Giruliai

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Die "Alte Sandwehr" wurde beim "Gericht" (Galgen) eingerichtet. Schroetter Karte 1802, Maßstab 1: 160 000
Blick von der Kanzel auf die Ostsee
Blick von der Holländischen Mütze auf die Ostsee

Hierarchie

Regional > Litauen > Giruliai

Regional > Historisches Territorium > Deutschland 1871-1918 > Königreich Preußen > Ostpreußen > Kreis Memel > Giruliai


Einleitung

Giruliai, Seebad Försterei, Försterei, Plantagen Försterei, Plantagenförsterei, Klempow, Kreis Memel, Ostpreußen. /// Der Ort heißt auf litauisch Giruliai.

Name

Datei:AlteSandwehrklein.jpg
Alte Sandwehr mit Galgen (auf der Schroetter Karte 1802 "Gericht" genannt). Blode Karte 1939, Maßstab 1:7000

"Försterei ist als Ortsname ungewöhnlich und erfordert eine Erklärung. Die einstmals vorhandenen Waldungen (Eiche und Buche) auf der Nehrung und nördlich der Stadt Memel waren während der fünfjährigen Besetzung durch das russische Zarenreich im siebenjährigen Krieg von den Russen abgeholzt. Sanddünen bedeckten das Land. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bepflanzte die Memeler Kaufmannschaft diese wüste Küstenlandschaft vom Nordrand der Stadt Memel bis nach Karkelbek mit Mischwald. Eine Plantagen-Försterei wurde eingerichtet, die den Namen KLEMPOW erhielt, nach dem Kommerzienrat Johann Adolph Klempow, der die treibende Kraft der Pflanzaktion war. Memeler Kaufleute durften in dem Wald Villen bauen, und es wurde die Genehmigung erteilt, in Höhe dieser Försterei namens "Klempow" einen Badeort anzulegen. Als dann auch noch ein "Logierhaus nebst Gastwirtschaft" entstand, wurde am 02.Mai 1876 "Klempow" in "Plantagenförsterei" umbenannt, woraus sich dann im Laufe der folgenden Jahre der Name Försterei als Ortsname entwickelte."

Quelle: Kittel, Viktor: Unser Weg, Eine Familienchronik im Wandel der Zeit, Sylt 2005, S. 15


Die Aufforstungsarbeiten begannen vorwiegend auf Anregung der Königin Luise, nachdem das Königspaar wieder nach Berlin zurückgekehrt war. Im Volksmund hieß das dann schlüssig: "Königin Luise hat die Plantagen aufgeforstet." Das königliche Paar hatte 1807/ 1808 in Memel im Haus Consentius in der Luisenstraße gewohnt. Nach der Rückreise von Petersburg 1809 zeigte es der Stadt Memel seinen Dank, indem der König der Stadt die versandeten nördlichen Gebiete schenkte (Oberstraße, Wiesenstraße, Moltkestraße, Schützenstraße). "1810 begann das schwierige Werk, diese damals noch als Viehweide benutzten Gebiete vom Strand durch eine Sandwehr abzutrennen und den Schutzstreifen aufzuforsten. Langsam gewann die Plantage ihre noch heute vorhandene Ausdehnung und Gestalt. 1822 erhielt die Stadt auch das alte Forstrevier Mellneraggen geschenkt und konnte die Plantage bis Försterei ausdehnen."

Quelle: Kurschat, Heinrich A.: Das Buch vom Memelland, Siebert Oldenburg 1968, S. 279

Der litauische Name bezieht sich auf Wald.

  • preußisch-litauisch "giria" = Wald


Allgemeine Information

Badeort, 5 km nördlich der Stadt Memel gelegen und zur Gemeinde Mellneraggen gehörend, heute ein Stadtteil von Memel.



Kirchliche Zugehörigkeit

Evangelische Kirche

Giruliai gehörte 1912 zum Kirchspiel Memel Land.


Katholische Kirche

Giruliai gehörte 1907 zum katholischen Kirchspiel Memel.


Standesamt

Giruliai gehörte 1907 zum Standesamt Bommelsvitte, ab 1934 zum Standesamt Mellneraggen.

Geschichte

Försterei, Altes Forsthaus 1992

Das Memelland war schon immer reich an Wäldern. Selbst auf der Kurischen Nehrung standen riesige Eichen und Kiefern, die bis über 600 Jahre alt waren. In der Mitte des 18. Jh., während des 7-jährigen Krieges, fiel das zaristische Russland in Ostpreußen ein und blieb 5 Jahre lang als Besatzungsmacht im Land. In dieser Zeit holzten sie u.a. den Nehrungswald und den nördlich der Stadt Memel gelegenen Forst völlig ab.

Als Folgeerscheinung türmte sich der durch die See mit der Brandung aufgeworfene Sand zu Dünen auf und diese konnten jetzt ungehindert wandern. Das heißt, fliegender Sand verwandelte das Gelände des ehemaligen Nehrungs- und Strandwaldes in eine sandige Dünenlandschaft.

Nördlich der Stadt Memel reichten die Dünen bis zur Ortschaft Kollaten und im Süden bis zur Bommelschen Vitte, nördlich der damaligen Stadt Memel. Die heute bewaldeten Hügel bei Kollaten, Försterei und im Stadtwald (vor 1945 bekannt als die Alte Sandwehr) künden ebenso wie die Memeler Straßennamen Sandwehrstraße, Kleine und Große Sandstraße davon, wie es damals im Norden der Stadt und weiter nördlich aussah.

Ein Teil dieses Gebietes gehörte bereits seit Beginn des 19. Jahrhundert der Stadt. Durch königliche Schenkung wurde dieses Gebiet bedeutend erweitert. Um der weiteren Versandung Einhalt zu gebieten, hatte der preußische König die Schenkung mit der Auflage verbunden, die Stadt solle das versandete Gebiet neu aufforsten. Dieser Auflage konnte die Stadt aber erst ab 1834 nachkommen. Man begann mit der Bepflanzung auf der Sandscholle ( das ist das Gebiet zwischen der Jugendherberge in der Plantagenstraße und einem kleinen Teich in der Moltkestraße gegenüber den Kasernen (heute nicht mehr vorhanden). Es entstand das Stück Plantagenwald, das zu deutscher Zeit als Hindenburghain bekannt war.

1857 wurde dann endlich ein Kulturplan für die anzulegende Plantage entworfen, um sie bis zum Leuchtturm in Strandvilla zu erweitern. Jährlich sollten 250 Taler aufgewendet werden, um in weiteren 18 Jahren die gesamte Sandfläche zu bewalden. Im Frühjahr 1858 wurden dann die ersten 30 Morgen mit Kiefern bepflanzt und 1861 wurde bereits der Promenadenweg durch die Plantage vom Ende der Moltkestraße über Riechertsruh bis zum Leuchtturm angelegt. Das öde Strandgebiet nördlich des Leuchtturms bis zur Holländischen Mütze wurde von der Regierung der Memeler Kaufmannschaft zur Verwaltung übergeben. Auf dem Steilufer der Holländischen Mütze befand sich bereits seit 1821 ein kleines Wäldchen, das den Seeleuten als wichtige Landmarke diente.


Die Memeler Kaufmannschaft übernahm mit der Verwaltung dieses Küstenstreifens auch die Verpflichtung der Aufforstung. Zum einen, um den Sandflug und die weitere Versandung aufzuhalten und zum anderen, um der ärmeren Arbeiterklasse bei den herrschenden schlechten Zeiten einen Verdienst zu ermöglichen. Und so begannen die Memeler Kaufleute ab Herbst 1830 mit der Anpflanzung von Laub- und Nadelgehölz auf dem gesamten Küstenstreifen aber auch im Bereich von Süderspitze, dem Nordende der Nehrung. So entstand also bereits in der Mitte des 19. Jahrhundert vom Leuchtturm bis Karkelbeek dieser herrliche Wald in Meeresnähe.

Die treibende Kraft bei diesem Unternehmen war der Obervorsteher der Kaufmannschaft, der Kommerzienrat Johann Adolph Klempow, der 1812 aus Lübeck nach Memel zugezogen war. Er ließ auch eine Plantagenförsterei mitten in diesem neuen Forst bauen, die nach ihm Försterei Klempow genannt wurde. Er verstarb 1843 im 64. Lebensjahr.

1863 erteilte die Regierung, auf Antrag der Kaufmannschaft, die Genehmigung, in Höhe dieser Försterei einen Badeort anzulegen und gab außerdem die Genehmigung zur Verpachtung von Bauplätzen für Sommerwohnungen. Daraufhin pachteten als Erste sechs Memeler Bürger (Kaufleute) Villenplätze zu je anderthalb Morgen dort oben auf der westlichen Kante des Höhenzuges, der sich parallel zur Küste ungefähr 500 m vom Strand entfernt erhebt. Bald entstand auch ein Logierhaus nebst Gastwirthschaft. Am 02. Mai 1876 wurde Klempow in Plantagenförsterei umbenannt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus der Name Försterei.

Als das preußische Abgeordnetenhaus im April 1889 den Bahnbau MemelBajohren genehmigte, begann sofort das Tauziehen um die Streckenführung, die zuerst über Groß Tauerlauken führen sollte. Schließlich blieben aber die Förstereianhänger Sieger, die die Strecke über Försterei und Kollaten befürworteten. Am 15. Juni 1892 befuhr der erste Zug diese Strecke. Nun war der Aufschwung von Försterei als Badeort nicht mehr aufzuhalten. Zwei Jahre später, am 29. Juli 1894 fand hier die Eröffnung der Strandhalle statt, die wiederum ein Geschenk des Kommerzienrats Pietsch an die Bevölkerung war. Ganze 1000 Goldmark kostete die Planierung und Einrichtung des davor gelegenen Platzes auf der Düne. Heute ist nichts mehr von all dem zu erkennen. In dem hügeligen Gelände, 3 - 4 km nördlich davon, entstand der reizende Aussichtspunkt Waldkapelle.

1907 wurde am Enzianbach (im Volksmund Kongo genannt), der über den Strand ins Meer rieselte, ein völlig versandeter Teich geräumt und ein Inselchen in ihm angelegt. Die Ufer dieses Teiches wurden mit Wegen und Ruhebänken versehen. Dadurch entstand hier eine weiteres liebliches Waldydill, zu dessen Anlage der Kommerzienrat Gerlach das Geld gespendet hatte. Ihm zum Gedenken erhielt das Inselchen den Namen Hermann-Gerlach-Insel.

So waren es vornehmlich führende Memeler Familien und dabei hauptsächlich diejenigen, die ihre Sommervillen in Försterei hatten, die darum wetteiferten, Försterei zu einem Schmuckstück zu machen. Gelungen ist dieses aber auch nur, weil stets forstlich ausreichend vorgebildete Verwaltungsbeamte, also tüchtige Forstbeamte, für dieses neue Revier zur Verfügung standen. Es waren dies von Beginn an die Revierförster Sandner, Weigel und als letzter Lintz.


Ein besonderes Prachtstück des Memeler und Förstereier Waldes war die Seepalwe. Hier waren es die Birke, das Heidekraut und der Wacholder, die einen einzigartigen Waldcharakter schufen. Die Palwe erstreckte sich vom Stadtwald der Stadt Memel, bis Kollaten und vom Förstereier Bahnhof bis zum Gut Labrenzischken. Obwohl die Bahn das Erreichen von Försterei sehr erleichterte, so war es doch viel schöner, in offner Kutsche, im Winter mit dem Schlitten oder mit dem Fahrrad hinauszufahren, wenn man sich nicht überhaupt für den Fußweg entschied. Bis 1892 gab es dafür nur einen unbefestigten Waldweg, der 1893 mit Lehm und Sand befestigt wurde. Daneben entstand bis 1910 auch eine feste Fahrstraße. Doch bereits in den Jahren 1903/04 entstand als weiterer Weg, ein Radfahrweg parallel zum Fußweg durch die gesamte Plantage von Memel bis Försterei. Das Geld hierfür brachten die Brüder Konsul Heinrich Pietsch und Kommerzienrat Wilhelm Pietsch auf. In den folgenden Jahren entstanden nun weitere Villen, sowie die Hotels Franz, Schmidt und Ullmann und ein Lebensmittelgeschäft. Die Familie Reetz besaß im unteren Teil des Badeortes mehrere Häuser mit Ferienwohnungen. Auch unterhielten sie zwei Tennisplätze und bauten eine regelrechte Badeanstalt auf.

1911/12 wurde das Königin-Luise-Erholungsheim für Kinder und Erwachsene feierlich eingeweiht. Die Baumittel für dieses Erholungsheim wurden durch freiwillige Spenden der Bevölkerung aufgebracht. Die Stadt Memel gab lediglich 5000 Mark dazu. Es diente nach dem ersten Weltkrieg hauptsächlich als Erholungsheim für tuberkulöse Kinder. Also solches wurde es auch noch nach dem zweiten Weltkrieg unter sowjetischer und schließlich litauischer Regie bis ungefähr zum Jahr 2000 genutzt. So wie Försterei ein beliebter Ausflugs- und Badeort geworden war, so ist es auch heute als Ortsteil der Stadt Memel.


Quellen: Sembritzki, H.A. Kurschat, Memeler Dampfboot, nach der Zusammenstellung von Viktor Kittel, Westerland auf Sylt.


Bewohner

Werbeanzeige aus dem Führer durch Memel und Umgebung, Memel 1913.

Bearbeiter:

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  • 1898
    Einwohner: (Etablissement, Luftort) Rhetz, Restaurateur, Weigel, Förster
  • 1909
    Einwohner: Franz, Hotelbesitzer, Lardong, Pensionat, Rhetz, Kurhausbesitzer, Weigel, Förster
  • 1915
    Einwohner: Franz, Hotelbesitzer, Lardong, Pensionat und Restaurant, Max, Kurhausbesitzer, Rhetz, Villenbesitzer, Weigel, Förster, Königin Luise Erholungsheim
  • 1929
    Gaststätte: Hotel Benno Schmidt (Werbeanzeige) Gut bürgerliches Haus, neu renoviert. Mitten im Walde gelegen, 5 Minuten zur Bahn, 3 Minuten zur See. Während der Sommersaison täglich Konzert. Wintersaison an Sonn- und Festtagen Konzert und Tanz. Anerkannt gute und preiswerte Pension. Daselbst Kolonialwaren- und Delikatessen-Handlung.


Zufallsfunde

Oft werden in Kirchenbüchern oder anderen Archivalien eines Ortes Personen gefunden, die nicht aus diesem Ort stammen. Diese Funde nennt man Zufallsfunde. Solche Funde sind für andere Familienforscher häufig die einzige Möglichkeit, über tote Punkte in der Forschung hinweg zu kommen. Auf der folgenden Seite können Sie Zufallsfunde zu diesem Ort eintragen oder finden.

  • "Es war ein traumhaftes Birken- und Heidegelände von eindrucksvoller Stille und Einsamkeit.“( S. 514)
  • Quelle: Merten, Karl-Friedrich: Nach Kompaß, Die Erinnerungen des Kommandanten von U-68, Ullstein 2006 S. 503ff Kapitel „Memel“

Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

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