Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie/019

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Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie
Inhalt
Vorwort | Einleitung
Erster Theil: Kap. 1234
Zweiter Theil: Kap. 1234
Dritter Theil: Kap. 123456
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ständisch und politisch davon befreien. Wenn er sich als gesellschaftliches Wesen betrachtet, so sitzen ihm Vorfahren und Nachkommen (d. h. seine Genealogie) wie die Kobolde auf dem Nacken, sie begleiten ihn wie den Bauer, der sein Haus verbrannt hat in der Meinung sich von ihnen befreien zu können.

      In geschichtlicher Zeit spielten die durch die politische Standschaft bedingten Gesellschaftsverhältnisse die Hauptrolle und stellten der wissenschaftlichen Genealogie eine Reihe der vornehmsten Aufgaben. Eine ständisch gegliederte Gesellschaft war ohne scharfes genealogisches Bewusstsein nicht denkbar und die Wissenschaft trat ganz in den Dienst der praktischen Interessen; bald in gutem und bald in schlechtem Sinne wurden genealogische Forschungen angestellt und je mehr und sicherer die Abstammung zum Maße aller gesellschaftlichen und politischen Rechte gemacht worden ist, desto entscheidender waren die Ergebnisse des genealogischen Beweises. Kenntnis der Vorfahren, Wissenschaft von der Reihenfolge und Verzweigung der Geschlechter beherrschte vollkommen das gesellschaftliche und politische Leben. Erinnerungen und Nachweise über Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, waren in den meisten und wichtigsten Momenten des Lebens nötig; sie wurden bei der Geburt eines Menschen sorgfältig in Betracht gezogen, sie wurden bei dem Eintritt in ein Standesverhältnis berechnet, sie entschieden über die Satisfaktionsfähigkeit, sie gaben den Ausschlag bei der Eheschließung und bestimmten die Stellung des Mannes wie der Frau nach individueller Bewertung. Die Genealogie repräsentirte in gewissen Zeiten, wenn sie auch nicht die bedeutendste Wissenschaft war, doch das vornehmste Wissen, welches zu vielen Dingen befähigte, die dem Stammbaumlosen verschlossen waren. Und nicht erst in der französischen Revolution haben die unteren Stände den Kampf gegen das genealogische Bewußtsein in der Gesellschaft begonnen. Dem heutigen communistisch gerichteten Classenhaß steht der Bauernkrieg gegen die Ahnentafel und den Stammbaum als durchgreifende Analogie zur Seite. „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann“ sangen die englischen Landarbeiter im vierzehnten Jahrhundert. Aber sie wußten nicht, daß sie sich gegen einen Begriff erhoben, der zwar in seiner zeitlichen Erscheinung in der menschlichen Gesellschaft