Als englischer Kriegsgefangener in Ägypten (1945 - 1948)
Ich war ein Kriegsgefangener in Ägypten (1945 - 1948)
Ein deutscher Soldat in britischer Gefangenschaft von April 1945 bis September 1948.
In Italien (1945)
auf dem Erdball ein und gehen "ohne
unsern Willen" von ihm ab, nachdem
uns der Zwischenraum zwischen Kommen
und Gehen sauer gemacht wurde.“
Wilhelm Raabe.
Ich war ein Kriegsgefangener in Ägypten
Wer ich war:
Maschinen-Obergefreiter Günter Hille, # Nr. 58417/42 D, mot. 2 (2. kleiner Panzerfunktrupp D (mot.)) Qualifikationen: (Diesel- und Benzinmotoren); In der deutschen Marine: Kriegsgefangener # me 212 898.
Zum Ende des Krieges war ich in Mestre, bei Venedig zur Baubelehrung stationiert, um eine italienische Korvette in Betrieb zu nehmen . Sie wurde gerade fertig gestellt und war bereit für die erste Probefahrt. Als die Alliierten nahe Venedig landeten versenkte die Besatzung das Schiff am Piazza Roma (Schiffsanlege Pier in Venedig) und alle versuchten nach Deutschland zu kommen. Einige von uns haben es nicht geschafft.
Im April 1945 wurden wir in Norditalien nahe Conegliano von italienischen Freiheitskämpfern (Partisanen)gefangen genommen. Nach ein paar Tagen in ihrer Gefangenschaft übernahm die US-Armee uns und transportierte uns mit dem Lastwagen, Zug und dem Schiff nach Tarent im Süden Italiens. Von Tarent aus wurden wir von der britischen Armee nach Ägypten verschifft, wo wir dann die nächsten Monate in dem Kriegsgefangenenlager 383 El Daba verbrachten Weitere Lagerverlegungen folgten in Ägypten und Crenaika bis zu unserer Rückführung im September 1948.
Das Leben und die Umstände im Gefangenenlager waren nicht immer angenehm. Im Rückblick jedoch muss ich sagen, dass sich viele unserer Schwierigkeiten vor allem durch das Fehlen an Rauchwaren und unsere Wünsche nach Hause zukommen ergaben. Wir hatten nichts von unseren Familien gehört, da das Postsystem in Deutschland noch nicht wieder richtig funktionierte.. Die Behandlung der Gefangenen durch die Sieger war fair, insbesondere hat sich die britische Armee und die Soldaten sehr korrekt verhalten. Ich wurde niemals hart behandelt oder beleidigt. Es gab nicht in allem Übermaß zu essen, jedoch war es von guter Qualität und angemessen. 800 Kalorien pro Tag sind nicht viel, aber es hält Leib und Seele zusammen, vor allem wenn man Tag und Nacht nicht beschäftigt ist und nur ruht. Wir lebten in Zelten zu je 10 Soldaten und schliefen auf Strohsäcken auf der Erde. Bei dem warmen Klima war dies kein Problem. Für medizinische Behandlung war gesorgt, es gab sogar Penicillin. Diese Zustände wurden für circa 8 Monate weitergeführt. Unser Leben wurde beträchtlich besser als wir arbeiten durften und wir dafür bezahlt wurden.
Unsere Gefangenschaft begann mit den Partisanen auf dem Heuboden einer Farm eines Bauernhofes. Ich erinnere mich, dass wir eine warme Mahlzeit erhielten, da mir jemand meinen Löffel stahl während ich mein Geschirr gewaschen habe. Es musste ersetzt werden, denn wie sollte ich sonst meine nächste Mahlzeit essen. Auf dem Weg zu dem temporären Lager, in einem Zementwerk in der Nähe von Conegliano, warf eine italienische Frau ein paar Laib Brot auf unseren Lastwagen und sagte zu uns: "La Guerra finito,tutti andare alla casa" (der Krieg ist beendet, ihr könnt alle nach Hause gehen). Ich habe dies sehr geschätzt, weil es keinen Haß zeigte, nur die Sorge einer Mutter. Die erste Nacht, die wir dort verbracht haben, war eine harte, denn es war kalt und wir hatten keinen Schutz. Bis zur nächsten Nacht hatten wir Löcher in den Boden gegraben und teilten uns diesen Schutz. Die Wachen waren amerikanische Soldaten und der Zaun war lediglich eine Schnur. Zum ersten Mal redete ich mit einem Soldaten auf Englisch und wir verstanden einiges davon. Von dem Zementwerk aus wurden wir mit einem Lastwagen nach Forli, am nächsten Tag nach Ancona gefahren. Von dort aus segelten wir mit dem Schiff nach Brindisi. In Ancona waren wir Augenzeuge einer Beerdigung. Ein Soldat war von einem Lastwagen gefallen und gestorben. Die Beerdigung wurde respektvoll geführt, auch ein Pastor nahm daran teil. In Brindisi erwartete uns ein Zug mit Güterwagen, um uns nach Tarent zu bringen. Ein Gurkha-Soldat bewachte je ein Güterwagen mit jeweils 40 Kriegsgefangenen. Er stand neben der offenen Tür und verzog keine Miene und bewegte sich nicht, aber er lies einige Schokoladenriegel auf den Boden fallen. Diese teilten wir unter uns auf. Uns war nicht klar, ob er Angst hatte und uns ruhig halten wollte oder uns eine Freundlichkeit erweisen wollte.
Tarent war ein permanentes Lager, wo wir einige Notwendigkeiten erhielten, wie Seife und Handtücher, warme Mahlzeiten und Tee. Nach ein paar Tagen wurden wir mit dem Schiff nach Ägypten gebracht.
Während des Transports nach Tarent wurde mindestens einmal am Tag gefilzt, ausziehen und Taschen entleeren, im Falle wir noch Waffen versteckt hielten. (Ich hatte nichts außer einer Regenplane und die Kleidung die ich trug). Wenn wir entkleidet waren,wurden wir von dem Sanitäts Personal mit DDT (einem Insektizid) gepudert. Einige von uns hatten Läuse und Flöhe. Als Verpflegung auf dem Transport bekamen wir Irisches Eintopf in Dosen oder Corned Beef in Dosen ( Rindfleisch gekocht) mit Saltine crackers und Wasser.. Dies war seit langem wieder mal Fleisch zum Essen. Die Zustände auf dem Transport waren leicht zu ertragen. Ein Matrose vom Schiff ging herum und verteilte Zigaretten, wohl seine Eigenen. Jeder bekam eine Halbe. Freundlich von ihm.
In El Daba (1945)
Als POW in Derna 1948.
Die Reise mit dem Schiff nach Tobruk war interessant. In Suez wurde alles auf Lastwagen geladen und dann am Suez Kanal entlang nach Port Said gefahren. In Port Said wurden wir auf ein Schiff verladen und die Reise ging los. Wir schliefen auf dem Deck und bekamen Marschverpflegung mit Tee. Das Schiff landete uns in Tobruk und wir blieben für ein paar Tage dort. Im Kriege war die Stadt schwer bombardiert worden und es war viel zerstört. Im Süden war ein Schlachtfeld das immer noch gemieden wurde wegen der Landmienen und Blindgänger. Alles war noch so, wie es nach der Sclacht verlassen wurde. Die Beduinen wagten manchmal dort Material und Fahrzeuge zu requisieren. Man erzählte sich dort, daß vor dem Kriege der Stammesälteste immer voran ging, aber jetzt mußten die Esel und die Frauen zuerst gehen. Tobruk hatte kein Trinkwasser, dem Seewasser wurde das Salz entzogen, daß gebrauchte man. Es schmeckte nicht, auch Tee und Kaffee nicht.
Die Cyrenaika, wie das Land damals genannt wurde, war eine italienische Kolonie gewesen. Es war ein fortschrittliches Land, mit einem guten Schulsystem, und fähigen Handwerken. Die Städte waren sauber mit guten Häusern. Man sah nur wenige britische Soldaten. Derna war einige Autostunden von Tobruk, auch an der Küste gelegen. Dort haben wir frühere italienische Kasernen belegt, die leer standen, aber in guten Zustand waren. Deutsche Truppen hatten wohl auch in den Kasernen gewohnt, denn Bilder an den Wänden waren von deutschen Soldaten. Wir wohnten aber in unseren Zelten. Eines Morgens wurde uns gesagt, daß der Proviant nicht nachgekommen war, und wir hatten nichts zu essen. Daraufhin gingen wir nicht zur Arbeit. Man beeilte sich und der Proviant kam Nachmittags an und wir gingen wieder zur Arbeit. Ich muß daran denken, was mit vielen anderen Kriegsgefangenen passiert wäre, hätten sie die Arbeit verweigert.
Viel Arbeit hatten wir nicht. Die Engländer mußten diese Länder auch räumen und wollten deshalb keine großen Projekte in Angriff nehmen, außerdem war sicher unsere Repatriierung geplant. Es würde interessant sein zu erfahren wer für die fast 4 Jahre unserer Gefangenschaft in Ägypten am Ende bezahlt hat.Wir haben doch keine Revenue produziert und waren doch nur Unkosten und das für 150 000 Gefangene. Wir bekamen jetzt Überstunden bezahlt, das erhöhte unseren Lohn auf 7.2 Piaster per Tag. Wir wurden alle 10 Tage pünktlich bezahlt und hatten keinen Grund zur Beschwerde.
Unsere Arbeit bestand aus kleinen Projekten, Nissen Hütten aufstellen, Ölheizung für Küchen und Wäschereien und ähnliches. Unsere Werkstatt war in einem Materialmagazine, dort fanden wie mehrere Tafeln Blech. Der Klempner in unserer Gruppe schlug vor, daß wir von dem Blech Koffer fabrizieren sollten, was wir dann auch machten. Der Klempner legte den Zuschnitt aus und zeigte uns den Werdegang. Bald war die ganze Gruppe dabei Koffer zu bauen. Die ersten Koffer waren für unseren Eigengebrauch, die nächsten wurden verkauft. Die Kaufleute im Bazar bezahlten einen guten Preis. In kurzer Zeit sah man die Koffer überall. Sie waren gut gemacht, stabil und brauchbar. Es dauerte nicht lange bis das Blech verarbeitet war, dann fanden wir eine Sorte Wellblech, die man leich auf einem Amboss mit dem Holzhammer flach hauen konnte, und die Production konnte fortgesetzt werden, und wir machten etwas Geld nebenbei.
Die Repatriation nach Deutschland hatte in Suez wieder angefangen, aber nur die mit einer hohen Punktzahl waren an der Reihe, wie Ältere, länger in Gefangenschaft, politisch nicht belastet. Jeder Gefangene hatte eine Anzahl Punkte, die sich nach dem Alter, wann gefangen genommen und politische Einstufung richteten. Ich hatte 3 Punkte für Mitläufer ( HJ) und 1 für Länge der Gefangenschaft, war also in der großen Menge. Politisch waren wir eingestuft in Nazi 0 Punkte = Mitglieder der NSDAP, Mitläufer 3 Punkte = HJ und ähnliches, Antifaschisten alle die gegen die Nazis waren 7 Punkte = KZ, Gefängnis, Verfolgte. Später in Derna fing die Rückführung ernstlich an. Die Demobilisierung der britischen Soldaten war ziemlich abgeschlossen und der Krieg in Palestina war wohl auch zu Ende, dadurch waren Schiffe frei geworden. Durch die Entlassungen der Älteren wurde ich Sectionsführer und bekam mehr Geld, welches später eine Rolle spielte.
Um uns vorzubereiten auf unsere Entlassung kamen Leute von verschiedenen Organisationen, Rote Kreuz, Deutsches Arbeitsamt, englische Professoren und hielten Vorträge über das neue demokratische Deutschland, die Arbeitsverhältnisse und Schulung, und wie wir uns anpassen und einleben können. Ich nahm Verbindung auf mit der Ingenieurschule in Hannover und wurde auch acceptiert, wenn ich die Aufnahmeprüfung bestehen würde. Aber daraus wurde nichts, weil das Geld knapp war, und ich hatte lange genug von der Hand inden Mund gelebt. Lesen war meine Hauptbeschäftigung zu der Zeit, eine gute Bücherei war in dem britischen Freizeit Centrum. Auch haben wir verschiedene handwerkliche Fertigkeiten praktiziert.
Die britische Verwaltung kam mit einem Angebot, daß wir einen Kontrakt für ein Jahr Arbeit abscließen könnten, der auch auf Wunsch verlängert würde. Freie Wohnung und Unterhalt, dazu einen Facharbeiter Lohn. Es war attraktiv, einige haben sich auch gemeldet, aber ich wollte nach Haus. Später traf ich Männer die dort geblieben waren, sie hatten es nicht bereut, und hatten eine Tasche voll Geld.
Im August wurde ich aufgerufen für die Heimkehr. Zur Entlassung bekamen wir zusätzlich zu unserer Khaki Kleidung und Wäsche noch eine Uniform und Mantel. Meine Blechkoffers waren voll mit Rauchwaren, Nabatine (Pflanzenfett), Kaffeebohnen, Seife und Kleidung. Kurz vorher war mir ein Zahn abgebrochen, ein Zahnartzt setzte mir einen Stiftzahn ein. Den Zahn habe ich viele Jahre behalten.
Bei Ende August 1948 war es endlich soweit, es ging nach Haus. Man fuhr uns mit Lastwagen nach Tobruk, hier warteten wir auf unser Schiff. Am 3. September bestiegen wir das Schiff und segelten nach Triest in Italien. Ich kannte Triest gut, war dort stationiert auf der Korvette 205, Colombina, welche an der Yugoslawischen Küste bei Sebenico von Jagdfliegern versenkt wurde. Wir fuhren mit dem Zuge durch Triest, es sah anders aus, als im Kriege. In Munsterlager wurden wir entlassen mit 40 DM Entlassungsgeld und zu meiner größten Überraschung bekam ich 1500 DM, welches die andere Hälfte unseres Verdienstes in Ägypten war, die man gut geschrieben hatte. Ich glaube niemand wußte etwas davon. Ich war genau 6 Jahe Soldat und Kriegsgefangener gewesen.
Eine Phase meines Lebens war zu Ende, manchmal war es nicht einfach, aber ich hatte es überlebt. Der Krieg hat mich nicht zum Helden gemacht, auch nach Rangerhöhung oder Macht habe ich nicht gestrebt. Haß habe ich nicht gefühltl oder Rache gesucht. Die Propaganda der Zeit und der Schule wurde negiert von einer realistischen Familie, die zurück blickte auf Generationen von Arbeitern und Handwerkern, die verstanden das Leben zu meistern. Sie liebten und achteten ihr Land , aber verabscheuten den engstirnigen Nationalismus, der zum Kriege führte. Im Kriege habe ich meine Pflicht und Verantwortung erfüllt, aber ich wollte auch nicht mein Leben lassen für Führer, Volk und Vaterland.
Die Jahre als Kriegsgefangener im Lager waren für mich gute Jahre. Ich hatte alles was ich benötigte und wurde anständig behandelt. Auch habe ich viel gelernt von anderen POW und den Arbeiten . Man gewöhnte sich wieder an die Routine der Arbei, verdiente auch etwas Geld. Wenn man unsere Gefangenschaft mit den Lagern in Rußland, Frankreich und anderen Ländern vergleicht, hatten wir den Himmel auf Erden. Nur die verheirateten Soldaten hatten es schwer, sie konnten ihre Familie nicht helfen über die schwere Zeit zu kommen.
In Alexandria (1946)
In EL Fanara und El Fayid (1946)
In Suez (1947)
In Derna (1948)
Anmerkung des Verfassers
Das ist alles was ich zu sagen habe über „ I was a POW in Egypt“. Ich habe es gern geschrieben, es hat mich an vieles erinnert, jetzt gewürzt mit hohen Alter und Erfahrung. Geschrieben habe ich es für meine Familie aus der Erinnerung, deshalb sind wohl Fehler gemacht und Erinnerungen verwischt. Irgendwelche Rechte oder Copyrights behalte ich mir nicht vor. Jeder kann es gebrauchen wie er will und wann er will.
Günter Hille, Altona, Manitoba, Canada. September 4. 2008
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