Aachen/Adressbuch 1938/100 Jahre Aachener Adressbücher

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Vom Rats- und Staats-Kalender zum Aachener Adreßbuch

Aachen im 18. Jahrhundert – Nach einem Kupferstich von Joh. Jos. Couven

(Seite 6) Das Jahr 1938 bringt ein Jubiläum: 100 Jahre Aachener Adreßbuch! Der Kaufmann, Unternehmer, Handwerker, Gewerbetreibende jeder Art von heute vermag es sich kaum vorzustellen, daß man also noch vor hundert Jahren ohne Adreßbuch auskommen konnte. Tatsächlich hat aber auch das gedruckte Einwohnerverzeichnis der Stadt von 1838 schon seine Vorgänger gehabt, kleine, schmale Büchlein, die zwar noch nicht allen selbständigen Aachenern die Ehre des Gedrucktwerdens erwiesen, aber doch den „oberen Hunderten", die als Beamte, Fabrikanten, Kaufleute, Geistliche usw. auf besondere Beachtung zählen durften. Einige Auskunft über führende Persönlichkeiten der Freien Reichsstadt Aachen bot schon der seit 1726 im Duodezformat 10 1/2 zu 5 cm in der Houbenschen Buchhandlung erschienene Taschenkalender, der sich hochtrabend genug „Des Königlichen Stuhls und Crönungs-Platz Kayserlicher Freyen Reichs-Stadt Aachen Sack-Kalender“ nennt. Wesentlich reicher ist das Adressenmaterial, das sich in den seit 1779 von dem Buchhändler Heinrich Dulje herausgegebenen, an Umfang etwas größeren Jahrbüchlein „Des Königlichen Stuhls und der Kaiserlichen freyen Reichs-Stadt Aachen Raths- und Staats-Kalender“ findet. Der Kalender erschien für die Jahre 1779—1794 sowie für 1798 und enthielt außer einem Verzeichnis sämtlicher weltlichen und kirchlichen Behörden die wohlgeordneten Anschriften aller Fabrikanten und Kaufleute von Aachen und Burtscheid.

Das in den letzten Jahren der französischen Fremdherrschaft — von 1809 bis 1813 — erschienene amtliche Jahrbuch „Annuaire du département de Ia Roer“, in statistischer Hinsicht eine reiche Fundgrube, beschränkte seine Adressenangaben gleichfalls auf die amtlichen Stellen. Es schloß sich darin seinen Vorgängern an, so dem „Kalender oder Politischen Taschenbuch für das 5te Jahr der Französischen Republik, herausgegeben zum Behufe der öffentlichen Beamten zwischen Maas, Rhein und Mosel“ (Aachen, 1796) oder dem „Kalender für das Ruhr-Departement auf das VII. Jahr der Franken-Republik mit historisch-statistischen Anmerkungen nebst vollständigem Namenverzeichnisse aller konstituirten Gewalten und öffentlichen Beamten" (Köln, 1798).

Titelblätter älterer Adressbücher

Der Sieg der demokratischen Ideen hatte der streng gebundenen Zunftwirtschaft ein Ende gemacht. Der (Seite 7) freie Wettbewerb war an ihre Stelle getreten und mit ihm das Bedürfnis nach Geschäftswerbung. Der Handel brauchte Anschriften von Bezugsquellen und Kundenschichten. Diesem ständig wachsenden Verlangen kam im Jahre 1820 der Vermessungskondukteur und Privat-lehrer Franz Ahn mit seinem bei M. Urlichs gedruckten „Jahrbuch für den Regierungsbezirk Aachen“ entgegen, das bis 1831 alljährlich erschien und u. a. neben einem Kalendarium das „Verzeichnis der administrativen Behörden und Beamten", der kirchlichen Dienststellen, der Ärzte und Apotheker sowie das „Adreßverzeichnis der im Regierungsbezirk Aachen wohnenden Kaufleute" enthielt. Die Anschriften, welche bis 1823, wie es im Vorwort zum Jahrbuch von 1824 heißt, „aus privat Quellen geschöpft“ wurden, konnten von diesem Jahre ab „auf offiziellem Wege verschafft“ und „von einsichtsvollen Kaufleuten durchgesehen“ werden.

Im Jahre 1830 scheint Ahn sich mit seinem Drucker Urlichs überworfen zu haben; das Jahrbuch für 1831 druckte Leuchtenrath. Urlichs aber trat mit einem eigenen „Verzeichnis aller im Regierungsbezirk Aachen wohnenden Kaufleute, Beamten und Geistlichen“ für 1831 auf den Plan und versicherte mit einem Seitenhieb auf den Konkurrenten: „Bei der Herausgabe dieses Werkes ist man bemüht gewesen, demselben den möglichsten Grad von Korrektheit und Vollständigkeit zu verleihen. Die flüchtigste Durchsicht wird zeigen, wie sehr gegenwärtiges Werkchen, im Ganzen so wie in allen einzelnen Theilen, sich vor ähnlichen Schriften auszeichnet,“ Aachen zählte damals „im Ganzen ungefähr 2700 Wohngebäude und die Einwohnerzahl beträgt nach der letzten Aufnahme gegen 34000 Seelen, welches im Durchschnitt mehr als 12 für jedes Haus ausmacht“. Im Jahre 1784 hatte die Stadt etwa 24 000 Einwohner gehabt, im Jahre 1812 rund 30000. Seit 1825 war die Zahl der Einwohner bei rund 35 000 stehen geblieben.

Urlichs' „Verzeichnis“ wurde im Jahre 1838 durch das erste „Adreßbuch oder Verzeichnis sämtlicher Einwohner der Stadt Aachen“, das im Verlag der J. A. Mayerschen Buchhandlung erschien, abgelöst. Es bot zum ersten Mal eine vollständige alphabetische Liste der selbständigen Bürger und schloß daran eine „Klassifikation der Bewohner“ nach ihren Berufen. Bemerkenswert ist, daß sich im Einwohnerverzeichnis auch „Bismarck, Leopold von, Referendar, Wirichs-bongard B 1281“ (heute Nr. 2) findet. Der spätere Reichsschmied — er hieß mit allen Vornamen Leopold Eduard Otto — verlebte damals bekanntlich in Bad Aachen eine recht fröhliche Ausbildungszeit, deren er sich noch im Alter gern erinnerte.

Das Mayersche allgemeine Adreßbuch scheint sich nicht eingebürgert zu haben. Jedenfalls stellt das einige Jahre später im gleichen Verlag erschienene, von einem Beamten der Stadt Aachen zusammengestellte „Adreßbuch von Aachen und Burtscheid“ einen Rückschritt zum bloßen „Namen- und Wohnungs-Verzeichniß der dasigen Geistlichen, Beamten, Kaufleute, Gewerbetreibenden, Rentner usw." dar. Es war auch nur als „Handbuch für Einheimische, Badegäste und Geschäftsreisende“ gedacht.

In Kaatzers Verlag erschien 1848 die erste Lieferung eines „„Adreßbuchs des Regierungsbezirks Aachen“, das auf breiterer Ebene das gleiche zu leisten unternahm. Zwei Jahre später aber kam im Verlag Ernst ter Meer das „Vollständigste Adreßbuch von Aachen und Burtscheid“ heraus, das wieder ein alphabetisch geordnetes Einwohnerverzeichnis, dazu aber noch ein Straßenverzeichnis mit Angabe der Häuser und ihrer Bewohner aufwies.

Im „Adreßbuch von Aachen und Burtscheid“ dagegen, das der Verlag Benrath und Vogelsang um 1855 herausgab, findet sich ein solches Straßenverzeichnis wieder nicht, wohl aber in dem von Nikolaus Schüren, „Sekretair des Königl. Gewerberathes der genannten Städte“, bearbeiteten „Adreßbuch für Aachen und Burtscheid“, das 1858 erstmalig im gleichen, Verlage erschien. Benrath und Vogelsang zeichnen in den sechziger und siebziger Jahren abwechselnd mit J. Stercken als Verleger des Aachener Adreßbuchs, dessen Druck seit 1863 J. Stercken besorgt. Das Format des Buches hat sich inzwischen vom zierlichen Duodez der „Raths- und Staats-Kalender“ über das bescheidene Oktav des Mayerschen „Adreßbuchs“ von 1838 zum gewichtigen Quart, und der Umfang vom dünnen Heft zum zweifingerdicken Band entwickelt — entsprechend der Einwohnerzahl, die von 34000 im Jahre 1830 auf rund 80000 im Jahre 1875 gestiegen war.

Bis 1921 blieb J. Stercken Herausgeber und Drucker des Aachener Adreßbuchs, dann ging der Verlag auf die Verlagsgesellschaft „Aquensia“ über, die den Band 1922 herausgab. Das Ruhrkriegsjahr blieb adreßbuchlos. Von 1924/25 ab zeichnet dann die Deutsche Adreßbuch G.m.b.H. August Scherl als Verlegerin des Aachener Adreßbuchs, das es nach der hier entworfenen Lebensskizze nicht leicht gehabt hat, zu seiner heutigen Höhe (und Dicke!) aufzusteigen.

Will Hermanns.