Handbuch der praktischen Genealogie/343
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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Unter den Merowingern war es selbstverständlich gewesen, daß der mächtige und reich dotierte Beamte Magnat blieb und seinen Reichtum behielt, wenn er auch sein Amt wechselte oder verlor (was bei den merowingischen Herzögen und Grafen oft vorkam). Karl der Große scheint es mit einem neuen System versucht zu haben — ganz genau sehen wir da nicht; denn gerade die bestimmtesten Verordnungen und Berichte sind mit Vorsicht zu behandeln: so völlig uniform und glatt können die Einrichtungen unter den mannigfaltig verschiedenen Verhältnissen des ungeheuren Kaiserreichs nicht gewesen sein. Immerhin berechtigen mancherlei Nachrichten zu der Annahme, daß Kaiser Karl sich die Schöpfung, Sicherstellung und Behandlung einer machtvollen Beamtenaristokratie, die er brauchte, so ausgedacht hatte, daß er überall an und für sich reiche und einflußvolle Männer persönlich zu Grafen (dem höchsten Beamtenposten) ernannte. Der Graf war höchster königlicher Richter und militärischer Führer in einem Gau. Der Einfluß, den der Graf brauchte, um für den König im Gau zu gebieten, sollte ihm gesichert werden durch Besitzungen, die ihm als Amtsdotation gegeben wurden. Dadurch, daß man zu solchen Grafen die Männer gerade ernannte, die so wie so mächtig, angesehen und reich an Grundbesitz waren, und zwar womöglich in ihrem Gau selbst, wurden gerade die Elemente in den Dienst der Krone hineingezogen, mit denen man schwer hätte fertig werden können, wenn man ihnen einen reinen Amtsgrafen in ihren Heimatsgau setzte. Man brauchte nun niemand mehr mit soviel Macht auszustatten, daß er über ihnen, den an und für sich schon Mächtigen im Lande, stand. Man machte die selbst zu den höchsten Beamten. Es lag darin entschieden theoretisch-staatsmännisch ein Fortschritt dem merowingischen Zeitalter gegenüber, das erfüllt gewesen war von Kämpfen der oft versetzten königlichen Herzöge und Grafen mit Großen des gräflichen oder herzoglichen Amtsbezirks. Eine Kontrolle der in dieser Weise außerordentlich gut ausgestatteten gräflichen Reichsbeamten wurde eingerichtet. Besondere zu diesem Zweck eigens delegierte Machthaber, die Kammerboten, die wieder aus den allermächtigsten weltlichen und geistlichen Großen ausgewählt wurden, sollten eine Oberaufsicht durchführen.
Die Kehrseite dieser Einrichtung war, daß es nun sehr schwer wurde, überhaupt einen Grafen abzusetzen. Der Graf war ja der Mächtigste in seinem Gau; schickte man ihn unfreiwillig auf seine Güter in den Ruhestand, wie dann einen Nachfolger finden, der dem unzufriedenen Abgesetzten überlegen gewesen wäre? In der Tat hören wir viel von Klagen über Mißregierung und Gewalttaten der Grafen und wenig von einem energischen Einschreiten der Krone durch Kammerboten oder den König selbst. Und schon bald nach dem Tode Karls des Großen ist es klar, daß der Posten eines Grafen — dem Sinn und Zweck der Einrichtung ganz zuwider — erblich in einer Familie bleibt; und das Gegengewicht der Missi verschwindet schon im 9. Jahrhundert.
Die karolingische als reiner Amtsadel gedachte Aristokratie ist auf diesem nicht vorhergesehenen und doch so natürlichen Wege sehr schnell