Aachen/Adressbuch 1938/Aachen 1937
Rückblick und Ausblick
- Von Prof. Dr. Will Hermanns, Direktor des Kur- und Werbeamtes[1]
(Seite 10) Aachen ist lange Jahre eine kranke Stadt gewesen. Die Folgen des Friedens von Versailles, der die Grenze bis fast vor die Tore der Stadt vorschob und das natürliche Hinterland eines Gemeinwesens von 150.000 Menschen zum Ausland machte; die Nachwirkungen der Geldentwertung, die Dutzende großer und kleiner Fabriken — darunter das Hüttenwerk Rothe Erde mit einer Friedensbelegschaft von rund 5.000 Mann - zum Erliegen brachte; die für das gesamte Wirtschaftsleben und namentlich auch für den Kurbetrieb des Bades Aachen verheerenden „Ergebnisse“ der Besatzungsjahre, insbesondere des Ruhrkriegs und der Separatistenputsche; all dies hatte die gewerbfleißige Grenzstadt an den Rand des Abgrundes gebracht. [...] Gewiß sind noch nicht alle Auswirkungen eines jahrelangen, jahrzehntelangen Siechtums bis ins letzte beseitigt; aber das kann man mit stolzer Befriedigung aussprechen: Aachen ist eine gesunde Stadt! Der Bericht über das eben verflossene Jahr zeigt, daß auch 1937 für die vormalige freie Reichs- und Krönungsstadt ein Jahr des Aufstiegs gewesen ist.
Bevölkerungsbewegung
Die Entwicklungslinie der Aachener Bevölkerungsbewegung zeigte im Jahre 1937 ein in jeder Beziehung normales Bild. Die Stadt hatte am Ende des Jahres 163.426 Einwohner gegenüber 164.026 am Ende des Vorjahres. Die geringe Abnahme der Bevölkerung ist lediglich auf eine Abwanderung in wirtschaftlich bevorzugtere Gaue Deutschlands, vor allem nach Mitteldeutschland, zurückzuführen. Daß die natürliche Bevölkerungsbewegung als solche nicht rückläufig ist, geht daraus hervor, daß auch im vergangenen Jahr die Zahl der Geburten die Zahl der Sterbefälle bedeutend überstieg, Es wurden im Jahre 1937 in Aachen 2351 Kinder geboren,während in der gleichen Zeit 1862 Sterbefälle gezählt wurden. Die Zahl der Lebendgeborenen entspricht einer Verhältniszahl von 14,4 auf 1000 Einwohner; die Zahl der Gestorbenen beträgt auf 1000 Einwohner berechnet 11,4. Es ist also im vergangenen Jahr ein Geburtenüberschuß von genau 3 auf 1000 Einwohner zu verzeichnen gewesen. Bemerkenswert ist vor allem, daß in Aachen die Säuglingssterblichkeit nicht unerheblich geringer war, als im Durchschnitt der deutschen Großstädte. Auf 100 Lebend- (Seite 12) geborene kamen dort 6,1 im ersten Lebensjahr Gestorbene, gegenüber 5,5 in Aachen.
1619 Ehen wurden im Jahre 1937 in Aachen geschlossen, das sind 10,0 auf 1000 Einwohner, Die Zahl der Ehe-schließungen hatte sich iin letzten Jahr nicht unerheblich vermehrt. Sie betrug im Jahre 1936 nur 1502, also 9,2 auf 1000 Einwohner.
Was den schon erwähnten Wanderungsverlust von 1099 Personen betrifft, so zogen im letzten Jahr insge-samt 14007 Personen von Aachen fort, während nur 12908 Personen zuzogen. Die Umzüge in der Stadt selbst (30221 Personen) machten einen außerordentlich großen Prozentsatz (18,4 %) der Bevölkerung aus, d.h. fast jeder fünfte Einwohner Aachens zog im Jahre 1937 einmal um.
Finanzwirtschaft der Stadt
Die Finanzwirtschaft der Stadt hat sich im letzten Jahr weiter günstig entwickelt. Während der Haushaltsvoranschlag 1936/1937 noch mit einem Fehlbedarf von RM 560.000.- rechnete, hat der wirkliche Rechnungsabschluß einen Überschuß von rund RM 20.500. - ergeben, nachdem vorab die Rücklagen erheblich verstärkt werden konnten. Der Haushaltsplan 1937 ist in Einnahme und Ausgabe ausgeglicben. Die Gesamtausgaben stellen sich, nach dem Haushaltsplan auf RM 39.731.500.- Von ihnen entfallen auf die
(Tabelle)
zur stiftungsmäßigen Verwendung stehen im Haushaltsjahr 1937/38 rund RM 192.000.- zur Verfügung.
Das Bestreben der Kämmereiverwaltung war auch im Jahre 1937 darauf gerichtet, bei sparsamster Wirtschaftsführung die Steuersätze möglichst niedrig zu halten. Der Gewerbesteuerhebesatz ist im Laufe des Jahres mit Rückwirkung ab 1. April 1937 von 300% auf 280% gesenkt worden. Die gesamten Steuereinnahmen betrugen (Seite 14)
- ↑ Politisch motivierte Aussagen wurden tws. gekürzt.