Handbuch der praktischen Genealogie/047

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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      Betrachten wir die Nachkommenschaft einer Person, und nehmen wir an, daß jeder Mensch im Durchschnitt, die Menschen ohne Nachkommenschaft sind da schon eingerechnet, je zwei lebensfähige, fortpflanzungsfähige Nachkommen hinterläßt, die ihrerseits natürlich wieder je zwei Nachkommen am Leben lassen — in Wirklichkeit ist natürlich diese Zahl, besonders bei günstigen hygienischen, sittlichen und sozialen Verhältnissen viel größer — so werden wir nach dem Gesetze der geometrischen Progression bald zu ungeheuren Zahlen kommen.

      Rechnen wir die Generation zu 30 Jahren, so wird der supponierte Stammvater, wenn wir einen Menschen aus der Zeit Christi als Beispiel annehmen, im Jahre 30 zwei Kinder haben, im Jahre 60 vier Enkel, im Jahre 90 acht Urenkel usf. Im Jahre 990, also 33 Generationen später, müßte er schon 233[GWR 1] Nachkommen haben, im Jahre 1880 also 266, das wären ungefähr 300 Billionen × 1 Million × 1 Million Deszendenten. Nun ist es ganz klar, daß es nie so viele Menschen gab, auch nie so viele geben kann, andererseits lehrt die vielfältige Erfahrung, daß eine Zahl von zwei Kindern weit unter dem Durchschnitt bleibt. Es taucht hier das Problem auf, das einem russischen Gelehrten so viel Kopfzerbrechen machte: Er sagte, jeder Stör legt unleugbar jedes Jahr Millionen Eier; wenn nur ein geringer Bruchteil davon zu ausgewachsenen Tieren wird, und diese in der Progression fortschreitend weiter laichen, müßte schon längst das ganze Schwarze Meer in einen Berg von Kaviar verwandelt sein. Warum geschah dies nicht?

      Ebenso stellt sich das Problem beim Menschen. Der scheinbare Widerspruch zwischen der ungeheuren theoretischen Nachkommenzahl und der beim heutigen Bevölkerungsstand der Erde höchstmöglichen erklärt sich durch folgende Erscheinung. Es muß einmal der Fall eintreten, daß Personen, die von dem gemeinsamen Stammvater abstammen, einander ehelichen. Je mehr wir uns vom Stammvater entfernen, je größer die Zahl seiner Nachkommen wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Personen, die miteinander in geschlechtliche Verbindung treten, schon durch ihre gemeinsame Abstammung von dem Ahnherrn miteinander verwandt sind. Die Nachkommen dieser Verbindung erscheinen dann zweimal in der Deszendenztafel des Stammvaters, da sie von ihm doppelt abstammen. Je weiter wir uns vom Ahnherrn entfernten, um so häufiger werden dann die Verwandtenehen, so daß dann einzelne Personen immer öfter, zum Schluß hunderte und tausende Male als Nachkommen des betreffenden Ahnherrn erscheinen. So erklärt sich dann die theoretisch große Zahl. Der Zeitgenosse Christi hat heute eine unfaßbar große Zahl Nachkommen, aber das sind nicht lauter von einander verschiedene Personen, sondern einzelne Personen erscheinen tausende Male auf dieser Deszendenztafel.

      Ähnlich wirkt dieses Phänomen, das wir Implex nennen wollen, bei der Ahnentafel. Auch hier finden wir umgekehrt, daß bald die sich stets verdoppelnde theoretische Ahnenzahl nicht mehr lauter verschiedene Personen als Ahnen zuläßt. Auch hier stoßen wir auf die Wirkung der Heiraten von


Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)

  1. Druckfehler in Textvorlage: 233 statt 233