Deutsche und französische Kultur im Elsass/071

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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Bildunterschrift:
P. BRAUNAGEL: Strassburger Typus.

Eine Verfolgung der gelehrten Bildung als solcher, wie sie in Frankreich bei Gelegenheit des Dreyfushandels in der Verfehmung der „intellectuels" hervorgetreten ist, wäre in Deutschland undenkbar. Der Einfluss der schulmässigen Geistesbildung auf die Wirtschaft ist nicht minder beträchtlich. Zunächst ist ihr der hohe Stand der Wissenschaft zu gute gekommen, zu dem die Schulbildung ja viel beigetragen hat. Ferner lag es nahe, dass bei der vortrefflichen Einrichtung des allgemeinen Schulwesens auch die landwirtschaftlichen, gewerblichen und technischen Schulen und vor allem die technischen Hochschulen zu hoher Blüte gelangten. Endlich hat die gute Volksschulbildung der Arbeiter und die höhere allgemeine Bildung zahlreicher Unternehmer auch einen unbestreitbaren aber schwer zu bestimmenden Anteil an der wirtschaftlichen Entwickelung Deutschlands gehabt. Ja, man ist soweit gegangen, auch die kriegerischen Erfolge der preussisch-deutschen Armee zu einem erheblichen Teil auf die gute Schulbildung der Bevölkerung zurückzuführen. Jedoch hat das Schlagwort, dass der preussische Schulmeister die Schlacht von Königgrätz gewonnen habe, heute sehr an Wirksamkeit eingebüsst. Eine Bedeutung der Schulbildung für die Tüchtigkeit der Armee lässt sich ja nicht verkennen. Besonders für das Offizierkorps wird sie auch von militärischen Autoritäten zugegeben. Aber die Erfolge der Jahre 1866 und 1870—71 ruhen so sehr auf wesentlich militärischen Voraussetzungen wie Heereseinrichtungen, Disziplin und Genialität der Führer, dass alle anderen Momente völlig zurücktreten. Das Schlagwort vom Schulmeister von Königgrätz entsprang aus Interessentenkreisen, die sich damit einen Teil des wesentlich den Politikern und Militärs zukommenden Verdienste an dem glänzenden Kriegserfolge zuschreiben wollten. Nur so viel lässt sich sagen, dass die Geistesbildung und die militärischen Erfolge der Deutschen gemeinsam aus gewissen deutschen Charakterzügen und Kultureigenschaften, nämlich dem Gehorsam und der methodischen Schulung, entspringen.

Auch die soziale Bewegung in Deutschland, vor allem deren wichtigste Form, die Sozialdemokratie, hat diesen Einfluss schulmässiger Geistesbildung erfahren. Ihr Schöpfer, Karl Marx, war ein Philosoph, dem es in erster Linie um die philosophische Begründung seiner Bestrebungen zu thun war. Die Wertlehre und die materialistische Geschichtsauffassung, die beiden Grundpfeiler der Lehre, sind in der Hauptsache als wissenschaftliche Rechtfertigung der sozialdemokratischen Bewegung zu verstehen. Auch heute noch sind die Doktrinäre die „herrschende Klasse" in der deutschen Sozialdemokratie, und nur mühsam arbeitet sich eine mehr realpolitische Richtung zur Anerkennung durch. Endlich beruht auch das unerschütterliche Festhalten

Bildunterschrift:
A. KOERTTGÉ: Das "Kleine Frankreich" in Strassburg.