Handbuch der praktischen Genealogie/357

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
<<<Vorherige Seite
[356]
Nächste Seite>>>
[358]
Datei:Handbuch der praktischen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



      Mit den Rechten der Dynasten im späteren Mittelalter stand es überhaupt nicht ganz klar. Schon unter Barbarossa war der hohe Adel in Bezug auf seine verfassungsrechtliche Stellung formell gespalten worden: der Kaiser schied einige Familien aus, deren Chefs künftig als Fürsten galten, und zwar so, daß nur der Fürst war, der selbst oder dessen direkter Vorfahr dazu vom Kaiser gemacht worden. Aber schon Kaiser Friedrich II. stellte diesen Fürsten in Bezug auf ihre landesherrlichen Befugnisse (und das war das wichtigste) alle anderen gleich, die über ein reichsunmittelbares Territorium verfügten, während gleichzeitig unter den Fürsten eine weitere staatsrechtlich bedeutsame Auslese sich vorbereitete: die Kurfürsten konzentrierten auf sich Rechte, die nicht allen Fürsten zukamen.

      Überall wurde mehr und mehr die besondere Rechtslage der Familie, die man anfing sich durch ihren Chef repräsentiert zu denken, abhängig gemacht von den besonderen Verhältnissen ihres Territoriums: die fürstliche oder die reichsunmittelbare Stellung übertrug sich gewissermaßen auf den Gebietskomplex, der einer Familie zur Grundlage ihrer Stellung diente. Das hatte zur Folge, daß man schon Ende des Mittelalters es möglich fand, den Erwerber eines reichsunmittelbaren Gebietes selbst als reichsunmittelbar, eines reichsständischen Gebietes als reichsständisch anzusehen: ein weiterer bedeutsamer Schritt heraus aus dem alten Kastengeist des vorstaufischen Adels. Damit wurde dann die Auffassung langsam vorbereitet, daß man einem Mann irgend einen Titel geben könne, ohne ihn in die Rechtslage zu versetzen, die im allgemeinen mit dem Innehaben solcher Titel verknüpft schien. Die Entwicklung des Titelverleihungsrechts zu seiner heutigen Blüte gehört der neuen Zeit an, aber die Anfänge reichen in das 14. Jahrhundert zurück.

      Wie der Kaiser Karl IV. zuerst darauf gekommen sein kann, einen Menschen, der nicht Ritter noch von ritterlichem Stamme war, aus kaiserlicher Machtvollkommenheit für adelig zu erklären, ist bisher noch nie untersucht worden. Jedenfalls war dadurch der bereits bestehende Ritteradel gezwungen, sich über seine besondere Rechtslage Rechenschaft zu geben. Gesetzliche Voraussetzungen über Zugehörigkeit zum Adel waren nie aufgestellt worden. Der Abschluß hatte sich gesellschaftlich so vollzogen, daß man im allgemeinen alle als zugehörig zum Adel ansah, die väterlicher- und mütterlicherseits von ritterlich gebornen und erzogenen Eltern stammten. Ausnahmsweise nahm man wohl immer noch Nichtadelige auf; und eine strenge Ebenburtsregel bildete sich nicht aus. Aber im allgemeinen war doch Herkunft aus ritterlichem „Blute" bereits im 13. Jahrhundert, was die ritterliche Gesellschaft von denen voraussetzte, die sie als adelig anerkannte. Man verlangte in Zweifelfällen vier ritterliche Ahnen. Nun griff der Kaiser ein!

      Die älteren, nie geadelten, lediglich durch die Macht der Verhältnisse in das Rittertum hineingeführten Familien (Ritterschlag war nicht absolut notwendig; Herkunft aus ritterlicher Familie genügte) wehrten sich im Mittelalter merkwürdigerweise gar nicht gegen den neuen Briefadel, aber sie schlossen sich nun wenigstens gesellschaftlich gegen Kreise ab, die nicht