Handbuch der praktischen Genealogie/013

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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ihn tendenziöse Skribenten des 17. und 18. Jahrhunderts beglückt haben, durchwandern zu müssen; und es mag die Klage Roths von Schreckenstein nicht unbegründet sein, daß viele Leute eitle Sagengeschichte der Wahrheit vorziehen und es übelnehmen, wenn man sie darauf aufmerksam macht, daß ihre mit Vor- und Zunamen, zuweilen auch mit Wappen ausgerüsteten Vorfahren, die in Werken der genannten Art dem 12., 11., wohl gar dem 10. Jahrhundert zugewiesen werden, völlig aus der Luft gegriffen sind.[1] Es muß nachdrücklich betont werden, daß in allen auf genealogische Buchliteratur bezüglichen Angelegenheiten der neuere und neueste Darsteller fast stets eine größere Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen kann als der alte, wenn man von demselben eine gewissenhafte Arbeitsweise voraussetzen darf, weil das heute zur Verfügung stehende urkundliche Material in genealogischen Dingen erheblich größer ist als dasjenige, welches selbst den besten Schriftstellern älterer Zeit vorgelegen hat.

      Gerade die Genealogien sind von jeher ein wahrer Tummelplatz teils sagenhafter, teils ganz bewußt erfundener Fälschung gewesen. Familien- und Nationaleitelkeit haben in der Zurückführung der Stammbäume auf Heroen und Helden das Unglaublichste geleistet. Der Wunsch, lückenlose Ahnenreihen zu besitzen, das Bestreben der Gelehrten, unbestimmte Verwandtschaftsbeziehungen sicherzustellen und recht vollständige genealogische Linien zu gewinnen, sind kaum minder verhängnisvoll geworden. Als ein Beispiel großer Entstellung der tatsächlichen Überlieferung können die fränkischen Königslisten angeführt werden, welche Joh. Hübner in seinen „Genealogischen Tabellen“ (1708, später öfter neu aufgelegt) veröffentlicht hat. Nicht selten suchte man genealogische Fälschungen durch gefälschte oder erfundene Quellennachweise zu unterstützen. Als ein Beispiel hierfür diene das genealogische Werk von Jérôme Vignier, La véritable origine des très-illustres maisons d'Alsace, de Lorraine, d'Autriche etc. 1649, worin der Vater der heiligen Odilia als Stammherr hingestellt und zum Nachweise angeblich vom Verfasser entdeckte Fragmente einer Biographie der Heiligen erfunden sind, vgl. Julien Havet, Questions mérovingiennes, in Bibliothèque de l'école des chartes 1885, Bd. XXXXVI, 261 ff.[2]

Turnierbücher

      Besonders bedürftig einer kritischen Nachprüfung sind die Angaben der Turnierbücher.[3] Daß in diesen namentlich in heraldischer Beziehung, wenn


  1. v. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie 1885, S. 558 ff.
  2. Bernheim, Lehrb. d. histor. Methode. 5. u. 6. Afl., S. 365.
  3. Hefner-Alteneck, J. H. v., Hans Burgkmaiers Turnierbuch (28 kolorierte T. mit Text). — Hans Burgmair des Jüngeren Turnierbuch von 1529 mit erklärendem Text, hrsg. von Heinrich Pallmann, Leipzig 1911. — Freydal, Des Kaisers Maximilian I. Turniere u. Mummereien, hrsg. v. Quirin von Leitner. Wien 1880—82 (vgl. MAW 1881 Nr. 3, S. 10). — Clamorinus, Barthol., Thurnierbüchlein, darinnen 36 Thurnier sind gehalten worden u. sampt Register vber 360 Deutsche vom Adel, wie sie in alten Thurnieren vor 700 Jahren gefunden werden. Dresden 1591. — Der sächsischen Kurfürsten Turnierbücher, hrsg. v. Erich Haenel, Frankfurt a. M. 1910 (Festschr. d. V. f. historische Waffenku. in seiner Hauptvers, in Coburg), vgl. auch Erich Haenel, Das Turnier am sächsischen Hofe im 16. Jht. Vortrag auf der Hauptvers. d. V. f. historische Waffenku. in Nürnberg 1906, Sonntagsbeil. d. Dresdner Anz. 1906, 31,32,33. — Vgl. auch: Nachrichten ü. d. Turniere zu Würzburg u. Bamberg in d. J. 1479 u. 1486. Wurzburg 1867. — Über Rüxner, dessen Turnierbuch; Simmern 1527, 1530, 1532 f. u. oft erschien, vgl. Roth v. Schreckenstein, Ritterwürde u. Ritterstand, S. 619; Wachler, Gesch. d. histor. Wftn. I, 304 f. — Appendix Joannia Hollandi et Jacobi Pütrichli rythmi saec. XV de familiis Bojoariae quae ludis equestribus (vulgo Torneamentis) interfuerunt ex MSS editi praemissis illarum ex iisdem MSS scutis gentiliciis in: Raymundi Duellii, Excerptorum General. Histor., Leipzig 1725, S. 249 ff. Johann Hollandt v. Eykhenfelden war „bayrischer Ehrenhold zu Zeiten Herzog Ludwigs v. Bayern, Grafen zu Martani". — Bellica progymnasmata duce Joachimo, S. R. d. Marchione Brandenb., et Heinrico Magnopolitano duce Novirupini celebrata et a P. Vigilantio latinitati donata Frankf. a. O. (Hochtrabende Beschr. e. zu Neuruppin v. obigen Fürsten 1512 gehaltenen Turniers. Mit Benennung aller Teilnehmer). — Turnierbuch Herzog Wilhelms IV. v. Bayern (1510—45) nach d. Originale der Kgl. Staatsbibl., hrsg. v. Schlichtegroll u. Sennefelder, München 1817. — Turnier bei Hochzeit des Churprinzen 1722. Von solchen im Turnierhaus zu München gehaltenen Hoffesten, sog. Turnieren, gibt es e. große Anzahl von Separatbroschüren v. 1717—63. Vgl. auch v. Gumpenberg, Die Gumpenberger auf Turnieren, 1862.