Handbuch der praktischen Genealogie/377
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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landläufigen abweichende Darstellung der modernen Gesellschaftsschichtung zur genealogischen Untersuchung größerer Gesellschaftsgruppen anregen und sozialwissenschaftliche Aufgaben stellen, zum mindesten den Blick für die Bedeutung gewisser oft beobachteter Erscheinungen schärfen. Für die praktische Sozialpolitik sind die entsprechenden Gedankengänge nicht minder wichtig; denn wenn gut national gesinnte Politiker die zutreffende Meinung vertreten, die Familie sei die Grundlage unseres Staates und müsse deshalb in ihrem Bestände geschützt werden, bleibt es noch sehr fraglich, ob sich die Redner wirklich selbst darüber klar sind, welche Bedeutung die Familie und demnach alles, was sie fördert, was den Familiensinn und Familienzusammenhang stärkt, für den Staat besitzt und in welcher Richtung eine bewußte Familienpolitik, wenn das Wort als Bezeichnung einer besonderen Art Sozialpolitik erlaubt ist, unser öffentliches Leben beeinflussen könnte.
Der Streit darüber, was früher war, das Ei oder die Henne, ist müßig. Aber wenn es sich um bestehende gesellschaftliche Verbindungen handelt, dann sind die einzelnen Menschen zweifellos nicht die letzten Einheiten, sondern die durch Geschlechtsverbindungen entstehenden Gemeinschaften, die Familien. Deren Glieder, die einzelnen Menschen, sind in einem gegebenen Zeitpunkte nur die Repräsentanten ihrer Sippe, der sie ihre körperliche und geistige Eigenart verdanken. Nur die Sippe trägt grundsätzlich die Fähigkeit zu ewiger Dauer in sich, und mehrere Sippen in ihrer Wechselwirkung gewährleisten erst den Bestand einer Gesellschaft, da die Dauer weit über die Lebenszeit eines Einzelmenschen hinaus das Grundmerkmal jeder Gesellschaftsbildung ausmacht. Im Verhältnis zur Gesellschaft ist das Individuum nur eine gedankliche Abstraktion, nicht eine konkrete Größe; denn Entstehung und Bestand der Gesellschaft ist erst durch eine geschlechtliche Verbindung einzelner Menschen, die nicht als solche, sondern als die Repräsentanten ihrer Sippe zu bewerten sind, gewährleistet. Da Geschlecht und Alter die Art der geschlechtlichen Verbindung begrenzen, so genügt eben nicht ein willkürliches Nebeneinandertreten von Individuen zur Entstehung einer gesellschaftlichen Gruppe. Kommt auch tatsächlich nur ein kleiner Bruchteil der an sich möglichen Verbindungen zustande, so machen sich bei diesen tatsächlichen Familiengründungen neben materiellen auch individual- und sozial-psychische Einflüsse geltend, die nunmehr wieder zu einem besonderen Bindemittel für die gesellschaftliche Schicht werden. Mit anderen Worten: jede gesellschaftliche Gruppe, mag sie nun Kaste, Stand oder Klasse heißen, entsteht nicht nur durch die Einflüsse des Berufs und der wirtschaftlichen Lage, sondern ebensosehr durch die verwandtschaftliche Verbindung, die, wenn auch stufenweise verschieden, doch selbst Millionen aneinander fesselt. Es ist ein wesentliches Merkmal der Klasse, daß die ihr angehörigen Söhne und Töchter vorwiegend untereinander heiraten und dadurch immer wieder zur Stärkung des Klassenbewußtseins beitragen.
Als einfache Lebensbeobachtungen mögen dies Binsenwahrheiten sein, aber in den systematischen Darstellungen der Soziologie sucht man vergebens nach ihrer Würdigung und den daraus zu ziehenden Folgerungen;