Herforder Chronik (1910)/067

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Herforder Chronik (1910)
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Wir übergehen, indem wir den Leser auf die Geschichtswerke verweisen, die traurigen Jugendschicksale des jungen Königs und seine von den Vormündern übel geleitete Erziehung, aus der sich seine verkehrten Ansichten und die Halbheiten seiner Maßregeln erklaren, als er endlich, befreit von den vormundschaftlichen Fesseln, zur Regierung gelangte.

Nicht ohne sein Verschulden erfüllt seine ganze, fünfzig Jahre lange Regierungszeit von 1056-1106 eine unerquicklich anzuschauende Reihe von Demütigungen, verlorenen Mühen, verlorener Achtung seiner Zeitgenossen in dem Kampfe mit den Großen seines Reiches, in dem Kampfe mit Papst Gregor VII.

Dieser ihm geistig weit überlegene Papst erstrebte zwar gleich Heinrichs Vater die Begründung strengerer Sittlichkeit und Religiosität unter dem Klerus, trat jedoch im übrigen in den schroffsten Gegensatz zu jenem, indem er nicht nur die gänzliche Unabhängigkeit der Kirche von der weltlichen Macht, sondern auch die Erhebung der päpstlichen Gewalt über die kaiserliche erstrebte und schließlich durchsetzte. Der von ihm in den Staub getretene Kaiser Heinrich IV. starb 1106 in Gram und Schmach, noch nach seinem Tode belastet mit dem ihn verfolgenden Bannstrahl des päpstlichen Stuhles. Heinrichs Regierung hatte von Anfang an die Gemüter seiner Untertanen erregt, nicht zum wenigsten die der Sachsen. Sollte bei dieser Unruhe der Zeit das Stift Herford unberührt geblieben sein, dessen Damen zu den nächsten Verwandten der sächsischen, gegen Heinrichs Bedrückungen sich auflehnenden Edlen zählten?

Wir dürfen den Zeitraum unmittelbar nach Gotesdas Tode (1044) übergehen, weil einesteils, infolge des Fehlens urkundlicher Nachrichten, unter den Chronisten über die nächstfolgenden Äbtissinnen Unsicherheit herrscht, da weder ihre Namen, noch Abstammung und Amtszeit feststehen[1], und andernteils die unruhigen Zeitläufte unter den Regierungen Heinrichs IV. und seines Sohnes Heinrichs V. (1106-1125) wenig dazu angetan waren, des Stiftes Herford viel zu gedenken. Veranlaßt war die Unruhe der Zeit nicht allein durch die Kämpfe, welche beide Kaiser innerhalb ihres Reiches, sowie mit der nach Allmacht strebenden Kirche unter Gregor VII. auszufechten hatten, sondern in eben so hohem Maße dadurch, daß das Interesse aller Welt, seit 1095 durch die Kreuzzüge in glühend entfachter religiöser Bewegung, sich vom Vaterlande ab- und den Vorgängen im fernen Morgenlande zuwandte. Unter diesen Umständen war nicht mehr wie vormals von ständiger Mehrung der Stiftsgüter zu hören; in den Gunstbezeigungen der Herrscher war ein Stillstand eingetreten. Dagegen wird uns berichtet, wie die Abtei zur Verteidigung dessen, was sie besaß, herausgefordert wurde. Wir meinen den Zehntenstreit mit dem Bistum Osnabrück, dem wir ein eigenes Kapitel vorbehalten.

  1. Mooyer, a. a. O. nennt von 1044-1215 Eulika oder Julika I., Agnes, Gertrud I. (1138), Jutta oder Judith (1163), Lutgard I., Eulika II. (1213).