Lebenserwartung
Bitte beachten Sie auch unsere Datensammlung aller bisher erfassten Personen aus dem Memelland |
Gesundheit
Bei der Bearbeitung der genealogischen Daten fällt immer wieder die hohe Kindersterblichkeit auf. Auch die Sterblichkeit bei den jüngeren Jahrgängen ist auffällig.
Man muss sich um die 120 Jahre zurückversetzen. Das medizinische Wissen und die Behandlung von Krankheiten war aus heutiger Sicht "im Falle der Genesung" wohl eher ein Zufall. Dazu kamen auch die Lebensumstände in der damaligen Zeit. Alles zusammen reduzierte die Lebenserwartung erheblich.
Hier folgt eine Berichterstattung aus dem Jahr 1873 (Originalfassung).
Zahl und Lebensdauer der Menschen
Die Erde ist (nach neuesten Daten) bewohnt von 1.380,000,000 Menschen. Davon gehören 380,000,000 zur Kaukasischen, 580,000,000 zur Mongolischen, 200,00,00 zur Aethiopischen, 220,000,000 zur Malaysischen Rasse und 1,000,000 Indianer in Amerika. Diese sprechen 3064 Sprachen und bekennen sich zu 1000 verschiedenen Religionen. Es sterben jährlich 33,333,333 Menschen, jeden Tag 91,954, stündlich 3,730, in jeder Minute 60, in jeder Sekunde ein Mensch. Der Verlust an Todten wird durch die gleiche Zahl von Geburten ausgeglichen. Das mittlere Lebensalter beträgt jetzt im Durchschnitt 33 Jahre. Der vierte Theil der Bevölkerung stirbt vor dem siebenten Jahre und die Hälfte vor dem 17. Von je 10,000 Menschen erreicht immer nur einer das hundertste Jahr, von je 500 einer das fünfundsechstigste. Verheirathete leben länger als Unverheirathete, und große Personen länger als kleinere. Bis zum 50. Lebensjahre haben die Frauen mehr Aussicht für die Lebenserhaltung, von da ab wird diese bei beiden Geschlechtern gleich. Von je 1000 Personen verheirathen sich bloß 65, und es sind gewöhnlich die Monate Juni und December diejenigen, in denen die meisten Hochzeiten gefeiert werden. Die im Frühjahr gebornen Kinder sind kräftiger als die zu anderen Jahreszeiten geborenen. Geburten und Todesfälle pflegen mehr in der Nacht als am Tage einzutreten. – Was die Lebensdauer der Menschen betrifft, so ist hierfür folgende Tabelle vom allgemeinem Interesse.
Alter in Jahren | Anzahl der Lebenden | Gestorben von 10,000 | Wahrscheinliche fernere Lebensdauer in Jahren |
Zahlen aus 2006/2008 (Stat. Bundesamt) |
---|---|---|---|---|
0 | 10000 | 1503 | 41,56 | 79,76 |
1 | 8497 | 615 | 50,58 | |
2 | 7882 | 299 | 53,80 | |
3 | 7583 | 196 | 53,28 | |
4 | 7387 | 134 | 53,75 | |
5 | 7352 | 98 | 53,39 | |
10 | 6886 | 54 | 50,10 | |
20 | 6350 | 61 | 42,37 | 60,30 |
30 | 5730 | 61 | 34,78 | |
40 | 5109 | 69 | 27,16 | 40,82 |
50 | 4401 | 80 | 1973 | |
60 | 3454 | 114 | 12,83 | 22,82 |
70 | 2161 | 149 | 7,27 | |
80 | 750 | 103 | 4,10 | 8,31 |
90 | 92 | 23 | 2,29 | |
100 | 1,6 | 1,6 | 0,50 |
Das Leben der Menschen dauert nicht überall durchschnittlich gleich lange. Addirt man die Zahl der Jahre, welche alle Gestorbenen durchlebten, und dividirt dann diese Summe durch die Zahl der Gestorbenen, so erhält man die mittlere Lebensdauer. Diese ist in Österreich 28 Jahre, - Italien 31 Jahre, - Deutschland 32, - Holland 35, - England 37, - Frankreich 40, - Norwegen 44 Jahre. – Nähere Untersuchungen ergaben, daß die Sterblichkeit im ersten Lebensmonate ungemein groß ist, vom zweiten Monate bis zum Ende des ersten Jahres beträchtlich abnimmt, vom zweiten Jahre noch rascher sinkt und zwischen dem achten Jahre bis zu dem 20. das Minimum erreicht. Darauf ist die Sterblichkeit bis zum 45. Jahre gering und steigt von da an stetig. Umstehende Tabelle zeigt diese Verhältnisse auf die Zahl von 10,000 Lebenden in Mitteleuropa. Also: von 10,000 im gleichen Jahre geborenen Menschen in Mitteleuropa, erreichen z. B. nur 5109 das vierzigste Jahr, von diesen sterben im vierzigsten Jahre 69 und die Überlebenden haben jeder noch die Aussicht, 19,73 Jahre zu leben. Alles ist natürlich durchschnittlich zu verstehen.
Quelle: Memeler Dampfboot vom 04.12.1873 - Vermischtes
In der rechten Spalte sind die verfügbaren Daten vom Stat. Bundesamt Deutschland zum Vergleich angehängt. Die Zahlen zeigen eine erhebliche Steigerung der Lebenserwartung.
Gefährdung der Gesundheit
Mit der industriellen Entwicklung entstanden neben den gefählichen Stoffen natürlicher Herkunft, chemische Produkte. Die in der Natur vorkommenden Giftstoffe hatte der Mensch im Laufe der Jahunderte aus Erfahrung und Überlieferung kennen gelernt. Das Wissen um die Gefährlichkeit künstlich erzeugter Produkte war meist nicht vorhanden. Das volle Ausmaß der Gesundheitsgefährdung durch Chemie - Produkte ist in unseren Tagen sehr oft noch ungeklärt. Beim Verbraucher war in der damaligen Zeit kein Bewusstsein für diese Gefahren vorhanden. Es fehlte einfach die Information über die gefährlichen Stoffe und deren richtigen Anwendung in seiner Lebens- und Arbeitswelt.
Farben und Lacke wurden nur nach Haltbarkeit produziert und nicht nach den uns bekannten Kriterien des Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Teere für die Abdichtung von Schiffen wurden in den Werften gekocht und der Dunst gelang in die Lungen. Atemschutzmasken?
Die Lärmbelastung, später im Metall - Schiffbau, war ein weiteres Kriterium der Gefährung.
Unfallschutz war in der damaligen Zeit ein unbekanntes Wort. Für die Arbeitsbedingungen gab es dennoch hier und da doch schon zarte Ansätze. So wurde vor dem modernen Bügeleisen gewarnt. In ihm war neuerdings ein Behälter für glühende Kohle. Die alten Bügeleisen (Eisenplatte) standen zur Erhitzung auf dem Herd. Die Hausbediensteten und die Hausfrauen wurden vor dem aus dem Eisen austretenden giftigen Kohlenmonoxid gewarnt.
Mehr über Bügeleisen:Bügelseisen ABC
Auch in anderen Bereichen kamen mit der Zeit Regelungen auf. Brandverhütung stand an oberster Stelle! Viele Städte brannten ab. Das betraf auch Memel im Jahre 1854. 3000 Menschen wurden damals obdachlos. Wer brennbares Gut durfte nicht in der Nähe der Öfen gelagert werden. Hauskontrollen wurden durchgeführt und so macher Thaler Strafgeld musste gezahlt werden. Eine Verordnung für die sachgerechte Lagerung von Petroleum (Beleuchtung, Lampenöl) existierte Mitte und Ende 1800 noch nicht. Vor gepanschten Petroleum wurde aber gewarnt (1873). Um Geld zu verdienen schiffte ein Lieferant aus Hamburg Petroleum nach Memel, dessen Menge mit Naphta gestreckt wurde. Naphta ist ein Rohbenzin aus der Raffinerie und besitzt einen niedrigeren Siedepunkt als Petroleum. Die Folge wäre die Explosion der Petroleumlampe.
Nach der Erfindung des Automobils und die Bevorratung von Kraftstoff meldeten sich die Behörden mit doch umfangreichen Regelungen. Deswegen waren die Gase des Kraftstoffes für die Gesundheit nicht als gefährlich bezeichnet worden. Alle Regelungen zielten eher auf den Brandschutz und Vermeidung von Explosionen.