1969: Geisweller, Adolf, Maler
Haus Nr.26 (Bergmann, Schmidt, Topfstedt)
- 1945: Topfstedt
- 1965: Schmidt, Friedrich, Arbeiter
- 1969: Schmidt, Friedrich, Rentner
Haus Nr.27 (Kowalczyk, Lasius, Eichler)
- 1945: Eichler
- 1965: Eichler, Willi, Schiffskoch i.R.
- 1969: Eichler, Willi, Schiffskoch
Am Ende der Seite unter Ergänzende Angaben befindet sich ein Lebensbericht von Bernd Klevenhusen
Haus Nr.28 (Schulz-Ketelsen, Bayer, Cölle)
- 1945: Bayer
- 1965: Bayer, Heinz, Eisenarbeiter, Cölle, Albert, Schiffbauer
- 1969: Bayer, Heinz, Eisenarbeiter
- 1998: Schulz-Ketelsen, Hanne
- 2018: Schulz-Ketelsen, Hanne Familienanzeige
Haus Nr.29 (Kowalczyk, Oettler)
- 1945: Oettler
- 1965: Kowalczyk, Ludwig, Heizer, Oettler, Wilhelm, Maler
- 1969: Kowalczyk, Ludwig, Heizer, Oettler, Wilhelm, Maler
- 2011: Kowalczyk, Ursula: Familienanzeige
Haus Nr.30 (Korzeniowsky, Müller)
- 1945: Müller
- 1965: Müller, Luise, Hausfrau
- 1969: Müller, Luise, Hausfrau
Haus Nr.31 (Logemann, Feldner)
- 1945: Feldner
- 1965: Logemann, Karl, Kapitän
- 1969: Logemann, Karl, Kapitän
- 1998: Logemann, Karl
- 2009: Logemann, Annita: Familienanzeige
Haus Nr.32 (Dobers, Zeuss)
- 1945: Zeus
- 1965: Zeuss, Anna, Hausfrau
- 1969: Zeuss, Anna, Hausfrau
Haus Nr.33 (Gröger, Cölle)
- 1945: Cölle
- 1965: Cölle, Ernst, Maschinenbauer
- 1969: Cölle, Ernst, Maschinenbauer
- 1998: Gröger, Imke, Gröger, Michael
Haus Nr.34 (Mrutzek, Hoffmann)
- 1965: Hoffmann, Kurt, Schlachtermeister
- 1969: Hoffmann, Kurt, Schlachtermeister
Haus Nr.34A (Busse, Eichler)
Ergänzende Angaben
Bericht von Bernd Klevenhusen aus der Parkstraße Nr.27
Mein erster Schultag gestaltete sich wie allgemein üblich. Der Schulweg mit den anderen „Leidensgenossen“, die man schon teilweise aus der Sandkiste kannte und den Eltern endete zunächst mal an der Dorfschule. Aus damaliger Sicht ein gewaltiger Bau. Schon vorher hatte das Gespräch mit dem zukünftigen Lehrer stattgefunden. Seemann wollte ich werden, wie Opa! Und ein Feuerwehrauto ward mal eben mit Kreide an die Tafel geworfen. Irgendwie war die grobe Richtung damit vorgegeben. Auf dem Rückweg inmitten der aufgeregten Kameraden- und Elternschar erinnere ich mich an ein Mädchen. „Die hat aber dünne Beine!“ Genau dieses traf ich nach Jahren in der Tanzstunde wieder. Immer noch dünne Beine. Ab jetzt also jeden Morgen aufmachen, still sitzen, zuhören, aufpassen. Jeder kennt das. Und dabei gibt es doch so interessante Dinge draußen, die den Gedanken einen ganz anderen Kurs geben. Dann, wenn das Unterrichtsthema nicht zu fesseln vermochte, war natürlich die Gefahr groß, dass der ferne Wasserfall in meinem Ohr jäh zur Explosion wurde. Auch das kennt jeder.
Ich fragte mich oft, warum die Schule nicht so interessant war, wie der „Schulfunk“ im Radio, wo allerhand packende Themen behandelt wurden, z.B. „Neues aus Waldhagen“ oder „Der Tierfreund“. Auch heute noch vermisse ich diese Sendungen sehr. Ein halbes Jahr war herum, mein erstes Zeugnis: „Bernd ist oft unaufmerksam“. Spätere Zeugnisse sprechen von „musischer Begabung“. Das ist der Anfang des roten Fadens, der sich bis zu meinem Abgangszeugnis hinzieht. Und auch noch weiter. Bis heute. Welch ein Weitblick meines damaligen Lehrers Otto Tietze. Aber es gab und natürlich auch Dinge, die meine ganze Aufmerksamkeit bekamen, weil sie mich begeisterten, wie Schiffe und Indianer. Am ärgerlichsten waren für mich die Hausaufgaben. Zahlen waren und sind nicht mein Ding. Ergänzungsaufgaben! Welchen Sinn soll das haben. Dreisatz und Algebra, völlig nutzlos. Aber Zeichnen und Malen! Da war Vorfreude schon vor Schulbeginn. Aber nun, bei schönstem Wetter! Rechenaufgaben, die sich einfach nicht lösen lassen wollten. Wütend fegte ich Papier und Griffel vom Tisch, Oma konnte nur ratlos betroffen zuschauen.
Bis zur vierten Klasse hatten wir Fräulein Stiege. So manches mal haben wir ihr zu einem hochroten Kopf verholfen. Sie gab sich redlich Mühe, hatte es aber manchmal recht schwer, mit uns Monstern fertig zu werden. Immerhin brachte sie uns dazu, in der Vorweihnachtszeit auf dem Podium von „Dodts Sommergarten“, auf dem mein Vater schon für die Amerikaner gespielt hatte, ein Märchenstück aufzuführen. Ich als gestiefelter Kater. Der Schwanz wurde aus Draht und alten Kaninchenfellen gebastelt. Der große Hut flog mir beim Auftritt vom Kopf, was allein schon ein Lacherfolg wurde, aber sonst soll es ganz gut gewesen sein.
Es gab natürlich auch erfolgreiche und angenehme Ereignisse in der Schule. Die Musikstunden waren eigenartigerweise meist langweilig für mich. Ich hatte von zu hause aus ganz andere Musikvorstellungen. Mein Vater wies mich auf die schönen Stellen der Orchester- und Opern hin. Dabei leuchteten seine Augen, und unwillkürlich dirigierte er mit. Die Diskussionen über Stereo, Quatro, Impedanz, Klirrfaktor und dergl. sind längst passẻ. Damals gab es nur den alten Volksempfänger, die „Goebbelschnauze“, wie er noch tituliert wurde. Und doch lernte ich schon als kleines Kind, die klassische Musik zu lieben. Das hat sich bis heute erhalten. Was waren dagegen die langweiligen Volkslieder. Und dann auch noch die Kameraden, die mit schlafwandlerischer Sicherheit immer den falschen Ton trafen. Furchtbar. Das heißt nicht, dass ich die Schlager und besonders den aufkommenden Rock n`Roll so toll fand. Ganz im Gegenteil. Auch ganz zu schweigen, womit die Menschheit heutzutage (2003) berieselt wird. Im Nachhinein wäre es doch gut gewesen, trotz meiner schwachen schulischen Leistungen mir einen professionellen Musikunterricht zu geben. Aber was nutzt Talent, wenn man zu faul ist. Ich bin eben nicht zum Musiker geboren. Aber ich bin ein guter Zuhörer. Für mich gibt es zweierlei Musik: 1. Die, die schillernd wie eine Öllache obenauf schwimmt, aber dennoch nicht schlecht sein muss. 2. Die, die auf den Grund meiner Seele absinkt. Und dabei handelt es sich vorwiegend um die so genannte klassische Musik.
Begeistert war ich eines Tages, als es hieß, „der Lehrer ist nicht da, die Stunde fällt aus. Na prima! Die Rechnung ging aber nicht auf, denn Herr Tietze übernahm die Stunde. „Dein Vater ist ein Arschloch!“ schimpfte ich seinen Sohn Heinz an. Lehrerssohn. Er war in meiner Klasse und hatte es gut. Er brauchte nur die Treppe runter zu gehen und war schon in seiner Schule. Prompt landete meine unschöne Bezeichnung bei seinem Vater, meinem Lehrer. Die unausweichlichen Folgen waren ein ernsthaftes Gespräch mit mir und meinen Eltern, Vorwürfe auch von meinen Eltern. So was sagt man ja auch nicht. Damals hatte ein Lehrer noch eine riesige Autorität. Heutzutage kann dieser Beruf lebensgefährlich sein. So manchen Strauß focht ich mit ihm aus. Er konnte es überhaupt nicht ab, wenn jemand aus der Klasse nicht zuhörte. Dann wurde jener kurz, aber laut angebellt. Ich muss aber bemerken, dass diesem Mann auch noch wer weiß was an Kriegsgeschehnissen in den Knochen steckte. Jahrgang 15, wie mein Vater, fern seiner schlesischen Heimat. So bekamen wir dann und wann Kostproben des schlesischen Dialektes serviert. Köstlich, heute leider nicht mehr zu hören. Dafür mehr sächsisch. Das Thema Ostdeutschland muss ihm am Herzen gelegen haben. Gerade jetzt, da diese Gebiete durch die Teilung unerreichbar waren, bekamen wir viel über sie zu erfahren. Kunst-, Musik- und Naturliebhaber muss er gewesen sein. Und körperlich fit war er auch noch. In der Turnstunde hatte er keine Probleme, unsere nachzuvollziehende Übung vor zu turnen. Durch ihn lernten wir auf den Klassenfahrten den Harz und die Lüneburger Heide kennen. Die Naturkunde brachte er uns auf unvergessliche Weise näher, indem er uns mit dem Herrn Doktor Uhlebuhle bekannt machte. Während eine Salzlösung vor sich hin köchelte, dozierte er über ich weiß nicht mehr was und kippte plötzlich den Becher über eine Mitschülerin aus. Statt eines heißen Gusses kam gar nichts. So lernten wir etwas über die Verdampfung und die Salzgewinnung. Zu hause probierte ich das auch. Allerdings nahm ich Zucker. Das Ergebnis: Ein völlig verkrusteter Topf, den ich natürlich schleunigst reinigen musste. So lernte ich dann noch etwas über das „Bonsche kochen“. Später habe ich ihn bei seiner wohl liebsten Tätigkeit getroffen: bei der Singstunde mit älteren Damen und Herren des Dorfes im Gemeinschaftssaal in Platjenwerbe. Und jetzt ist ein Klassentreffen angesagt - nach 47 Jahren. Und dann werde ich ihn wiedersehen.
11.10.2003. Einschub: Das Klassentreffen
Es wird gesagt, dass es einen Täter an seinen Tatort zurückzieht. Natürlich fallen mir einige Untaten ein. Nun ist es soweit. Ein Taxi fährt mich bis zu meinem Geburtshaus Platjenwerbe, Parkstraße 27. Ich möchte meinen alten Schulweg ab spazieren. Ich habe alle Zeit der Welt. Aus den kleinen Siedlungshäuschen sind zum großen Teil größere Anwesen durch Anbauten entstanden. Und doch sind sie kein Vergleich zu den Palästen der Neureichen, deren Architekten sich austoben konnten und die auf den ehemaligen Wiesen sich breit gemacht haben. Weiß mit Schieferdach, ionische Säulen vor dem Eingang, dicke Limousine vor der Garage. (Neid, halte dich in Grenzen) Aber wie viele schöne alte Bäume mussten weichen! Die Parkstraße führte in den Park, und ab dem Ende der Siedlung standen an beiden Seiten herrliche alte Linden in geringem Abstand. Man schritt durch eine grüne Kathedrale. Wie ich hörte, wurden sie in einer Nacht- und Nebelaktion gefällt.
Ich komme an die Stelle, wo zu meiner Zeit ein obskures Backsteingemäuer stand. „King Sching“. Ein Bremer Kaufmann, durch Fernosthandel groß geworden, soll sich dieses Lustschloss gebaut haben. Es hat die Kriegszeiten zwar überstanden, war aber damals schon ziemlich heruntergekommen. Es hatte ein Türmchen mit Schießscharten und Flaggenstange. Wie oft habe ich dort sehnsuchtsvoll hinauf geblickt. Nur einmal dort hinauf, das wäre was. Das alte Schloss wurde von Vertriebenen aus dem Osten bewohnt. Da stand immer noch ein alter Leiterwagen, der die Habseligkeiten getragen haben musste. Ganz in der Nähe war „der Teich“, ursprünglich angelegt für Goldfische. Dort spielten wir fast jeden Tag. Es gab viel Leben in und auf dem Wasser. Libellenlarven, Gelbbrandkäfer, Frösche uvm. Im Winter wurde natürlich dort Schlittschuh gelaufen. Während eines heißen Sommers war dieser Teich ausgetrocknet und gab Dinge frei, die wir nie vermutet hätten. Offensichtlich hatte man sich zu Kriegsende den verhassten Dingen des „dritten Reiches“ entledigen wollen. Wir buddelten also Stahlhelme, Pistolen samt Munition und anderes aus dem Schlamm. Allerdings ging auch das Gerücht unter uns Kindern um, dass in diesem Teich ein kleines Mädchen ertrunken war. Nichts von dem ist mehr vorhanden, nun stehen Häuser dort. Aber der Buchenwald, auch unser Spielrevier, später bequemer Abfallcontainer, nun aber aufgeräumt und eingezäunt, rauscht wie eh und je. Man stelle sich vor, das Mutters Stimme bis hier her reichte, um mich nach Hause zu beordern (Beeeeaaaand!!!!). Weiter geht es vorbei an dem Bauernhof, an der früheren Pferdekoppel, wo jetzt moderne „Landhäuser“ stehen. Schließlich stehe ich vor der Schule. Es ist immer noch zu früh, also wandere ich weiter. Überall das gleiche Bild: Häuser, Häuser. Na, ja, es bringt ja Einnahmen für die Gemeinde. Das Wetter spielt mit. „Bunt sind schon die Wälder ...“ haben wir damals gesungen.
Da treffen so langsam die Ersten ein. Großes Beäugen, Rätseln. Ach, du bist das... Weißt du noch...? Fast 50 Jahre liegen zwischen uns Ehemaligen. Und dann das Erscheinen unseres Lehrers. Sofort erkannt, fast unverändert, begrüßt er jeden einzelnen, muss aber nach dem Namen fragen, allzuverständlich. Aus dem kleinen Piefke oder der lütten Krabbe ist so mancher große Kerl oder ansehnliche Dame geworden. Heute wie damals steckt ein leiser Sarkasmus in seinen Begrüßungsworten. Die Presse ist anwesend. Ein Fotograf bemüht uns alle auf eine Stufentribühne zum Foto. Wie damals unser Lehrer muss auch er die Unterhaltung lautstark unterbrechen, um zu einem ansehnlichen Foto zu kommen. Nun der Moment, da wir unsere ehemaligen Klassenräume betreten und so manche gute und unliebsame Erinnerung aufkommt. Es ist nur natürlich, dass wir alles viel größer in Erinnerung haben. Alte Fotos gehen um. Die Presse ist auf Anekdotenjagd. Wir wollen uns nun im „Lesumer Hof“ treffen. Das bedeutet einen Fußweg von einer halben Stunde. Der Wirt ist ebenfalls ein Klassenkamerad. Bauernsohn, Lockenkopf. Ich habe mich mal mit ihm gekeilt. Heute hätte ich überhaupt keine Chance, er könnte dem Roland von Bremen Konkurrenz machen. Der Geräuschpegel in unserem Saal schlägt gewaltig aus.
Schließlich eröffnet die Initiatorin, Annemarie, genannt „Mäuschen“, mit „sch“, mit einigen Worten den Abend. Unser Lehrer erwidert in seiner unnachahmlichen Art, ebenso unsere Englisch-Lehrerin. Und ausgerechnet ikke sage auch was. Ringelnatz hat auch für so ein Ereignis etwas aufgeschrieben: „An meinen Lehrer“. Halbwegs auswendig trage ich es vor. Allgemeine Zustimmung. Nicht enden wollende Lebensgeschichten werden offenbart. Neben mir sitzt Hänschen. 28 Jahre lang hat er dicke Brummis gefahren. Er gehörte zu den Tunichtguten in unserer Klasse. Eines Tages stopfte er sich in weiser Vorausahnung Zeitungspapier in die Hose. Nicht ohne Erfolg. Und immer wieder war der Lehrer unser Thema. Was für eine Treffsicherheit! Da flog dem träumenden Schüler schon mal ein Schlüsselbund, ein Schwamm oder ein Stück Kreide an den Kopf.
Leider ist die Zeit zu kurz, um sich mit allen, vor allem mit dem Herrn Tietze auszutauschen. Nur kurz hatte er mir über seinen Werdegang berichtet. Als Beamtensohn zu den alten preussischen Tugenden erzogen, war er Soldat vom ersten bis zum letzten Tag. Selbstständigkeit wollte er seinen Schülern vermitteln. Und das geht niemals ohne vermeintliche Härte. Die Möglichkeiten für die heutige Schülerschaft sind wesentlich umfangreicher, als die, die man zu unserer Zeit hatte. Schulschwänzer gab es so gut wie nie. Heute umso mehr. „Pisa“ lässt grüßen. In fünf Jahren wollen wir uns wiedersehen, denn man to!
Ende des Einschubes.
Anläßlich des Klassentreffens am 15.10.2011 machte ich eine Spaziergang durch mein Dorf. Es führte zu einem Griff in die Mottenkiste meiner Erinnerungen und der Bestätigung der folgenden Geschichte durch einen mir unbekannten älteren Herrn:
Eines Tages fuhren Mutter und ich in die Stadt, mit dem Akkordeon. Ein ziemlich langer Weg. Dreiviertel Stunde zu Fuß bis zum so genannten Gummibahnhof. Mit dem Trollibus (Stromantrieb) nach Gröpelingen, umsteigen in die Straßenbahn bis zum Hauptbahnhof, nochmals umsteigen in eine andere Linie. In Horn aussteigen, wieder zu Fuß bis zum Funkhaus Radio Bremen. Immer den schwerer werdenden Kasten an der Hand. Ich sollte an einer Kinderfunksendung teilnehmen. Und richtig, eine Schar Kinder und ich saßen schließlich an einem Tisch und einer Märchentante. Hinter einer Scheibe saßen auch noch ein paar Leute. Die Märchentante erzählte uns von einem Duell zweier Zauberer, welches so ausging, dass der eine sich in ein Korn verwandelte, um in einer Ritze zu verschwinden, der andere aber in einen Hahn, der das Korn aufpickte und somit das Duell für sich entschied. Und dann kam etwas, was ich nie in meinem Leben vergessen werde. Wir sollten alle ein Lied vorsingen. Ich versuchte, mich hinter den anderen zu verstecken, wurde dann aber doch entdeckt. „Was möchtest Du uns denn jetzt singen?“ Am liebsten gar nichts, dachte ich. „Aber ich kann 'nen Walzer“. Das Musikstück war damals häufig im Radio zu hören. Der Titel ist mir bis heute unbekannt, die Melodie aber unvergesslich, Kategorie Unterhaltungsmusik. Heutzutage hört man dieses Stück nicht mehr. Ich fing also an, die Melodie mit di-dit-dat-die-dit-dit zu intonieren. Es wurde sogar gesendet. Leider habe ich es nie hören können. Aber mein Vater hörte es im Abteilungsradio an der Hobelbank bei Borgward und amüsierte sich köstlich. Beim Klassentreffen am 15.10 2011 traf ich in Platjenwerbe einen älteren Herrn, dem ich erzählte, dass ich gerade hier als kleiner Junge gespielt hätte. Er fragt mich nach meinem Namen. „Ach, sind Sie der, der im Rundfunk für die Mutter so ein eigenartiges di-dit-dat-die-dit-dit gesungen hat?...