Geschichte der kleinen deutschen Höfe 1/026

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Vorlage:Geschichte der kleinen deutschen Höfe1

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Landschaft abhängig zu machen. Der Hof stand und steht bis auf die neueste Zeit in einer merkwürdigen Abhängigkeit vom Adel, ganz so, wie in dem ehemaligen Polen. Dieser mecklenburgische Adel genoß und genießt noch heut zu Tage die Steuerfreiheit, die geringe feste Hufensteuer, die er seit dem Erbvergleiche von 1755 giebt, ist gar nicht zu erwähnen; auf den Landtagen dagegen bewilligt er die Steuern, die das Land aufzubringen hat. Die Bevölkerung des Landes, in beiden Herzogthümern 600,000 Menschen stark, umfaßt eine Scala sehr disparater, sehr ungleich berechtigter Existenzen, die sich von den hochprivilegirten steuerfreien, landtagenden sechshundert Rittern herabzieht bis auf die andern weniger gottbegnadigten Existenzen der 200,000 Seelen, welche ohngefähr auf die Städte kommen und der 400,000 Seelen, welche auf dem platten Lande leben und bei denen bis zum Jahre 1820 die Leibeigenschaft, die berüchtigte mecklenburgische Unterthänigkeit galt. Mecklenburg war das letzte Land in Deutschland, das sie aufhob. Die Ungleichheit der mecklenburgischen Berechtigungen tritt in den Städten zwischen den allein landtagenden Magistraten und den nicht vertretenen Stadtbürgern, sie tritt aber am allergrellsten auf dem platten Lande hervor, das noch heut zu Tage gar nicht vertreten ist und wo auch noch, was die materielle Existenz betrifft, die größte Ungleichheit herrscht: es giebt unter den 400,000 Landbewohnern wieder nur einige Hundert reiche Pächter und nur einige Tausend größere und kleinere Bauerneigenthümer, Erb- und Zeitpächter, kleine Büdner und Häusler, dagegen giebt es viele Tausende


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von jetzt, seit 1820, sogenannten freien Arbeitern, Kossathen und Tagelöhnern, die auf einem ganz geringen Besitzthum, einem Kartoffelland und einer kleinen Wiese, die etwa eine Kuh nährt, contractlich auf ein Jahr sitzen und sonst mit Tagelohn sich nähren, als Pflügen, Mähen und Dreschen. *) Diese sogenannten freien Arbeiter mögen, weil sie jenes geringe precäre Landbesitzthum haben, allerdings es noch besser haben, als die ganz besitzlosen Fabrikarbeiter anderwärts, z. B. die vom Hungertyphus heimgesuchten armen Weber in Schlesien; ihre Existenz ist aber gewiß keine gottbegnadigte zu nennen, es genügt, das Einzige zu erwähnen, daß sie willkürlich ausgewiesen werden können, sich aber nur mit Bewilligung der Gutsherrn anderswo niederlassen dürfen, und daß sogar die Einwilligung zum Heirathen für diese sogenannten freien Arbeiter **) vom Willen der gnädigen Gutsherrschaft abhängt, die allerdings in


*) Das Verhältniß der Tagelöhner zu den Bauern ist ungefähr wie 8 zu 1. „Ueber die jetzige Stellung der vormaligen Leibeignen in Mecklenburg", aus der Zeitschrift Atlas abgedruckt in den Rostocker Gelehrten Beiträgen, Jahrgang 1840 S. 723. Die Tagelöhner Mecklenburgs wohnen theils in den sogenannten Hofkathen in der Nähe der ritter-

schaftlichen Höfe und der Pachthöfe der Domainengüter, theils auf den Gehöften der Domanialbauern, theils endlich seit neuerer Zeit in den Wohnungen der Büdner, von wo sie auf den benachbarten Höfen, in den herrschaftlichen Forsten, beim Chausseebau ec, tagelöhnern.

**) Eigentlich handelt es sich nur um die Einwilligung zur Niederlassung, aber ohne deren Nachweisung darf keine Trauung geschehen, woher die vielen unehelichen Geburten (Niederkünfte) stammen.