Deutsche und französische Kultur im Elsass/041

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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wenige bedeutende Künstler erzeugt. Auch jetzt im jungen Elsass ist es wieder die bildende Kunst, die zuerst sich regt und schöne Blüten treibt. Die Leistungen der Elsässer auf dem Gebiete der Industrie, die wahrhaft künstlerischen Zeug- und Tapetendrucke bilden ebenfalls einen Beweis für ihre hochstehende Sinnenkultur. Wie sehr sie auf dem Gebiet der Kochkunst gelehrige Schüler ihrer Meister gewesen sind, ist allbekannt. Eine Wanderung durch die Strassen der Stadt Strassburg zeigt uns überall diesen beherrschenden Einfluss der sinnlichen Kultur Frankreichs. Wir sehen sie in den alten Palästen, dem bischöflichen Schloss, dem alten Palais Rohan, dem Statthalterpalast und vielen anderen. Wir beobachten diesen Einfluss aber auch in den modernen Villen der Ruprechtsauer Allee und den Monumentalbauten der grossen Brauereien, von dem reizvollen Rokokopavillon des Bäckehiesels bis zu dem vornehmen Palasthotel Terminus. Die Toiletten der uns begegnenden Elsässerinnen sind völlig französisch, und nicht minder die Kunstgegenstände, der Schmuck, das Silbergeschirr in den eleganten Läden der Meisengasse und der Blauwolkengasse. Treten wir in ein elsässisches Restaurant, so werden wir von Kellnern mit langen Schürzen still und aufmerksam ohne viele Komplimente, also ganz nach französischer Art, bedient. Die Küche ist natürlich französisch, bis auf das speziell elsässische Nationalgericht, garniertes Sauerkraut, oder die barbarische Fastenspeise, Hecht mit Nudeln. Auf dem Tische fehlt nicht das dem Franzosen unentbehrliche Weissbrot, und die Flasche selbst besseren Weines entbehrt nach aufrichtiger französischer Sitte der Etikette. Beobachten wir einen Augenblick die Gäste. Die Männer sind meist hübsch und kräftig, mit intelligenten Gesichtern; sie tragen Haar und Bart nach französischer Art geschnitten und sind sorgfältig, aber wenig elegant gekleidet. Sie stellen vollständig den Typus des französischen Provinzialen dar, sogar der durch einen der letzten Präsidenten berühmt gewordene col rabattu (Umlegekragen) und die lockere Kravattenschleife fehlen nicht. Die Frauen sind schlank und gross, meist blond mit leichten Stumpfnasen und blauen Augen, in summa schön und sehr elegant nach französischer Mode gekleidet. Sie unterhalten sich lebhaft meist in französischer Sprache, die hie und da von deutschen Worten oder ganzen Sätzen unterbrochen wird.

Es ist ein Sonntag, ein süsslicher Absinthgeruch erfüllt den Raum, denn ohne dieses Aperitiv schmeckt dem Elsässer das Essen nicht. Das Hauptgericht ist die Suppe, es wird von allen mehrmals begehrt; ohne Suppe giebt es hier keine Mahlzeit. Im Trinken sind sie wenigstens während der Mahlzeit sehr mässig. Ein leichter Tischwein wird mit Wasser gemischt, nur ein ebenfalls mässig genossener Burgunder oder besserer Elsässer Wein wird unvermischt getrunken. Jedoch ist diese Mässigkeit nur ein Schein; zwischen den Mahlzeiten trinkt der Elsässer stark, wenn auch nicht mit der Sammlung und Nachhaltigkeit des Altdeutschen. Ist es uns gestattet, in ein elsässisches Privathaus einzutreten, so frappiert uns auch hier wieder die peinliche Beobachtung französischen Geschmacks und französischer Sitte. Boulemöbel, grossblumige Teppiche und Stahlstiche nach berühmten französischen Bildern bilden die Hauptbestandteile der Einrichtung. Trotz allen Bemühens mangelt es oft auch in reichen Häusern an Harmonie und Komfort; am besten gelingt noch der heitere Speisesaal, der mit dem Buffet im Style Ludwigs XVI. und mit altelsässer Fayencen und Porzellanen ausgestattet ist. In allerletzter Zeit macht sich natürlich auch im Elsass der moderne Styl bemerkbar. Die Kinder, die Dienerschaft,

Bildunterschrift:
v. SEEBACH : Strassburger Leichenträger.
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