Feiern mit Oma

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Feiern mit Oma

Von Gerhard Krosien

Bei jedem Geburtstag in unserer Familie, aber auch zwischendurch bei allen sich bietenden Gelegenheiten kamen Oma und Opa aus Janischken zu uns nach Schmelz zu Besuch. War das jedes Mal eine „Butscherei“ und ein „In-die-Arme-Nehmen“! Wir Bowkes verdrückten uns deshalb - wegen dieser „Formalitäten“ – immer möglichst rechtzeitig, wenn wir Wind von so einem Besuch bekamen. Es sei denn, einer von uns selbst war „Betroffener“ oder wir erhofften ein Geschenk! Dann ließen wir uns „butschen“ und an Omas breite, weiche Brust drücken. Dann nahmen wir auch das „Gestiekere“ von Opas Schnauzbart in Kauf. Es lohnte sich ja!

Was die „Großen“ sich dann jedes Mal auch so alles zu erzählen hatten! Als ob sie sich Jahre nicht gesehen hätten! Oma von Schmelz kam daher auch meist, wenn die Großeltern aus Janischken wieder „abgehauen“ waren. „Diese Sabbelei kann ich nich jut ab“, war dann immer wieder ihre Entschuldigung.

Oma von Janischken war aber nicht nur gut zu uns Kindern, sondern auch zu anderen Erwachsenen. Als wir Bowkes zum Beispiel mal unsere über 90jährige unverheiratete Tante, die nur sehr schlecht hören konnte, lauthals ärgerten, wies Oma als 88jährige uns zurecht: „Wollt ihr das wohl bleiben lassen! Tante Dora ist doch ein „oller Mensch!“ Für Oma war die Tante - im Vergleich mit sich selbst - wohl auch tatsächlich ein „oller Mensch". Als diese beispielsweise mal erkrankte und der über 80-jährige Hausarzt ihren Brust- und Rückenbereich mit einem Stethoskop abhorchen wollte und sie bat, sich entsprechend freizumachen, wies sie das Ansinnen mit der Bemerkung zurück: „Dat könnt se so passe.“ Da half es auch nichts, dass der Arzt auf sein eigenes fortgeschrittenes Lebensalter und auf seinen Beruf hinwies. Er musste seine Untersuchung durch das Nachthemd hindurch vornehmen.

Omas Besuche waren auch nie so, wie man sich einen Besuch allgemein vorstellt. Sie musste einfach auch an diesem Tag bei den „Jungen“ das Kommando in deren Wirtschaft übernehmen. Sie war es als Mutter von acht Kindern wohl nicht anders gewöhnt.

Opa von Janischken dagegen beschäftigte sich lieber ausgiebig mit uns Kindern. Er wusste Geschichten spannend zu erzählen. Er konnte sogar zaubern und beherrschte so manches Musikinstrument! Und bei passender Gelegenheit holte er aus seinen Hosen- oder Jackentaschen bunte Frösche aus Blech hervor, die an ihrer Unterseite eine Stahlfeder und einen Klecks Siegellack trugen. Diese Frösche wurden, nachdem die Stahlfedern auf den Siegellack gedrückt worden waren und daran kleben blieben, an einer „Startlinie“ auf dem Boden aufgestellt. Nach kurzer Zeit löste sich jede Stahlfeder vom erkalteten Siegellack und einen Sprung der Frösche aus. Wessen Frosch am weitesten sprang, der hatte gewonnen. Der bekam einen Preis von Opa. Gab es da aber heiße Wettkämpfe! Das war für uns Kinder immer der aufregendste Teil einer Familienfeier.

Anders sah es aus, wenn Oma und Opa von Janischken selbst Geburtstag hatten. Das war einmal im März - bei Opa - und ein anderes Mal im August - bei Oma. Jedes Mal war das aber ein großes Familientreffen. Alle acht Kinder mit ihren Ehemännern oder Ehefrauen und ihren Kindern, das alte, zarte Mütterchen von Opa und gute Freunde der beiden Jubilare belegten dann in der guten Stube die Stühle rund um den großen viereckigen Tisch. Und der schien sich von all den süßen und alkoholhaltigen Leckereien zu biegen. War das ein „Geschabbere“ und Gekichere hinüber und herüber! Die Wangen aller glühten. Es war jedes Mal so ein richtiger Familientag!

Später, als Omchen nach Verlust ihrer memelländischen Heimat in Schleswig-Holstein wohnte, wurde die Tradition von Janischken fortgesetzt. Allerdings fehlten bald ihr Mann und schon länger einige ihrer Kinder, die der Krieg verschlungen hatte. Dennoch kam, wer kommen konnte! Schließlich waren auch hier immer mehrere Generationen beisammen.

Seit Oma tot ist, gibt es in unserer Familie solche Feste nicht mehr. Können wir nicht mehr solche Feste feiern? Oder sind solche Familienfeiern aus der Mode gekommen?