Geschichte der adligen Familie von Stommel/23

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Geschichte der adligen Familie von Stommel
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Anmerkungen zu der Stammtafel der hessischen Linie D.

      Das Ende des 14. Jahrhunderts war wichtig für die Gestaltung Deutschlands. Unter den heftigsten Zuckungen wurde eine neue Verfassung geboren. Die Anarchie, welche schon unter Karl IV. begonnen hatte, schien unter dem faulen Wenzel bis zur Unheilbarkeit gesteigert. Fürsten standen gegen Fürsten, die Städte gegen den Adel, Bürger gegen Bürger; alle gegen die Ordnung. Ueberall herrschte das wildeste Faustrecht. Jeder wollte Autonomie, jeder für andere Zwecke, jeder mit Gewalt. So viel Parteiungen, so viel Waffengesellschaften; überall Zersplitterung, überall Ohnmacht. Alle Mittel zur Verbesserung schienen unwirksam; Landfrieden folgte auf Landfrieden, keiner wurde gehalten.

      Ganz besonders lag Nassau in Wirren. Dort herrschten die Grafen in mehreren Linien. In jeder Linie war tödtlicher Hader. Im Hadamarschen bemühte man sich den Successionsstreit durch Brand, Mord und Plünderung zu Schlichten. Im Bielsteinschen stand Heinrich II. gegen Reinhard von Westerburg und Diederich von Runkel wegen Gerechtsame auf dem Westerwald unter den Waffen. In Nassau-Dillenburg kämpfte Johann I. der unermüdliche Feind Hessens seinen fast 50jährigen Kampf wegen Dierdorf, Itter und Hermannstein. Er hat für unsere Familiengeschichte besondere Bedeutung, weil sein Wirken Conrad, dem Sohne Rudolf's von Stommel, zur Stiftung einer neuen Linie Anlaß gab, die von einem armen Schildknappen aus sich zur Reichsunmittelbarkeit erhob und bald durch viele gräfliche und fürstliche Familien verzweigte.

      Johann I. war ein scharfsichtiger Mann, der seine Zeit zu benutzen verstand. Er wußte, daß er es mit einem mächtigen Gegner zu thun habe, und daß er große Kräfte sammeln müsse, um sein Recht zu verfechten. Ihm entging es nicht, daß die zahllosen Waffengesellschaften, welche in dem westlichen Deutschland bestanden, und von denen manche 2000 Ritter zählten, einen Fürsten, der sie zu gewinnen und zu behandeln verstehe, allmächtig machen könnten. Er nahm sich daher vor, soviele wie möglich davon für seine Interessen zu gewinnen, und wählte zu diesem Ende häufig, besonders im Winter seinen Wohnsitz zu Köln. Hier wußte Johann seine Männer an sich zu fesseln, und schloß namentlich mit dem mächtigen Bannerherrn Hilger von der Stessen, dem reichsten Manne seiner Zeit, der ein außergewöhnlich zahlreiches Gefolge besaß, ein enges Freundschaftsbündniß, welches in dem vielbewegten Leben beider Männer durch wechselseitige, wichtige Dienstleistungen sich mehrfach erprobte. Bei Gelegenheit eines solchen Dienstes, welchen Hilger dem Johann erzeigte, trug sich eine Begebenheit zu, welche für die Gestaltung der Verhältnisse des Stammvaters unserer Linie von dem bedeutendsten Einflusse war. Wir wollen den Hergang hauptsächlich nach den Briefen erzählen, welche Johann 1396 zur Vertheidigung Hilgers an die Stadt Köln schrieb.

      Es war gegen 1370, als Hilger von der Stessen auf die Aufforderung Johann's, welcher zurückkehrend aus der Westerburger Gefangenschaft sein Land von den Hessen besetzt gefunden und nach allen Seiten Boten an seine Freunde mit der Aufforderung zum Beistande gesandt hatte, mit seinem ganzen Gefolge an Rittern und Knappen gen Dillenburg aufbrach. Zu den letzteren gehörte auch Conrad von Stommel. Er war, um sich die Ritterspornen zu erringen, bei Hilger seinem Anverwandten in Dienste getreten, da sein Vater Rolf durch seine unglücklichen Fehden mit dem Erzbischof von Köln und den Dynasten von Reiferscheit sein Vemögen eingebüßt und nur dem Aeltestgeborenen ein geringes verschuldetes Besitzthum, unserm Conrad aber und den übrigen Kindern nichts als ihre persönlichen Tugenden hinterlassen hatte.

      Als die Reisigen die Höhen des Westerwaldes hinunterstiegen, wurde ihnen die Kunde, daß ein des Weges ziehender Ritter und dessen Gefolge von Raubrittern überfallen und überwältigt sei. Die Frevelthat entflammte den Zorn der Kölner. Die Räuber waren bald eingeholt und es entspann sich ein Kampf, dessen Entscheidung bei der Zahl der Gegner, welche überdieß schlau ihre Gefangenen als Deckung benutzten, lange schwankte, bis Conrad von Stommel muthig kühn ihre Reihen durchbrach, und sich mitten in den feindlichen Haufen stürzte. Alle Schwerter richteten sich gegen den Verwegenen. Ehe er aber der Uebermacht erlag, waren die Gefährten, die entstandene Lücke benutzend, ihm zur Seite. Nach kurzer verzweifelter Gegenwehr waren die Räuber zersprengt, die meisten erschlagen; nur der Hauptanführer, der berüchtigte Robert Unampfig mit wenigen Gesellen entkam durch die Flucht.

      Conrad von Stommel verdankte man den Sieg; das erkannten Alle, aber am meisten die Geretteten, Ritter Johann von Löhnberg und sein Gefolge. Diese wünschten ihrem Retter zu vergelten und Johann lud ihn deshalb zu sich auf seine Burg bei Siegen. Johann war der letzte seines Namens; eine einzige Tochter, derentwegen er sich Roberts Haß zugezogen zu haben scheint, war die Erbin seiner ziemlich ansehnlichen Güter. Bei ihm finden wir im folgenden Jahre unsern Conrad von Stommel wieder. Die Persönlichkeit und das biedere Wesen des Jünglings fanden hier volle Aufnahme, sie erwarben ihm das Vertrauen des Ritters und die Hand der Tochter. Conrad wurde durch sie Herr zu Lindheim und Gelenhausen und dadurch Mitglied der reichsunmittelbaren Ritterschaft in Hessen und in der Wetterau. Es scheint, daß er hiermit auch aus Dankbarkeit oder sonstigen Rücksichten die Pflicht übernommen hat, statt seines angestammten, das Wappen seiner Frau, einen Triangel, zu führen, welches er bei seinem Eintritt in den Sternenbund durch den goldenen Stern vermehrte. Eigenthümlich ist dabei, daß er und seine Nachkommen nur bei der hessischen und Reichs-Ritterschaft mit dem Triangel aufgeschworen sind, bei den westphälischen und rheinischen Aufschwörungen dagegen stets das Rosenkreuz führen.

      Conrad zeugte drei Söhne. Von diesen legten sich zwei, Gottfried und Herrmann auf die Wissenschaften. Gottfried bekleidete eine Menge für seine Zeit sehr wichtige Aemter. Er war gegen 1410 Canonicus und 1415 Dechant zum h. Stephan in Mainz, Canonicus zu unsrer l. Frau ad gradus daselbst, Pronotarius und oberster Richter, judex generalis, des Stifts Mainz. Im Jahr 1428 ernannte ihn Kaiser Conrad III. zum Commissar für die zu sammelnden Geldunterstützungen gegen die abtrünnigen Böhmen. Er starb den 12. Mai 1436 und wurde vor dem St. Johannis-Altar in der Stephan's Kirche begraben. Sein Grabstein liegt jetzt seit der Umpflasterung der Kirche am nordwestlichen Aufgange auf den Kirchhof und zeigt noch die Wappen seines Vaters, das Rosenkreuz, und seiner Mutter, den Triangel. Sein Bildniß hing in der Pancratius Kapelle derselben Kirche, ist aber jetzt verschwunden. Ueber sein Leben vergleiche man Johannis rerum mogunt. tom. II. p. 556.