Hexenakte der Bäurin von Wind
Quellenangabe
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, GR Fasz. 323/16
Allgemeines
Die vorliegende Quelle enthält einen Untersuchungsbericht für den Herzog Maximilian von Bayern zum Selbstmord der "Bäuerin von Wind" im Mai 1608 im Münchener Falkenturm. ´
Zur Person
"Die Bäuerin von Wind" wird nie mit Vor- und Familiennamen genannt. Es ist nur bekannt, dass ihr Mann Balthasar "Paur" hieß. Bei "Paur" handelt es sich um den bis in heutige Zeit bekannten Hofnamen in Wind. Aus den Akten des Klosters Ebersberg ergibt sich aber, dass sie Margaretha, Ehefrau des Balthasar Kressierer war. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung dürfte sie ca. 50 - 60 Jahre alt gewesen sein.
Inhalt
Beirin von Winden, so sich in fronues deß Falckhenthurms selbst hingerichtet betr.
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Demnach E: Dtl: uns gnedigst beuckhen (?), aus beyligenden actis underthenigsten Bericht zuthun, was gestalt, aus was Ursach, und wie weit wider die Beurin zu Winten Schwaber Landtgerichts als ein angegebne Unholdin procedirt worden, warumben auch die Proceß sich so lanng verweilt, biß sie Ir das leben selbst genommen, haben wie alsbaldt solche act absonnderlich mit weis durchsehen darauf diß einhelligkhlich gefunden.
Nemblich das den 23. Juny Ao. [1]607 ermelte Beürin, früer TagZeit Hannsen Schneider am Moß die Hanndt gebothen, Ine und Ursulam Singenweckhin gebetten, wan sie wider ime schneider was Unrecht gethan, oder die Ursel geergert, Ihr Zuverzeichen und gleich darauf in unser Frawen Khürchen zu Sempt vor dem Meßnerbuben, so aufgespert, ertes hineingangen, darin an Underschidlichen orthen khniet, bißweilen an der glockhen khleukhet, biß auf die Vesper darin verbliben, starckh gebettet, mit dem Weichwadl,darumb ein Kherzen gewunden, auf einen dreifachen Bettstuel den sie nider gelegt geschlagen denselben dem Pfarrer so darzue benuessen (?)
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worden, nit lassen wellen, mit der anzeig, Pfarrer hete so vil gnad nit, das er Ihr solchen cradl (?) nene, es müessen Ihre Handl offenbar werden (?), bis solchen cradl (?) er Pfrrer Ihr mit gewalt genommen und dem Pflegs Verwalter den Verlauff bericht wellcher sie die Peürin ( in Bedacht dis von ihr selzame reden, wegen des Zuvor den 11 Juny ergangnen grossen Schaurwetters, und sonst andrer Zauberey halber, wie Pflegsverwalter den 7. July schreibt, in der er Fharung (?) aber nit zu finden, von Ihr umbgangen ).
Zuverhofft bracht, ieber etliche fragstückh n. 3 bespracht, bei anderen n. 5 den 9. July erfarung eingezogen, daraus absonnderlich fragstückh notiert, die verhofft, 21 July abermalls darüber abgehört, solliches alles in E. frtl. dtl. Hofrath überschikht, wellicher ohne ainZige weitere notwendige eingezogne erfharung die gefange den 23 July in Falckhenthurm zulifern beückhen (?): Zu gleich einer eventual schlus gemacht, die Verhaffte mit der chorda an zugreiffen, und dreyen aus Ihren mütli: E: dt: Hofober= Richter, Georgen Hundt und D Balthasar, solliches zu exequieren auferlegt; Weil aber sie die Commissarij ihrem Bericht nacht, die gefangne vilmehr ein närrische lappische oder unsinnige person, als ein Unholdt gehalten, haben sie Ihr den Daumbstockh zum driten mahl usq ad sanguinis effusionem, unnd biß der stockh aufgestanden in examine n. 9 anlegen lssen, Deswegen sie die
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Commissarij bei E: Dt: geheimben Verlagt, den 21. Augusti erfordert mit Ihren endtschuldigung angehört und den ganzen Verlauff, wie sy auch die gefangne person beschaffen befunden, im Hofrath zureferiern beuckhen (?), hierüber den 22 hernach ihnen neben einem Verweiß, de nono[1] aufgetragen worden, die gefangne mit der chorda zu examiniren darauf sie den 4. Septemb: sine alijs novis indicijs auf die alte, das examen angestelt, die Peürin zum Driten mahl lehr aufziechen und Zimblich lang lassen hangen. Als nun sollche aussag im Hofrath (wir gedachte Commisarij schreiben) abgelesen und man nun mher[2] in terminis absolutionis aut condamnationis gewesen, hat man aber statt dessen, Vernere fragstückh ergriffen (?) Und nach Schwaben den 13. Sempt: Ao.[1]607 nochmall besser erfahrung einzuziechen , überschickht, auch den vorigen Commissarien, Herr von Preysing, und D.n Schobinger pro referente adiungiert. Aus disen E. dt: Hofcanzler selbst fernere indicia gezogen, darüber den 5. Octob. bey 30 Zeugen abgehört, und durch E. ftl. dt: Hofrath den 8. Octob den Commisarien beückhen (?), solliches alles, und ob solche indicia durch die tortur purgirt, was auch auf die ferner indicia für zunemmen, sey zuerwegen, sich einer mainung zuvergleichen, ihr relation neben einem Guettachten zu Übergeben, damit dieselb apud acta aufbehalten werden möge.
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Demnach aber C. laut Zweyer Commissarien des HofOberRichters und D. Balthasar auf E. ftl: dtl: beuckh den 21. May Ao [1]608 gegebne Berichts sie nit vermeint das man ferner mit der tortur verfahren khönne, wer ein misserwawen geschepfft, die acta von Innen abgefordert, die Zeit als verschlichen, bis den 15. May [1]608 zu nachts, der leidige Fahl in dem die Peüurin sih selbst erhenckht, entstanden. Disen Bericht ist E. ftl. dtl: Hofrath, den 4. Junij den Zweyen Commissarien Zuverweisen vorhaben gewesen; das einen nit gebühr, ausser der anndern mit Commissarien, bericht zugeben; der rathschlus wegen des proceß mit der Peürin were im Velligen Rath session wie sonst gebreüchig, und darZueIHrer der Zweyen Commissarien nit nöttig gewesen, geschechen; das Ihnen auch den 9 9bris zuvor alle acta eingehenndigt, zu procediren beuckhen, sie aber neben Ihren mit Commissarien lenger dan in einen halben Jar zu der relation nit zubringen gewest, da auch das übrig, was in ihren abwesen geschlossen, ohne Ihr massebung (?) verschwer zuverantwortten seij; Inmassen dan E: dtl: Hofrath; auf vorgehende signatur, wie lanng die Peüurin in Verhafft gewest, den Verlauf in capiura et tortura auf yezter Zelte weiß mit diser weiteren anZeig übergeben:
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Weil die Peüurin unnder den 15 Khündern die 8 Verstorbene mecht verstarblos (?) haben, und die eine Barbara Nidermeyrin, sie bezigen, das die Khrankhäit von der Gefangnen herrkhomme, hete man auf sein sonderliche designation Zeugen abgehört, aus der Peürin haus die slaben abgeholt, ferners alle alte Wund(?) neue indicia extrahirt, und den Commissarien, wie hie oben eingeüfert, zugesetelt, welchen sie zum Theil nachhkommen, sollche durchlesen, D Schobinger relationem verfasst, und es allain daruaf gestanden, das die anndern Commissary solche sollen abhören und sich darauf entschliessen. Unnder dessensey Herr von Preysing nach Regenspurg verschickht, Dr. Balthasar mit der Curatel, Georg Hündt mit der Khelhaimischen inquisition, HofoberRichter mit Vilen Commissionibus occupirt, also die deputierte mit zusammen zubringen gewest, dardurch Dr. Schobinger in frtl. Hofrtath, und das er am Verzug nit schuldig, portestirt, der Pflegswerwlater ebenmessig zu Verhafft bracht, und darüfrt gehalten worden, es würde was mehrers durch zue herfürkhommen, dardurch sich die relation und ferner Proceß biß auf den Fahl verschoben.
Pflegsverwalter bericht zu mildt, daß die Beürin des Schaurhalberß beschrait gewesen
Aus disem Vernemen F: dtl: das factum, und das der Pflegsverwalter zu Schwaben, gleich nachdem er vom Pfarrer
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- Ist auch in specie von ainicher Zaubery nicht vorkhommen.
wegen des Khürchgangs Zu Sempt obgeherter (?) massen bericht empfangen, die Beürin ohne einiche weitere erfahrung , auch Unangesehen sie des Schaurs halber damals gar nit beschreit, und also sein berichts n. 8 disfals zu mil gangen, gefangen genommen, sie den 7 und 22 Julij bespracht, den 9. Julij, quod solet ante capturam fieri, erst erfahrung einige Zogen, unnd obwoll, testis ad 20 Int. 2 us ad 13 wegen eines angefangenen Stros '3 us ad 16.m/4.tus 5. us ad 4 Inter: in genere (ausserhalb was in der Khürchen geschechen) von hören sagen deponiren, so weiß doch der 2. 7. 8. 9. 10. 11. Zeug von der gleichen sachen, nit (deßwegen per negatiua bona fama entspringt) Sonnder als Vorigen, mehr in specia wegen des Schaurs ad 16 Inter unnd dan wegen der Zauberey ad 17 gefragt worden, deponiren sie (ausserhalb der 4 die sich hernach selbst erklehrt, und dan der 5te) weilmehr (?) für die gefangene, quo ad vitam et famam, sonnderlich auch das sie damalls in profesto S. Joannis zeitlich in die Khirchen gangen, dalsebst zubeichten, unnd zu communicieren, Zuvor die Jhenige (?), so sie nur mit Verdacht, oder sonst in geringen sachen offendirt zuhaben verneint, umb Verzeichung gebetten, daß auch der wellicher sie zuvor ein Zauberin gesholten, abgestrafft worfen
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ausserhalb maß in der Khirchen, beim Sonwentfeur mit den Khünig stro, vieh und Wetter ansegnen betl:
Obwol auch in der khürchen zu Sempt, etliche gesticulationes mit den vllendkhen (?) Weihwald, betten, und reden, auch vor 20 Jaren, ein Sunnwent feur am Moß vorgangen, so auch wegen eines stors, wetter und Viech ansegnen, zu einem Verdacht superstitionis geben
waß die Beürin geantwortt
So gibt doch Zuermall gefange Beüurin n:3 et 7 für, es sei in namen Gottes, wegen der Beicht, mit Betrachtung des Schauerns Christi geschechen, den Wadl dem Pfarrer so sie ein Zaubererin gescholten, damit sie sich nit versündige, nit lassen khönnen, der Pfarrer vor wesser Zeit sie nit wöllen beichten hören, ihr dienstmeidl des Verbrendten stros meldung gethon; das wetter und Vieh mit eltichen worten angesengt, das Sunnwendt feur dem gebrauch nach gehalten, das Viech darbei nit bestrichen (?), wegen mangl der milch rath gesuecht, bißweilen villeicht aberglauben gehabt, aber dieselb offt gebeicht, für alle gewaltmisch, unnd gleichsamb nit bei ihr selbst gewest, unnd meldet 1 testes n. s. ad 3 Inter das sie sich zu Sempt darpisch erzeigt, hete von Ihrer Faantasey gehört, wie auch ihr aignes dienstmeidl 2 testis ad 3 Inter das dir Beürin, als sie in die Khirchen ganzen sich teppisch gestelt, das sie vor dem Khürchgang an aller wetter-
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herrentag schon träppisch, unnd selzsam gewest: desgleichen 3 testes ad 3 Inter sie het khein einfeltige weiß an ihr nit gespürt, allein seit sie zur Sempt gewest, nit denen auch 6 unnd der 8 übereinstimmen
Vor der tortur, auch das Ihenige so für die gefangne einkhombt zu consideriren
Also das gleichwol nach vorgangner captur, wie die einer beschaffen, nit allein was in der erfarung, oder güettlichen assag zu Schwaen, wieder die Beürin einkhommen, sonnder auch was ihr darin zu guthen gesezt, vor der tortur, in qua de salute hominie agitur nach allen circumstantier, sonnderlich eorum actuum, qui a sanae mentis hominibus bonae vel malae famae fieri non solent, wol bedacht werden sollen, cum namjis captis et accusatis reis nulla deturs copia, Inditiorum, nemo admittatur, patronus advocatus, auct Iuris pateat defensionis via ordinaria, eo magis Iudex, cuius arbitrium hac in re non undiquags liberum, sed Juri et aequitati consentaneum est, omnibus modis laborare debet ob praentiam Dei, pro innocentia rei, si que indicia in actis reperiantur, neve captus, praematurius, gravius aut citius torqueatur
Waß bei der Beürin zu consideriren gewest Dahero weil ein solliches, so zu Sempt vorgangen, von kheiner verstendigen Person, weilweniger von einer Unholdin, oder Zauberin, sonder von einem, der in seinem
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sein verruckht, und nit bei sich selbst zugeshechen (?), pflegt (davon hierunder was mehrers) sie von Ihren eignen domesticis und etlichen Nachbarn, für täppisch, geralmisch (?) träppisch gehalten, was darueben wieder sie eingefüert, mehr auf die gemeine, und in disem Lanndt gereüchige superstitiones mit etlichen, für sich selbst nit besen worten leuden (?), die Beürin sonnst wegen annderer Zauberey, conuentuum nocturnorum, maleficij scrilegii nit beschrait de alio corpore delicti nulla unnd dan des übrigen halben schlechte indicia vorhannden gewest, et in his criminibus, etiam atrocissimis, occultis, et exceptis, legitima ac sufficientia, quae passim describuntur non plene eo tempore adfuerint inditia, sein wir der mainung, das wofern man die tortur bis auf weitter mehrer gewise erfahrung, nit wöllen ein sellen doch die Beyrin mit dem Daumbstockh,
der Daumbstockh, sufficiens tortura pro qualitate omnium circumstantiarum genügsam torquirt, umb so weil desto mehr das sie als ein weib persona timid ( in qualibus minae seapius sunt tortura Jarinace teste q. 37 n. 103) biß zum dritenmall jusq. ad effusionem sanguinis unnd bis Er aufgestannden angriffen, die Commissarij selbst in praesentia die närrische weiß an Ihr gemerckht
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Unnd nach befundnen Umbstenden erachtet, an statt der chorda, dem Daumenstockh vorzunemmen, wie dan ausser halb der erfahrung, der hofrath qualtitem personae corporis fortitudinem simplicitatem. (ut requirit Jarinac: q: 38. n 33) mit so vol, als die Commissarij in re praesenti sehen khönnen, cum alioquin sufficientia qu7alitas tortura quanta vel qualis esse debeat, sita sit in arbitrio Judicis discreto, fortudentia, et aequitate ac potius in Benignitate, quam atrocitate, semperq. in mitiorem partem.
Et ne idem Judicis hac in re liberum arbitrium per divera, et omnia uagetur, eleganter iji qui in professu contra maleficos diligentiores sunt reliquis tradunt regulam discernendae torturae bene notandam, scilicet ad torturam requiri indicica ptusq'm gracia, quae cummuniter gravissima, tam urgentia certa, et luca meridiana clariora ut Judex quasi certus sit de delicto et ei nil desit quam rei confessio, eag indicia sint apta non ad plene probandum, sed ad plene persuandendum animum Judicis, adeo ut Judex persuasus esse debcat de culpa rei, et reum esse noxium, quando ergo Judex sic putat se habere plena inditia tunc primum procedit recte ad torturam, pleiro leb. 5 rect. 3 ut K.
- fol. 58