Deutsche und französische Kultur im Elsass/067

GenWiki - Digitale Bibliothek
Deutsche und französische Kultur im Elsass
Inhalt
<<<Vorherige Seite [066]	Nächste Seite>>> [068]
Datei:Kultur elsass.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

auf der Höhe der Zeit stehendes Ertragssteuersystem haben, und auch die Verkehrssteuern werden grosse Vorzüge vor der in Frankreich bestehenden Verkehrsbesteuerung besitzen. Allerdings fehlt noch eine wirkliche Personalbesteuerung wie in den übrigen deutschen Staaten. Einen gewissen Ersatz dafür bietet die ziemlich beträchtliche und auch den Erbgang in gerader Linie treffende Erbschaftssteuer. Auch auf dem Gebiet der allgemeinen Wohlfahrtspflege (Gesundheits-, Bau-, Feuerpolizei etc.), der Fürsorge für die Volkswirtschaft und endlich der Sozialpolitik im engeren Sinn hat die deutsche Verwaltung eine umfassende Thätigkeit entfaltet. Beschränken wir uns auf die Volkswirtschafts- und Sozialpolitik, so ist vor allem der Fürsorge für Handel und Verkehr zu gedenken. Alle Verkehrsanstalten erfuhren wesentliche Verbesserungen. Das Netz der seit der Annexion verstaatlichten Eisenbahn war schon im Jahr 1897 mehr als doppelt so gross wie im letzten Jahr der französischen Herrschaft, die Schiffahrtskanäle wurden vertieft und ihre Schleusen verlängert, die Reichspost entfaltete ihre von allen Kreisen der Bevölkerung anerkannte Thätigkeit. Eine besondere Sorgfalt widmet die Regierung der Landwirtschaft. Sie befördert und unterstützt die Bildung aller Arten von landwirtschaftlichen Genossenschaften, sie organisiert durch staatliche Lehrer den landwirtschaftlichen Unterricht und setzt durch staatliche Beamte die sogenannten Meliorationen (Be- und Entwässerungen von Ländereien) ins Werk. Sie sucht durch Landgestüte, Prämien und sonstige Massnahmen die Viehzucht zu heben, sie hat sogar ein allerdings noch kaum benutztes Flurbereinigungsgesetz erlassen und will der bäuerlichen Bevölkerung auch durch gerechtere Verteilung und Erleichterung der Grundsteuerlast zu Hülfe kommen.

In sozialpolitischer Hinsicht endlich ist die Einführung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich im Jahr 1889 sehr wichtig geworden. Die Vorschriften über die Sonntagsruhe in Gewerbe und Handel, Art der Lohnzahlung, Arbeitszeugnisse, Beschäftigung minderjähriger Personen, besonders über die Fabrikarbeit der Kinder und Frauen, über Schutz gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeiter und über die Arbeitsordnungen in Fabriken haben sehr segensreich gewirkt, besonders da sie durch die Polizei und besondere Gewerbeinspektoren streng gehandhabt werden. Die grossen Arbeiterversicherungsgesetze gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter haben wie überall in Deutschland so auch im Elsass ihren wohlthätigen Einfluss auf die Verhältnisse der arbeitenden Klassen ausgeübt. Allerdings sind diese sozialpolitischen Massnahmen, wie es nach Lage der Gesetzgebung nicht anders möglich ist, nicht ein Werk der elsass-lothringischen Landesverwaltung, sondern der gesetzgebenden Faktoren des Reiches. Aber nichtsdestoweniger bilden sie höchst bezeichnende Bestandteile der politischen Kultur Deutschlands im Elsass.

So hat die deutsche Bureaukratie im Elsass mit besonnener Rücksichtnahme auf das bestehende Gute in fast allen Zweigen der Rechtspflege und Verwaltung wohlthätige Reformen durchgeführt. Besondere Anerkennung verdient die Staatsthätigkeit auf dem Gebiet der Justizorganisation, des Steuer- und Verkehrswesens.

Aber andererseits hat sie sich selbst ganz ausserordentliche Machtbefugnisse vorbehalten, und alle Institutionen, die

Bildunterschrift:

v. SEEBACH: Schweitzer des Strassburger Münsters