Geschichte des Memellandes
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Vor- und Frühgeschichte bis zur Völkerwanderung
Ab 11.000 v.Chr. (nach letzter Eiszeit, Jäger, Sammler)
- a) Hamburger Kulturkreis, eine Variante der französischen Magdalenien-Kultur, zunächst bei Königsberg, späte Phase Memel
- b) Swidry-Kultur aus Südeuropa
Ab 7.000 v.Chr. (Jäger, Sammler, Fischer, Kiefern- und Föhrenzeit)
- Das Klima wird wärmer und feuchter, die Gletscher sind verschwunden; nachgewiesene Besiedlung im Memelland.
- Zuzug der Maglemose-Kultur aus Westen (Erben der Magdalenien-Kultur).
Ab 6.000 v.Chr.
- Vermischung von Maglemose- u. Swidrykulturen
- Knochenfunde im Memelgebiet: langköpfig, wulstige Brauen, stämmige Statur
Ab 4.000-2.500 v.Chr. (Mittlere Steinzeit: Knochen-Kultur-Kreis/ Jüngere Steinzeit: Steinwerkzeuge, Knochen, Holz)
- Memel-u. Narwa-Kultur: Alteuropäisch, nicht indoeuropäisch
- Religion: Matriarchat, Sonnengöttin Saule, Erdgöttin Zemina, vergleichbar mit griech. Götterwelt, Vergottung der Erde, der Landschaft, von Schlangen, Kröten, Schafen und Ziegen, Sonnenwendfeste
- Siedlungsplätze: da wo der Haselnussstrauch wächst (laxte, lagzde, lazdynas)
- Kurische Nehrung: Knochen- und Geweihhaken
- Memel-Schmelz: Bearbeiteter Bernstein
Ab 2.500 v. Chr. (Ende d. Steinzeit)
- Ankunft der Indoeuropäer (Balten) aus Zentralasien, damit zusammenhängend andere Kulturtechniken: Baben mit Trinkhorn wie in Zentralasien und Persien, Kugel-Amphoren
- Handelsbeziehungen mit Griechenland (Bernstein)
- Religion: Patriarchat, Vergottung von Pferd, Stier, Himmel- und Himmelskörpern
- Vermischung mit vorhandenen Menschen, keine Ausrottung (Nachweise durch Knochenfunde, neuer Menschentyp ist schlanker)
- Sprache: Ähnlichkeit mit Sanskrit und Latein (Urbaltisch)
- Westbalten: Prußen, Kuren, (ähnliche Kultur wie Kelten)
- Ostbalten: Litauer, Szemaiten, Letten (Kultur mehr wie Finno-Ugrier, Mongolen, Koreaner)
- Besiedlung: besonders auf Nehrung wird sie dichter
Ab 1.500 v.Chr. (Bronzezeit, Hügelgräber)
- Totenkult: Leichenfunde in Hockerstellung
- Mitteleuropäische Expansion, die aber im Memelland sehr geschwächt und verspätet ankam
- Metallkultur im Austausch mit Bernstein
Ab 1.000 v. Chr. (Jüngere Bronzezeit/ Frühe Eisenzeit/ Kulturwelle „Lausitzer Kultur“ 500 v. Chr)
- Totenkult: Leichenverbrennung, Asche in Tongefäßen, Gefäßdeckel mit Löchern, damit die Seele entweichen kann
Pfahlbauten
- Die „Lausitzer Kultur" kam im Memelland wegen der "Großen Wildnis" zwischen Pregel und Memel nicht an.
Ab 200 v. Chr–500 n.Chr.
- Expansion der Germanen bis an Weichsel
- Eindringen von Slawen und Goten bis ins Samland, reger kultureller Austausch und Aufschwung, auch im Memelland
- Handel: Mit Rom (Münzen-, Glas-, Emaillefunde, Metallimport)
- Skelettgräber (Weichsel-Einfluss)
- Goldenes Zeitalter der Balten
Ab 400 n.Chr.
- Expansion der Slawen von Süden und Osten: Sie drängen die Balten Richtung Ostsee
Ab 500–800 n.Chr. (Völkerwanderung)
- Slawen drängen nach Norden ins Ostbaltikum, Litauer und Letten werden zur Ostsee gedrängt.
- Differenzierung zwischen Memelgebiet und Altpreußen
- Memelland: Eindringen von Schweden und Wikingern
- Die Handelsbeziehungen nach Süden zwischen abgewanderten Goten und Prußen reißen nicht ab.
- Nach Abwanderung der Goten Aufspaltung der Prußen in verschiedene Stammesgebiete mit unterschiedlichen Kulturen.
- Die sogenannte Dekadenzperiode trifft nicht auf das Memelland zu, weil hier stattdessen eine starke Eigenentwicklung stattfindet.
- Die Beziehungen zwischen Altpreußen und Memelländern verblassen.
Von 700 n.Chr. bis zur Ankunft der Deutschen
Ab 700 n.Chr.
- Das Memelland orientiert sich nach Norden.
- Es entwickelt sich eine eigenständige Memelland-Kultur (man bleibt im Gegensatz zu Altpreußen bei der Hockerbestattung, erst im 9.-10.Jh. kommt durch skandinavischen Einfluss die Leichenverbrennung).
- Die Memel-Kultur weitet sich nach Osten aus.
Ab 850–1000 n. Chr (Wikingerzeit)
- Dänische Einfälle bei den Kuren
- Die Kuren machen ihrerseits Beutezüge bis Dänemark und Island (Erwähnung in der Island Saga)
- Die Schalauer bilden das Königreich Russ, Feindseligkeiten mit Dänemark, gegenseitiger Menschenraub
10.-11. Jahrh. n.Chr.
- Die Feindseligkeiten mit den Skandinaviern hören auf, statt dessen gibt es regen Handel und kulturellen Austausch:
- Bronzeschmuck fast barock und bizarr, deutet auf regen Erfindergeist
- Wikinger-Kämpfer setzten sich als Kaufleute im Memelland nieder
- Die Schalauer unterhalten Heiratsbeziehungen mit Dänemark (König Knut, 854 n. Chr literarische Quellen der Dänen)
- Die memelländische Eigenkultur steht in höchster Blüte
Deutsche Zeit von 1252 bis 1945
Von 1252-1525
- 1125-26 Der Deutsche Ritterorden kommt in das spätere Ostpreußen.
- 1252 Memel wird vom Livländischen Schwertritterorden gegründet. Memel gehörte zu dieser Zeit noch nicht zu Preußen, sondern zu dem von Riga aus verwalteten Gebiet des Schwertritterordens.
- 1254: Die Städte Lübeck u. Dortmund wurden gebeten, ihre Stadtrechte zu übersenden.
- 1257/58: Memel erhält lübisches Recht. (Erst 1475 bekam Memel wie die übrigen preußischen Städte das Kulmer Recht (kölmisches). Feindliche Szemaiten brannten die Stadt mehrfach ab.
- 13. Jahrh.:
- Die Kuren: Schiffsbau entwickelt sich. Wikingerschiffe sind Vorbild für Kurenkähnen. Wegen feuchter werdenden Klimas wandern die memelländischen Südkuren ab nach Lettland zu ihren nordkurischen Stammesbrüdern.
- Wikingerhäfen: Gefahrlose Plätze wie das Kurische Haff und Russ, dort auch Wikinger-Kolonien
- Frauengräber: Weisen auf sorgfältige Körperpflege, besonders der Haare
- Männergräber: Männer tragen langes Haar. Memelländische Männer tragen bis ins 20.Jh. den Spitznamen „die Langhaarigen“.
- Schmuck: Massig und schwer
- Im Gegensatz zu Altpreußen, das sich im Krieg mit den Slawen und dann mit dem Ritterorden befindet, hat das Memelland eine ruhige Zeit mit den Wikingern.
- 1422 Friede von Melnosee, Verzicht auf Szameiten. Die Grenze zwischen Ostpreußen und Litauen blieb seitdem bis 1920 unverändert.
- 14. bis 15. Jahrhundert:
- Mit Einführung des Christentums hören Bodenaltertümer auf. Statt dessen gibt es schriftliche Zeugnisse, die vom Sieger geschrieben wurden.
- Unterschiede zwischen christlichen und heidnischen Glauben, Riten und Totenkult:
- Heilige Perkunas-Wälder und der Rombinus werden gerodet
- Tote müssen ohne Beigaben bestattet werden
- Grabhügel (damit die Seele besser zu den Göttern kann) werden verboten, statt dessen eingezäunte Friedhöfe mit Reihengräbern
- Verbrennung wird verboten, statt dessen Skelettbestattung (man hilft sich auf der Nehrung, indem man die Leichen mit brennender Holzkohle überschüttet; Neuhaus/ Pillkoppen u. Rossitten)
- Grabtafeln werden verboten (man hilft sich, indem man sie mit christlichen Symbolen anreichert)
- Die Pferdebestattung wird verboten
- Das Heidentum hält sich im Memelland, besonders bei den Kuren bis 1945.
- Schriftliches Zeugnis (1413) des französischen Gesandten Ghillebert de Lannoys über Kinder „abtaufen“, wenn sie Schrei-Kinder waren, über Heirats-, Beerdigungs-, Aussaat- u. Ernteriten, über -Žemynele-Huldigung bei allen Feiern
- Im Gegensatz zu Altpreußen gibt es im Memelland weniger Schlossberge und Burgwälle mit Holzpalisaden sowie u. Gestrüpp-Barrieren (außer in Wartulischken/ Pogegen etwa aus der Bronzezeit)
- Der Orden brachte aus dem Orient und Italien das rechteckige Kastell mit, zunächst aus Holz, später aus Ziegeln (Deegeln/ Memel).
- Schlossberge werden durch Ordensburgen abgelöst. Die Bevölkerung mied sie, und das Land um sie herum blieb unbeackert. (Schlossberg = Pillkallnis). Das Vieh allerdings weidete dort.
- Im Volksglauben rankten sich Legenden um Schlossberge und Grabhügel. Archäologen brauchten nur im Volk zu fragen, wo es spukt, dann hatten sie den Platz gefunden.
- Die Kuren wandern ins Memelland zurück, haben aber ihre eigene Sprache verloren und sprechen lettisch-kurisch = nehrungs-kurisch. (Immanuel Kant: Vater Kure)
- Schlacht von Tannenberg-Grunwald: Es handelte sich um eine normale kriegerische Auseinandersetzung; die nationalen Akzente hat erst der Nationalismus des 19.Jh. hineinphantasiert.
- Friede vom Melnosee: Grenzen werden festgelegt und halten bis 1945. Litauen erhält das kurische Polangen /Palanga (kurisch: am Sumpf) und erstmals Zugang zur Ostsee.
- Memelland-Kultur:
- Im Memelland hat seit ca 700 n. Chr kein Bevölkerungswechsel stattgefunden:
- Fortlaufende Belegung der Friedhöfe
- Formenschatz gleichbleibend, jedoch Anregungen aufnehmend
- Bei Konflikten und Kontakten kein Kulturabbruch wie in Altpreußen
- Beibehaltung versteckten Heidentums bis 1945
- Deutliche Unterschiede zu Alt-Litauisch: Bestattungsbräuche, Schmuck, Fibeln usw.
- Kurisch: Südliche Grenze bis zum Minge-Fluss. (kurisch: Dange = gebogen; Klaipeda = Flachgrund; Memele/ Mümmel = Haff
- Prußisch-schalauisch: Südlich der Minge, beidseits der Memel u. des Memeldeltas (prußisch: Russ, rusne = umflossen; Tilsit, tilszus = sumpfig; Ragnit, ragas = Horn, Landzunge, Hereinragendes)
- Die Schalauer sind nach Grabfunden den Alt-Kuren zuzuordnen, linguistisch nehmen sie eine Zwischenstellung zwischen prußisch, kurisch und und szemaitisch ein.
- Im Memelland gibt es keine finnische Urbevölkerung und auch keine litauische.
15.–16. Jahrh.
- Eindringen der Szemaiten und Litauer. Zunächst vereinzelt und namentlich gekennzeichnet als Littau, Litwinas, Szemait, Zameit usw (in einer Zeit, als man mit Vornamen noch auskam).
- Der Orden deckt litauische Flüchtlinge gegen ihre polnisch-litauischen Adelsherren und liefert sie nicht aus.
- Die Litauer wurden nachweisbar vom Orden angesiedelt.
- Der Zustrom der Litauer u. Szemaiten hält an bis in die russisch-litauische Zeit.
- Simon Dachs Vater war Baumeister in Memel und Dolmetscher für Litauisch
- Die Kirchen in Memel dienten zunächst der kurischen, später der litauischen Bevölkerung.
Von 1525 bis 1918
- 1525 Der Ordensstaat Preußen wird zum Herzogtum unter Albrecht v. Brandenburg.
17. Jh.
- Einfall der Schweden: der Große Kurfürst kommt persönlich über das Eis des Haffes. Er richtet Botenkurse 2x wöchentlich zwischen Memelland und Süden ein. Die Route verläuft: Nehrung- Königsberg- Berlin- Kleve am Rhein
- Der reformierte Fürst siedelt Niederländer, Schotten, Engländer u. Hugenotten in Memel als Kaufleute an.
- Die früher für das Weichsel- u. das Königsberger-Gebiet angeworbenen Friesen werden für die Niederung und das Memelland angeworben, um auch dort Sümpfe trocken zu legen und landwirtschaftliche Stellen zu schaffen.
- Alle Einwanderer dürfen eigene Kirchen unterhalten: „Suum cuique“ = „Jedem das Seine“ oder (unter Ordenszeiten) „Gerechtigkeit gegen Jedermann“. Preußen wird zum ersten modernen Rechtsstaat des Kontinents.
Ab 18. Jahrh.
- 1709-10 Die Große Pest; 40 Prozent der Bevölkerung Nordostpreußens kommen um. Pest in Memel mit 2000 Toten. Russische Truppen stehen in Polen u. Litauen und bestimmen den politischen Kurs, den auch Memel zu spüren bekommt. Kurland und Litauen sind von 1795-1915 Teil Russlands.
- 1732 kommen die aus Salzburg vertriebenen evangelischen Glaubenflüchtlinge an. Einige wenige kommen auch nach Memel, kurz nach der Mitte des 18.Jahrhunderts siedeln sich weitere Salzburger Familien im Gebiet des späteren Memellandes an.
- 1756-63 Der Siebenjähriger Krieg: Russen holzen Nehrungswald ab, Ortschaften werden verwüstet und müssen neu besiedelt werden. 10.000 Russen belagern die Festung Memel, 110 Häuser werden zerschossen. Trotz Zusicherung freien Geleites werden preußische Soldaten nach Russland verschleppt.
- 1758-1762 Kaiserin Elisabeth v. Russland annektiert im Rahmen des 7-jährigen Krieges (1756-1763) Ostpreußen und damit auch das Memelland. Die Russen bringen Flecktyphus mit, an dem im Hauptamt Memel 8.000 Menschen sterben. Trotzdem wird mit den Russen kollaboriert, weil sie ein flottes Leben führen. Trotzdem werden brav alle Abgaben an Friedrich d.Großen gezahlt.
- 1770 Frdr. d. Große gibt die Festung in Memel auf.
- 1806 Bau der katholischen Kirche in Memel (Ecke Töpferstraße)
Memel ist die einzige preußische Stadt, die nicht von Napoleon erobert war.
- 1807-08 Memel wird im Kampf gegen Napeleon kurzfristig Königssitz des dorthin geflohenen preußischen Königspaares (König Friedrich Wilhelm III. u. Königin Luise). Königin Luise interessiert sich für die Kultur der preußischen Litauerinnen und seitdem gibt es besonders im Kreis Memel eine große Verehrung der Königin Luise. Memel hat 5.080 Einwohner. Die Wohnungsprobleme für Hof u. Militär sind erheblich, auch wenn die Stadt davon profitiert. Der Schmuggel blüht wegen Napoleons Kontinentalsperre. Trotzdem gibt es viele Arme u. Bettler. Die Lage wird unter der Anwesenheit napoleonischer Truppen für das Königspaar so bedrohlich, dass eine Emigration nach Russland erwogen wird.
- 1812 bis 1869
- Königin Luise lässt aufholzen: Plantagen in Melneraggen u. Försterei. (Volksmund: Königin Luise hat die Plantagen bepflanzt)
- Nach Abrücken der Franzosen rücken die Russen ein und werden von der Bevölkerung als Befreier gefeiert.
- Memel erlebt wirtschaftliche Aufschwung
- Cholera in Heydekrug
- Gründung des Landwirtschaftlichen Vereins (Anschaffung u. Erprobung von Maschinen, Tierschauen, Pferderennen, Geselligkeit
- 1. Dampfschiff auf der Memel
- 1. Käsefabrik (Schweizer Siedler, Salzburger und Friesen verbesserten die einheimischen Rezepturen)
- Chausseebau Memel-Tilsit (kommt lange Jahre nur schrittweise voran)
- Erste Apotheke in Prökuls
- Erster Landbriefträger, 2x wöchentlich
- Auswirkungen der Revolution in Schmelz und Prökuls
- Lepra-Epidemie
- Erster Kreisarzt nach langem Suchen
- 1854 Ein besonders schwerer Brand in der Geschichte der zahllosen Brände wütet in Memel; Neubau weiter Teile der Altstadt. Der Brand auf den Holzplätzen an der Dange macht 3.000 Menschen obdachlos. Die danach wieder errichtete Altstadt prägt bis heute das Stadtbild.
- Telegraphenverbindung Tilsit-Memel
- Bernsteinfunde in Prökuls
- Synagoge mit Badehaus in Russ
- Bernsteinbaggerei in Schwarzort auf industrieller Grundlage
- Die ersten 4 Landbriefkästen
- Planmäßige Pferdezucht
- 1. Remonte-Markt in Prökuls (Pferde für das Militär)
- Heydekrug Telegraphenamt
- Notjahre, neu gegründeter „Vaterländischer Frauenverein“ errichtet Notküchen
- 1. Dampfdreschmaschine
- 1861-1888 Der König-Wilhelm-Kanal wird errichtet, um den Flößern die schwierige Umschiffung des Windenburger Ecks zu ersparen.
- Fort (Festung) in der Plantage bei Bommelsvitte (heute Ölhafen)
- In Memel wird die Befreiung von der Erbuntertänigkeit verkündet.
- In Memel beginnen die preußischen Reformen.
- 1871 Deutsche Reichsgründung: Memel nördlichste Stadt, Nimmersatt nördlichster Ort Deutschlands. Demokratisches Wahlrecht: Allgemein, frei, gleich u. geheim (aber nur für Männer)
- 1874-1900
- Nidden Leuchtturm
- Tilsit Memelbrücke
- Anbindung Memels an das Eisenbahnnetzes über Heydekrug, Pogegen, Tilsit
- Gründung „Littauische litteräre Gesellschaft“ in Tilsit, aus der der „Kleinlitauische Rat“ hervorgeht. Im Zeichen der Bismarck´schen Nationalismus und seiner Minderheitenpolitik kommen Spannungen zwischen Memelländern u. Litauern auf. (Analog zwischen Masuren u. Polen). In Tilsit werden „kleinlitauische“ Kulturvereine u. Zeitungen gegründet. Von der preußisch-litauschen Bevölkerung werden lediglich die kulturellen, nicht aber die politische Angebote akzeptiert. Wegen des zu großen kulturellen u. politischen Unterschieds und wegen der unterschiedlichen Religionen wird ein Anschluss an Litauen abgelehnt. Aus dieser Bewegung entsteht der heutige „Kleinlitauische Rat“.
- Erziehungsanstalten in Bachmann und Gropischken für elternlose Bettelkinder
- Sozialgesetzgebung
- In Memel Bau von Luisen-Gymnasium, Hotel Viktoria, Rathaus, Bahnhof
- Trakseden Torfstreufabrik
- Memel Kreisheilanstalt
- Weiterer Ausbau des Straßennetzes
- Memel Navigationsschule
- Bommelsvitte Fischereihafen am Walgum
- Epidemie einer ägyptischen Augenkrankheit
- Landwirtschaft: Gründung Raiffeisen-Darlehenskassen, verbilligte Angebote Düngemittel, Saatgut, Fischnetze
- Memel Lepraheim (1944 noch 5 Kranke anwesend)
- Ab 1900
- Schwergewicht liegt auf dem Ausbau von Kleinbahnen
- Perwelk Leuchtturm
- 1. Motorkutter auf dem Haff
- Nidden Hafendamm u. Mole
- Planung Melioration (Entwässerung), Gründung von Entwässerungsgenossenschaften, Bau von Vorflutern u. Deichen
- Landwirtschaft: Kör-Ordnung, Milchkontroll-Vereine, Prökulser Schafe sind Qualitätsbegriff, Schafzucht im Rückgang
- Bau des Königlichen Lehrerseminars, des Auguste-Viktoria-Lyceums als modernste Schule des Reiches (heute Konservatorium), der Kasernen (heute Universität)
- Entwässerung des Iszlusze-Moores, Schaffung von Siedlerplätzen
- Der Landrat erhält ein Dienstauto
- 1914-18 Erster Weltkrieg. Einfall der Russen 1914/15 in das spätere Memelland. Brandschatzung von Gütern, öffentlichen und privaten Gebäuden, Greueltaten und Besetzung Memels, Flucht der Bevölkerung und Verschleppung der verbliebenen Zivilbevölkerung durch russische Behörden nach Sibirien (besonders aus den Kreisen Tilsit und Ragnit).
Von 1918 bis 1923
- 1918 Friede von Brest-Litowsk
- Litauen erhält von Deutschland u. Russland das Selbstbestimmungs-Recht und wird als eigenständiger Staat anerkannt.
- „Kleinlitauische“ Aktivisten gründen den „Nationalrat der Kleinlitauer“ und fordern den Anschluss an Litauen.
- Litauen fordert das Memelland als „urlitauisches“ Gebiet
- Polen fordert ebenfalls das Memelland u. hätte sich am liebsten auch Litauen einverleibt
- Das Memelgebiet wird nach den Entscheidungen des Versailler Vertrages den Entente-Mächten unterstellt. Das Memelland wird noch nicht den Litauern unterstellt, weil Litauen noch nicht rechtlich anerkannt ist u. weil die Franzosen das Memelgebiet lieber einem vereinten polnisch-litauischen Staat übergeben wollen.
- Unter polnischem Einfluss u. wegen der antideutschen Einstellung Clemceaus reift in Litauen der Entschluss „die armen versklavten Litauer in Ostpreußen aus dem deutschen Joch“ befreien zu wollen.
- Am 27.1.1920 wurde das Memelland vom Deutschen Reich abgetrennt und der Völkerbundsverwaltung (Französisches Mandat) unterstellt. Eine kleine französische Besetzung kommt nach Memel (General Odry, Zivilkommissar Petisne)
- Solange die Möglichkeit einer polnisch-litauischen Konföderation besteht, unterstützt Polen die Bemühungen Litauens um das Memelgebiet. Polen konnte deshalb im Baltikum so aktiv werden, weil die wirtschaftlichen u. politischen Aktivitäten Deutschlands u. Litauens eingeschränkt waren. Litauen wurde wegen des nicht-gelösten Wilna- Konflikts rechtlich nicht anerkannt.
- Die „Arbeitsgemeinschaft für den Freistaat Memel“, die auf Initiative des „Deutsch-Litauischen Heimatbundes“ gegründet wurde, veranstaltet eine Befragung: Von 71.856 Wahlberechtigten sprechen sich 54.429 für einen Freistaat aus (also gegen eine Einverleibung nach Litauen)
- Litauen beginnt Planung einer militärischen Besetzung des Memellandes. Stadt Memel ist zu 93% deutsch; im Memelgebiet machen jedoch die Preußisch-Litauer 63% der Bevölkerung aus. Trotzdem wollen sie keine Verbindung zu den rückständigen u. katholischen Russisch-Litauern.
- Ministerpräsident Galvanauskas informiert der deutschen Botschafter, das Memelland zu besetzen. Deutschland signalisiert Zustimmung (um die Litauer im Widerstand gegen Polen zu stärken).
- Galvanauskas beginnt „Operation Memel“ zu planen und zieht den litauischen Schützenbund hinzu. Simonaitis war gerade von der Botschafterkonferenz in Paris zurückgekommen und berichtet von dem Beschluss einen Freistatt zu errichten. Er erklärt, den Litauern, dass Memelländer praktische Materialisten seien, sich passiv verhielten und niemals einen Aufstand initiieren würden.
- Die Litauer beginnen im Memelgebiet den Aufbau örtlicher Schützenverbände. Eine Rolle spielt dabei der „kleinlitauische“ Verband „Santara". Es waren geheime litauische Ortsgruppen, mit dem Ziel, das Nationalbewusstsein der „Kleinlitauer“ zu stärken, sie zu „befreien“ und „mit dem großen Bruder natürlich zu vereinen“.
- Gründung eines Memeler Schützenbundes unter der Leitung Kumietis aus Kaunas. Die Litauer erhalten von Deutschland 1500 deutsche Gewehre u. 5 leichte Maschinengewehre u. viel Munition zu günstigen Bedingungen. Galvanauskas zahlt aus einem geheimen Fond.
- Beim Aufmarsch der litauischen Kämpfer mischt sich deutsche Polizei nicht ein.
Annexion durch Litauen 1923-1939
- 1923 wurde das Memelland durch als Zivilisten getarnte litauische Freischärler besetzt, die französischen Mandatstruppen vertrieben und später das Gebiet von Litauen annektiert.
- Beim Aufmarsch nahmen kaum Einheimische teil. Budrys, ein Landwirt aus Pogegen lehnte die Leitung des Aufstandes ab. Povilaitis nahm später dessen Namen an, um sich als Memelländer auszugeben.
- Die wirtschaftliche Situation in Litauen war günstig. Wegen der Inflation freute man sich in Litauen, dass die Abwertung der deutschen Mark den Anhängern an Litauen mehr Zulauf bringen würde als die beste Agitation. Im Memelland stieg der Brotpreis, das Warenangebot war knapp, so dass die Memelländer die Einführung des Litas begrüßten.
- Nach Bekanntwerden des Freistaat-Status beschloss Galvanauskas die Vorbereitungen für den Einmarsch.
- Das „Komitee zur Rettung Kleinlitauens“ verteilte Flugblätter in deutscher Sprache „gegen eine Umwandlung des Memelgebietes in eine polnische Kolonie“, man solle „das kleinere Übel“ Litauen wählen. Hauptaufgabe der litauischen Schützenverbände war es, die Teilnahme der litauischen Armee am Aufstand zu verschleiern.
- Zahl der litauischen Kämpfer: 2.000 – 3.000 Soldaten (viele falsche Zahlen im Umlauf)
- Zahl der französischen Verteidiger: 200 Soldaten mit 20 –25 Maschinengewehren
- Litauische Kompanien werden mit der Eisenbahn an die Grenze des Memelgebietes gebracht. Im Zug erst zieht man Zivilkleidung an, die allerdings einheitlich ist. Für einige Soldaten reicht die Kleidung nicht, so dass sie aussteigen müssen.
- Galvanauskas Befehl: Höflicher Umgang, kein Plündern, Trinken und keine politischen Reden. Litauische Dokumente sowie alle Dinge, die Hinweise auf die litauische Identität geben könnten (Streichhölzer, Tabak) in Litauen lassen.
- Flugblätter in deutscher Sprache strotzen vor Barbarismen u. Germanismen, so dass daraus zu schließen ist, dass sie von Litauern verfasst wurden
- Litauer kommen ins Memelland, zuerst nach Heydekrug, weil dort die Bevölkerung einen größeren preußisch-litauischen Anteil hat als in Memel. Bevölkerung verhält sich trotzdem passiv.
- Befehl von Kaunas, Memel zu besetzen (von Süden her)
- Einmarsch in Memel. Nur die Kasernen bleiben in französischer Hand.
- Zahl der Toten wird von Litauern stark übertrieben. Tatsächlich 10 Litauer, aber auch 2 Franzosen u. 1 deutscher Gendarm
- Reguläre Truppen werden nach Litauen zurückgeführt
- Die litauische Regierung „bedauert“, dass sie den memelländischen Aufständischen nicht habe helfen können
- Polovinskas stellt eine Armee aus litauischen Schützen u. memelländischen Freiwilligen auf. Die Memelländer treten mehr aus pragmatischen Gründen bei, denn es wird ihnen ein Lohn von 2 Litas/ Tag gegeben, was auch in Kaunas negativ vermerkt wird.
- Litauische Reguläre werden alle 3 Wochen ausgetauscht, denn es sind meist Szemaiten, die vom litauischen Kommandeur abfällig als „Schmuggler“ bezeichnet werden.
- Um die wahren Umstände international zu kaschieren, verbreitet die litauische Nachrichtenagentur, dass weder reguläre noch irreguläre Truppen die Grenze zum Memelgebiet überschritten haben.
- Für Litauen war die Besetzung des Memellandes ein mutiger Schritt, der ein staatsbildender Faktor war. Trotzdem wurden die Versailler Verträge gebrochen.
- Die Botschafterkonferenz erkennt die Angliederung als Faktum an.
- Die französischen Truppen (ausgerechnet Hochgebirgstruppen!) verlassen das Memelgebiet. Deutschland war eine litauische Souveränität lieber als eine französische.
- Die Memelländer können für Deutschland oder Litauen optieren. Die meisten optieren für Deutschland und gehen nach Ostpreußen. (Weniger als 600 von 150.000 optieren für Litauen). Meist reichsdeutsche Beamte und Lehrer werden ausgewiesen (Siehe dazu die Ausweisungsliste 1933/34).
- Ab 1924 war das Memelland durch die Memelkonvention ein autonomes Gebiet unter der Souveränität Litauens; Amtssprachen waren Deutsch und Litauisch. Es gab starke Spannungen innerhalb der mehrheitlich deutschgesinnten Bevölkerung mit den eine Litauisierung anstebenden litauischen Behörden, die in der Verhängung des Kriegszustandes und einiger Schauprozesse gipfelten.
- Litauen versucht aus Memelländern Litauer zu machen
- Massive Einwanderung von Litauern, meist aus der Unterschicht.
- Ehemalige Saisonarbeiter, die die Höfe ihrer einstigen Herren beziehen, wirtschaften das Land herab.
- Trotz Industrialisierung u. Hafenausbau ständig Spannungen u. Konflikte mit Kaunas
- Im Memeler Landtag nur zwischen 2 – 5 Sitzen (von 29) von litauisch Gesinnten Gewählten.
- 1926–1938 Memelland im Kriegszustand. Selbst „kleinlitauisch“ Gesinnte waren über das Unverständnis der "Groß-Litauer" für die örtlichen Belange verärgert.
- 1938 Freie Wahlen: Wahlbeteiligung 97%; deutsche Einheitsliste 87.2%; litauische Listen 12,8%
- Litauen signalisiert seine Bereitschaft mit Deutschland zu verhandeln. Auf deutschen Druck (Ribbentrop) war Litauen sofort bereit, auf das Memelland zu verzichten
- Deutsche Truppen marschieren ein. Hitler spricht in Memel und wird umjubelt. Die Memelländer sehen nur ihre Befreiung und verkennen die totalitären Strukturen.
Rückkehr nach Deutschland 1939-1945
- 1939 wurde das Gebiet wieder an das Deutsche Reich zurückgegeben und an Ostpreußen unter Bildung der Kreise Memel, Heydekrug und Tilsit-Ragnit (nördlich der Memel gelegener Teil) angliedert. Flucht der jüdischen Bevölkerung des Memellandes nach Litauen, meist in grenznahe Städte und Ortschaften.
- 1941 Überfall auf die Sowjetunion. Ermordung der jüdischen Bevölkerung Litauens, darunter auch jüdische Flüchtlinge aus dem Memelland.
- Für die im Nachbarland Litauen meist seit dem 19.Jahrhundert lebenden Litauendeutsche beginnt jetzt schon der Verlust der Heimat: Hitler lässt 40.000 von ihnen aus der Litauischen Sowjetrepublik nach Deutschland umsiedeln (bzw. in besetzte polnische Gebiete)
- Tausende Bewohner des Memellandes mit litauischer Identität und deutschsprachige Linke werden nach Osten abgeschoben (Quelle ?).
- 1944 im Oktober sollen Memel und das Memelland von deutscher Zivilbevölkerung geräumt werden, doch der Räumungsbefehl kommt zu spät: Die letzte Flucht im Kreis Memel beginnt am 08.10.1944. Die Sowjets erreichen bei Polangen die Ostsee und schneiden die Kurlandarmee ab (wann genau ?). Im Süden brechen sie am 09.10.1944 bei Heydekrug durch. Die Brücke über den Rußstrom bei Ruß wird von deutschen Pionieren gesprengt: Daraufhin gelingt tausenden Memelländern die Flucht nicht mehr, einige retten sich über das Haff und die Kurische Nehrung. Siehe Fluchtberichte aus dem Memelland.
- 1945 Die rote Armee besetzt das noch bis in das Jahr 1945 als Brückenkopf verteidigte Memel. Nur wenige Deutsche leben noch in der durch Bomben und Beschuss stark zerstörten Stadt Memel. Litauer kommen über die Grenze in das Memelland und beziehen die ehemals deutschen Höfe und Wohnungen. Zurückkehrende Flüchtlinge finden ihr Eigentum besetzt und müssen sich anderweitig umsehen.
- Nach der Flucht 1944/45 und nach weitesgehender Aussiedlung der in beträchtlicher Zahl in der Heimat verbliebenen oder nach Sibirien verschleppten Memelländer in den 50er und 60er Jahren, lebt der größte Teil der ehemaligen memelländischen Bevölkerung und deren Nachkommen heute in Deutschland.
Litauische Zeit 1945 bis zur Gegenwart
Sowjetzeit 1945-1989
- Das Memelgebiet gehört seit 1945 zu Litauen.
- In den ersten Jahren werden viele Memelländer, aber auch zugewanderte Litauer nach Sibirien deportiert.
- In den 50er und 60er Jahren Ausreise von knapp zehntausend in der Heimat verbliebenen Memelländern nach Deutschland.
- Schlimm wirkt sich für die litauische Bevölkerung der sowjetische Atheismus und die damit verbundene Abtrennung von den eigenen religiösen (heidnischen u. christlichen) Wurzeln aus.
Von der Unabhängigkeit Litauens 1989 bis zur Gegenwart
- 1989 Politische Wende in Litauen: Unabhängigkeit von Russland kostet einigen Litauern das Leben. Eine große Reisewelle von Deutschen in das Memelland setzt ein. Viele Deutsche unterstützen das Memelland nach Kräften, lassen Kirchen renovieren und Friedhöfe herrichten.
- Heute noch im Memelland lebende Memelländer bekommen großenteils ihren nach 1945 verlorenen Besitz nach der Unabhängigkeit Litauens, wenn auch manchmal nur teilweise, zurückerstattet.
- 2002 Die Stadt Memel begeht ihre 750-Jahr-Feier mit vielen ehemaligen Memelländern und weiteren Gästen aus Deutschland.
- 2004 Beitritt zur Europäischen Union.