Handbuch der praktischen Genealogie/352
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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dieser Herr ein Herzog oder Erzbischof oder der König selber war — durchzusetzen. Diese Ministerialen waren ihrer Lage nach durchaus geeignet, den Grundstock eines neuen Standes von Ritterfamilien zu bilden.
Die Entstehung des niederen Adels im 12. und 13. Jahrhundert ist nun dadurch erfolgt, daß einmal diese Dienstmannenfamilien alle, wer auch immer ihr Herr war und wie auch immer ihr Ministerialenrecht aussehen mochte, zu einer Standesklasse mit besonderen gleichen Rechten verschmolzen; und zwar zunächst nur dadurch — aber das war eben eine ungeheure Umwälzung —, daß man sie alle unter das Lehnrecht stellte. Ihre Besitzungen mochten Eigen- oder Amtsgut oder Leihgut des Herrn (sogenanntes Dienstlehen — unechtes Lehen) sein — danach wurde nicht mehr gefragt und unterschieden: im Moment, wo das allgemeine Lehnrecht auf sie angewendet wurde, fielen sie persönlich unter das Lehnrecht, bei dem das Hauptgewicht auf dem persönlichen ehrenvollen, rechtlich nicht deklassierenden Abhängigkeitsverhältnis zum Herrn lag. Ich habe gar keinen Zweifel, daß hierin das wichtige und entscheidende Moment zu sehen ist, und glaube, daß die ganze große rechtliche und wirtschaftliche Umwälzung, die — das ist keine Frage — im 12. Jahrhundert mit der Ausbildung des neuen Ritteradels eintrat, leichter verstanden und im einzelnen weiter klargelegt werden wird, wenn man erst allgemein von diesem Gesichtspunkt ausgeht.
Ein anderes Moment kommt aber hinzu. Als man die Ministerialen lehnsfähig machte, genügten sie ihrer Zahl nach schon nicht mehr für das schnell wachsende Bedürfnis der Magnaten nach gutsgesessenen Rittern. Man verwendete deshalb zu Rittern alle Leute, die man dazu brauchen konnte — sei es weil sie vermögend genug waren, d. h. Grundbesitz hatten, der groß genug war, daß sie vom Ertrag das teure Ritterleben sich leisten konnten; sei es, daß sie als Knechte und Besatzungsmannschaften die nötige Waffenfertigkeit besaßen: dann gab man ihnen den erforderlichen Grundbesitz (das ritterliche Subsistenzgut, wie ich es genannt habe) aus dem Schatz des eigenen Besitzes; vielfach, wenn nicht in der Regel, ungerodetes Land zur Fruktifikation. Und alle diese unorganisierten Leute verschiedener Herkunft wurden nun auch unter das Lehnrecht gestellt und traten dadurch auf dieselbe Stufe wie die Ministerialen, für die ihr besonderes Dienstrecht als das Mindere bald verblaßte und in Vergessenheit geriet.
Das alles ist natürlich nicht, wie man es heute machen würde, durch ein sauber paragraphiertes allgemeines Reichsgesetz geschehen, sondern man ging unmethodisch, ganz nach Bedürfnis vor. Tatsächlich finden sich schon im 12. und 13. Jahrhundert die größten Unterschiede unter den neuen Ritterfamilien. Den alten erprobten Ministerialengeschlechtern gab man gern noch recht viel Land zu dem, was sie bereits hatten, so daß manche von ihnen schon um 1200 selbst wieder Ritter als Lehnsleute unter sich haben konnten; um so besser für den Herrn, dem sie dann gleich ein kleines Aufgebot ins Feld mitbringen konnten. Solche mächtigen Dienstmannen dünkten sich natürlich mehr als die ärmeren Ritter. In Österreich bildeten sie wenigstens gesellschaftlich eine Sondergruppe, wurden bald Dienstherren