Tierwelt des Memellandes

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Karte des Memellandes, seiner Kreise und Kirchspiele während der Abtrennungszeit 1920-1939

Jagdtiere

Die Felder und Wälder des Memelgebietes werden von zahlreichen Tieren belebt. In den großen Forsten können wir auf Schritt und Tritt Rehe und Hasen beobachten. In der Schreitlaugker Forst ist sogar der König der Wälder, der Hirsch, zu finden. Auch Dachse und Füchse kommen hier und dort recht häufig vor. In strengen Wintern ließ sich aus den weiten russischen Wäldern auch in den letzten Jahrzehnten der Wolf noch hin und wieder blicken. In der Regel pflegte ihm das schlecht zu bekommen. Sehr gerne stellt der Jäger auch Iltissen und Mardern nach, und an den Ufern des Stromes gelingt es ihm manchmal, auch einen Fischotter zu erlegen.

Der Elch

Elch

Das interessanteste Wild des Memelgebietes ist der Elch. Seinen Hauptstandort hat er zwar nicht hier. Die meisten elentiere kommen noch (etwa 500) in den Bruchwäldern Ostpreußens, so auch in dem benachbarten, früher zum Kreise Heydekrug gehörigen Ibenhorst, vor; von da aus unternehmen sie Wanderungen und wechseln recht häufig in unser Gebiet herüber. Dabei werden die Flüsse ohne Schwierigkeiten durchschwommen; ja, sogar das Haff stellt ihnen kein unüberwindbares Hindernis dar. Wird der Elch im Sommer von Bremsen und Stechfliegen geplagt, so begiebt er sich nur zu gerne ins Wasser oder legt sich in die Moorpfützen, um sich der Plagegeister zu erwehren. Auf dem Moore schreitet er ganz sicher einher, da die tiefgespaltenen Hufe das Einsinken des Riesenkörpers verhindern. Dem Menschen geht er scheu aus dem Wege; nur zur Brunftzeit kann er gefährlich werden. Durch sein eigentümliches Aussehen, seinen großen Kopf mit der gebogenen Nase und dem mchtigen Schaufelgeweih, vermag er einen jeden beim unerwarteten Auftreten in Angst und Schrecken zu jagen. Das Tier nährt sich von Gras und besonders von der Rindeund den jungen Zweigen der Bäume. Es besucht auch die naheliegenden Saat- und Rübenfelder und richtet hier oft großen Schaden an. Trotzdem wird aber der Elch als ältestes lebendes Naturdenkmal gehegt und gepflegt, und sein Abschuß ist neuerdings auch im Memelgebiete verboten worden.

Vogelwelt

Recht interessant ist auch die Vogelwelt im Memelgebiet. Von jagdbaren Vögeln treffen wir in den Wäldern des Kreises Pogegen den Auerhahn an. Daneben gibt es noch zahlreiches Birkwild. Dieses ist so ziemlich über das ganze Gebiet verbreitet und läßt sich auch in den Buschwaldungen der großen Moore beobachten. Sonst finden wir außer den sehr zahlreich vertretenen bekannten Singvögeln, wie Buchfink, Stieglitz, Zeisig, Hänfling usw., die verschiedensten Spechtarten (Bunt-, Schwar- und Grünspecht) und Falken, so Fischadler, Bussard, Hühnerhabicht, Sperber usw. In den Wäldern und Feldern treiben auch die Eichelhäher, Elstern und Würger ihr Unwesen, und auf dem Haff kann man oft den Reiher beim Fischhandwerk beobachten. Wer im Sommer durch die feuchten Moorwiesen des Gebietes wandert, der wird bald von recht vielen ängstlich schreienden Vögeln umflattert werden; das sind die Kronenschnepfen und Bekassinen oder Sumpfschnepfen. Die letzteren werden auch Himmelsziegen genannt. Das Männchen läßt sich nämlich zur Paarungszeit aus ziemlicher Höhe herabfallen, wobei die Schwanzfedern in zitternde und schnurrende Bewegung geraten und einen Ton erzeugen, der an das Meckern der Ziege erinnert.

Im Frühjahr und im Herbst bringt der Vogelzug selbst dem Vogelkundigen manche Überraschung; gilt doch in erster Reihe die Nehrung als beliebte Vogelzugstraße. Dann sieht man die geordneten Scharen der wilden Gänse, Kraniche und Schwäne, und sobald es im Herbste anfängt, etwas kälter zu werden, wird das Memelgebiet von ganzen Schwärmen, bestehend aus kleinen Goldhähnchen, eigenartigen Seidenschwänzen, farbenprächtigen Gimpeln und allerlei Meisen (Kohl-, Grau-, Blau-, Sumpf-, Schwanz- und Lasurmeise), überfallen. Unter ihnen läßt sich auch der zu den Rabenvögeln gehörige Tannenhäher blicken. Fast alle diese Vögel wohnen im hohen Norden und haben dort die Schlechtigkeit der Menschen wenig kennen gelernt; sie zeigen sich deshalb hier ziemlich zutraulich, verstehen sich nicht recht zu benehmen und kommen häufig durch die geöffneten Fenster in die Wohnstuben herein. Endlich kann man hier im Winter auch hin und wieder Schneeulen, Schneeammern und das schwedische Blaukehlchen beobachten.

Fische

Kurische Fischerfrau auf dem Memeler Fischmarkt.

In den zahlreichen Gewässern des Memelgebietes finden wir die verschiedensten Fische, und diese bilden hier eine reiche Nahrungsquelle.

Fast den ganzen Sommer hindurch wird auf den Fichmärkten die Flunder feilgeboten. Dieser Fisch wird in der Ostsee in großen Mengen gefangen. Dort ruht er als Plattfisch auf dem Meeresgrunde, halb im Sande versteckt und versteht es, sich in seiner Farbe der Umgebung anzupassen, so daß Feinde und Beute ihn nur schwer erkennen können. Bommelsvitter und Mellneragger Fischer fahren mit ihren Motor- und Segelkuttern hinaus, um ihn mit großen Zugnetzen zu fangen.

Mit Angeln und Netzen fängt man auch den dickköpfigen Dorsch; dieser hat im Frühjahr besonders festes Fleisch; er kommt ebenso wie die Flunder frisch und geräuchert in den Handel. In andern Ländern wird der Dorsch getrocknet und dann Klippfisch genannt. Aus seinem Rogen gewinnt man Kaviar und aus der Leber Lebertran.

Zu den geschätztesten Seefischen gehören Aale und Lachs. Der Aal laicht auf der hohen See, wo das Meer bis zu 1000 m tief ist. Sein Rogen ist so klein, daß er mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen ist; weshalb man auch glaubte, daß er sich nur durch lebendige Junge vermehre. Die jungen Aale sind fast durchsichtig und werden deshalb Glasaale genannt. In dichten Zügen wälzen sie sich zu Millionen und aber Millionen den Flußmündungen zu, dringen bei uns durch das Haff und schwimmen die Ströme hinauf. Hier halten sie sich etwa 10-12 Jahre auf, um dann in dunklen, stürmischen Nächten wieder zur Hochsee zu ziehen, um dort zu laichen. Dabei werden sie mit Reusen und Netzen, Angeln und Schnüren gefangen. Der Aal wird gekocht, geräuchert und mariniert; sein Fleisch ist sehr fett und schwer verdaulich. Dieser Fisch ist sehr schwer zu töten. Sein Blut ist giftig und darf nicht in offene Wunden gelangen. Während der Aal aus den Flüssen zum Laichen ins Meer zieht, wandert der Lachs die Flüsse bis zu den Quellen hinauf. Sein Rogen braucht reines, klares Wasser. Dabei überspringt er 3-4 m hohe Wasserfälle und bleibt monatelang ohne Nahrung. Früher wurde er hier so reichlich gefangen, daß die Dienstboten sich weigerten, mehr als zweimal in der Woche Lachs zu essen. Jetzt ist er ein teurer Leckerbissen.

Zu unseren bedeutendsten Süßwasserfischen gehören Barsche und Hechte, beides gefährliche Räuber unter den Fischen. Kaulbarsch, Stinte und Stichlinge gehören zu den Fischzwergen. Sie kommen im Haff in unendlichen Mengen vor und werden im Herbste und Winter reichlich gefangen und größtenteils als Schweinefutter, zum Trankochen und als Düngemittel benutzt. Kaulbarsch und Stinte liefern auch schmackhafte Gerichte. Der Stichling baut sich am Ufer sein Nest und schützt Eier und Junge vor den Feinden. Dabei kommt es oft zu heftigen Kämpfen; der Stichling ist überhaupt ein rauflustiger Geselle; in seinen aufstellbaren Stacheln hat er eine ganz gefährliche Waffe.

Im Winter gibt es auf den Fischmärkten recht häufig Quappen. Aus ihnen und anderen Fischen bereiten die Haffischer mit Kartoffeln eine gedämpfte Fischspeise; die sie "bunte Fische" nennen.

Weniger wertvoll sind die Weißfische; Plötze, Rotaugen, Bleie (Brassen und Bierfische), Uckelei u.a.

Ein ganz eigenartiger Fisch ist das Neunauge; es wird besonders in der Umgebung von Ruß viel gefangen und kommt geröstet in den Handel. Die sieben Kiemenlöcher, die Nasenöffnung und das Auge haben dem Fisch seinen Namen gegeben. Er hat keine Wirbelsäule, keine Kiefer und nur einen Flossensaum. Mit einer runden Saugscheibe saugt sich das Neunauge an anderen Fischen und selbst an Aas fest; es lebt also als Schmarotzer.

Literatur

  • Meyer, Richard (Kreisschulrat in Heydekrug): Heimatkunde des Memelgebietes, Robert Schmidt´s Buchhandlung, Memel 1922, S. 35 ff