Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/136

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Als ihr Todesjahr herangekommen,
Haben deutlich in der Neujahrsnacht
Meine Aeltern ein Geklirr vernommen,
Wie es grade ward hervorgebracht,
Wenn etwa einmal der Ofenwärter
Ofenkrabben sammt dem Blasrohr hatt'
In den Ofen hingestellet härter,
Als es sonst gewöhnlich fande Statt.
Dreimal nach einander wurde dieses
Und mit solchem Nachdruck auch gethan,
Daß es meinen Aeltern schien, als hieß' es:
„Da, nun greife ich euch nicht mehr an!“ —
Ehe ihre Krankheit angefangen,
Hat sie an dieselbe nicht gedacht,
War gesund noch in die Kirch' gegangen,
Wurde aber krank herausgebracht.
Und sobald sie meine Mutter sahe,
Welche grad' geblieben war zu Haus,
Rief sie, als sie ihr gekommen nahe:
„Ach, wie ist mir! ach, wie ist mir!“ aus.
Eben diese Worte hatt' gehöret
Meine Mutter auch im Traum vorher
Von ihr, darum haben sie gemehret
Ihre Sorge um die Kranke sehr.
Diese aber war seit jenem Tage,
Da sie bald die Wassersucht bekam,
Stets in einer leidensvollen Lage,
Bis der Herr sie endlich zu sich nahm.
In der Neujahrsnacht nun jenes Jahres,
Wo der Pfarrer Schuchard sank ins Grab,
Da vernahm mein Vater offenbares
Wasserrauschen von der Trepp' herab;
Hörte auch den Wassereimer fallen,
Und ihn rollen durch des Hauses Flur,
Bis derselbe noch mit lautem Schallen
An der Hausthür' endlich widerfuhr.
Eilig wollt' er nach dem Eimer gehn,
Um ihn aus dem Weg zu stellen nur;
Aber weder war von ihm zu sehen,
Noch von Wasser irgend eine Spur. —
Meine Mutter und die Dienstmagd lagen
Wiederum in einer Neujahrsnacht,
Während sie von solchen Dingen sprachen,
Und auf eine Anzeig' gaben Acht;
Als in ihrem Zimmer plötzlich störte
Sie die Ofenthüre in der Ruh,
Welche jede mehrmals schlagen hörte
Ganz vernehmlich auf und wieder zu.
Alsobald die Magd dabei bemerkte:
„Ach, das hat gewiß gegolten mir,“
„Weil es“ — was sie noch darin bestärkte —
„Ist gewesen meine Ofenthür'!“
Während meine Mutter nicht vermochte
Auszureden ihr, was sie gesagt,
Es auch dreimal obendrein noch pochte
An die Bettlad' der bestürzten Magd.
Dieses war derselben so entsetzlich,
Als dem Mörder, dem man bricht den Stab,
Und in jenem Jahre sank auch plötzlich
Ihr geliebter Bruder in das Grab. —
Auch die Schrift hat mir vorhergezeiget
Meiner beiden ersten Frauen Tod,
Als die Krankheit jenen Grad erreichet,
Der ihr theures Leben hat bedroht.
Dreimal hab' ich da auf mein Befragen,
Welches doch der Ausgang werde sein,
Stets dieselbe Antwort aufgeschlagen
Die sich findet Lucä zehn Vers neun. —
Auch von meinem Vater kann ich schreiben,
Daß er aufschlug in der Neujahrsnacht:
„Du wirst sterben, nicht lebendig bleiben!“
Wie Jesaias Hiskia gesagt.
Eh der März desselben Jahrs zu Ende,
Hat befohlen auch der edle Greis
Seine Seele in des Vaters Hände,
Dem er lang gelebt zu Ruhm und Preis.
Anno sieb'nundvierzig ist's gewesen,
Wo mein guter Vater heimwärts zog,
Und noch Manches ist von ihm zu lesen
In „der Deutschen neuem Nekrolog.“
Als an seinem Bette er im Stillen
Meine Mutter um ihn weinen sah,
Sprach er: „Füge Dich in Gottes Willen;“
„Meine Zeit ist ja nun einmal da!“
„Ehe auch zwei Jahre noch vergehen,“
„Werden wir — das sag' ich Dir voraus“ —
„Selig schon uns droben wiedersehen“
„In dem großen, schönen Vaterhaus!“
Meine Mutter trug auch ohne Klage
Ihres stillen Schmerzes schwere Wucht,
Und sie starb am ersten Ostertage
Nächsten Jahres an der Wassersucht.