Kreis

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Kreis oder Landkreis?

Deutschland vor 1945

In der Wikipedia heißt es: "Vor 1939 wurden die betreffenden Verwaltungseinheiten in Preußen als Kreis bezeichnet, Landkreise gab es dort wo auch entsprechende Stadtkreise vorhanden waren. 1939 wurde einheitlich die Bezeichnung Landkreis eingeführt (außer natürlich für Stadtkreise)." [1] [2] Vorliegende Quellen sagen aber etwas anderes.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1939 wurden einheitlich die Bezeichnungen Landkreis, Landrat, Regierungsbezirk und Regierungspräsident in den Ländern Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Thüringen, Hessen, Anhalt, Oldenburg und Braunschweig sowie im damals gerade an das Deutsche Reich "angeschlossenen" Österreich eingeführt und regionale Bezeichnungen wie Kreishauptmann, Bezirkshauptmannschaft, Oberamt u.a. hierdurch ersetzt[3].

Da die Verordnung nicht das Land Preußen, die Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die Kleinstaaten Lippe und Schaumburg-Lippe sowie das 1934 durch die Vereinigung von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz neu geschaffene Land Mecklenburg erwähnt[4] , kann daraus nicht abgeleitet werden, dass in diesen Ländern ab diesem Zeitpunkt alle Kreise einheitlich als Landkreise bezeichnet werden.

In alten preußischen Statistiken findet man folgende Bezeichnungen:

Statistik des Regierungsbezirks Aachen 1827
commons-link:Category:Regierungsbezirk_Aachen_1827
es wird nach Stadt- und Landkreisen unterschieden; keine Kreise
  • Stadtkreis Aachen
  • Landkreis Aachen
  • Landkreis Düren
  • Landkreis Erkelenz
  • Landkreis Eupen
  • Landkreis Gemünd
  • Landkreis Heinsberg
  • Landkreis Jülich
  • Landkreis Malmedy
  • Landkreis Montjoie
Statistik des Regierungsbezirks Düsseldorf 1836
Regierungsbezirk Düsseldorf_1836
es wird nur von Kreisen gesprochen
  • Kreis Lennep
  • Kreis Elberfeld
  • Kreis Solingen
  • Kreis Düsseldorf
  • Kreis Duisburg
  • Kreis Rees
  • Kreis Kleve
  • Kreis Geldern
  • Kreis Kempen
  • Kreis Krefeld
  • Kreis Gladbach
  • Kreis Grevenbroich
  • Kreis Neuss
Statistik des Regierungsbezirks Aachen 1852
commons-link:Category:Regierungsbezirk Aachen 1852
Es wird nach Stadt- und Landkreisen, aber auch nach Kreisen unterschieden. Merkwürdig erscheint hier der Landkreis Düren, zu dem es doch gar keinen Stadtkreis gibt.
  • Stadtkreis Aachen
  • Landkreis Aachen
  • Landkreis Düren
  • Kreis Erkelenz
  • Kreis Eupen
  • Kreis Geilenkirchen
  • Kreis Heinsberg
  • Kreis Jülich
  • Kreis Malmedy
  • Kreis Montjoie
  • Kreis Schleiden

Im Gemeindelexikon für die Provinz Rheinland (1888) findet man ebenfalls sowohl Kreise als auch Land- und Stadtkreise vor. [5]

Im Gegensatz zu diesen Quellen heißt es bei Brüning dazu: [6]:

„1883 sprach man zuerst vom Landkreis im Gegensatz zum Stadtkreis.“

Die 1916 gegründete Vertretung der preußischen Landkreise nannte sich selbst Verband der Preußischen Landkreise[7] Allgemein setzte sich die Bezeichnung "Landkreis" in den 1920er Jahren sowohl in Gesetzestexten als auch in der Verwaltungsgeschichtsschreibung über diese Zeit immer mehr durch[8] Im "Groß-Berlin-Gesetz" von 1920[9] werden die umgebenden Kreise zwar noch als Kreis bezeichnet, in einer darauf folgenden Verordnung jedoch als Landkreise[10]. Laut Brüning taucht 1923 zum ersten Mal in einem Gesetz der Name Landkreis auf.

Während im Gemeindelexikon Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen von 1930 (hier: Rheinprovinz bzw. Hohenzollernsche Lande) der Begriff Landkreis stes nur für solche Kreise verwendet wird, für die es einen entsprechenden Stadtkreis gibt, findet sich der gegenteilige Sprachgebrauch in amtlichen Dokumenten spätestens 1932:

In der Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen vom 1. August 1932 [11], die zahlreiche Kreise in den verschiedensten Teilen Preußens betraf, werden konsequent alle Landkreise als Landkreis xy bezeichnet, obwohl in einem Großteil der Fälle kein namensgleicher Stadtkreis existierte. Auch in weiteren Gesetzen und Verordnungen ab Mitte der 1930er Jahre findet sich ein konsequenter Gebrauch des Begriffs Landkreis für preußische Kreise: im Groß-Hamburg-Gesetz 1937 [12], in der Ersten Durchführungsverordnung dazu von 1937[13], in einer Verordnung über einen Gebietsaustausch und Preußen 1939[14], der Verordnung über Gebietsbereinigung im Raum Salzgitter[15], der Verordnung über eine Gebietsbereinigung zwischen dem Land Anhalt und dem Land Preußen von 1942 [16] und den Erlassen über die Aufgliederung der Provinz Sachsen [17] und über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau (1944) [18].

Brüning meint dagegen über die Zeit nach 1939: Die offizielle Bezeichnung in Preußen blieb Kreis oder zur Unterscheidung vom gleichnamigen Stadtkreis Landkreis.[19].

Es kann also bislang nicht belegt werden, ob und wenn ja ab welchem Zeitpunkt in Preußen alle Kreise als Landkreise bezeichnet wurden (außer den Stadtkreisen) oder aber, dass es dort, wo es Stadtkreise gab, alle anderen Kreise als Landkreise bezeichnet wurden.

Bundesrepublik Deutschland

Die Länder der Bundesrepublik Deutschland haben die Bezeichnung Landkreis überwiegend beibehalten. Alle Flächenländer bis auf Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein verwenden in ihren Landkreisordnungen bzw. ihrer Gemeinde- und Landkreisordnung (Kommunalordnung)[20] die Bezeichnung Landkreis.

Mecklenburg-Vorpommern

Das beschlossene Verwaltungsmodernisierungsgesetz[21] (§§ 72-77) sieht die Auflösung der Landkreise und Bildung von Kreisen unter Eingliederung der kreisfreien Städte vor. Dieser Teil des Gesetzes tritt jedoch erst mit Ablauf des Tages vor den Neuwahlen für die Kreistage im Jahre 2009 in Kraft (Art. 29 Abs. 5). In der geltenden Kreisordnung des Landes[22] wird bereits der Begriff Kreis verwendet.

Nordrhein-Westfalen

Die erste Landkreisordnung des Landes nach dem 2. Weltkrieg vom 21. Juli 1953 [23] verwendet den Begriff Landkreis. Brüning[24] geht davon aus, dass bis 1953 der Begriff Kreis gültig war. Tatsächlich löste diese Landkreisordnung (laut § 55) die Kreisordnung für die Provinz Westfalen vom 31. Juli 1886 und die Kreisordnung für die Rheinprovinz vom 30. Mai 1887 ab, die noch von Kreisen sprachen. Es sind jedoch auch die Überlegungen über die Bezeichnung der preußischen Landkreise vor 1945 (s. oben) zu berücksichtigen, ebenso die Neuregelung durch die britische Militärregierung von 1946[25].

Am 1. Oktober 1969 wurde in Nordrhein-Westfalen die Bezeichnung "Landkreis" mit Inkrafttreten der Neufassung der Kreisordnung (bis dahin: Landkreisordnung) vom 16. Juli des Jahres durch "Kreis" ersetzt[26]. Damit sollte offenbar nicht zuletzt der Tatsache Rechnung getragen werden, dass im dicht besiedelten NRW die Landkreise/Kreise nicht derart ländlich strukturiert sind, wie das in anderen Bundesländern der Fall ist[27].

Schleswig-Holstein

Die geltende Kreisordnung des Landes kennt ausschließlich den Begriff Kreis[28].

Deutsche Demokratische Republik

Die demokratischen Kreisordnungen vom Dezember 1946 / Januar 1947 für die Länder der sowjetischen Bestzungszone wiesen noch gewisse Unterschiede auf: So legten sie für Thüringen und Mecklenburg fest, dass Kreise entweder Landkreise oder Stadtkreise waren, und: Zu den Landkreisen gehören alle Gemeinden (auch unbewohnte Bezirke), soweit sie nicht als Stadtkreise selbständig sind. Für die Stadtkreise galt die demokratische Gemeindeordnung [29]. Für Brandenburg galt: Der Kreisordnung unterliegen die Landkreise, Landkreise sind Kommunalverbände der Gemeinden, die nicht durch Gesetz als kreisfrei bestimmt sind. Der Begriff Stadtkreis kommt hier nicht vor[30]. Die Demokratische Gemeindeordnung für das Land Sachsen in der Fassung vom 6. Februar 1947 besagte:Die Gemeinden sind Teile des Landkreises. Kreisfrei sind die in der Demokratischen Kreisordnung des Landes Sachsen vom 16. Januar 1947 bezeichneten Städte. Diese bilden je einen Stadtkreis[31]. In den genannten Gesetzestexten wird auch Kreis synonym für Landkreis benutzt.

Die Ordnung über den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Kreise vom 24. Juli 1952[32]des Ministerrates der DDR setzte die Kreisordnungen der Länder von 1945/46 faktisch außer Kraft und nannte (Land-)Kreise ausschließlich Kreise. An deren Spitze stand nun jeweils ein Rat des Kreises. Das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 [33] setzte die Kreisordnungen von 1945/46 auch formal außer Kraft. In den Landkreisen, wie sie hier wieder genannt wurden, war weiterhin der Rat des Kreises das vollziehende und verfügende Organ. So blieb es nach dem Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe in der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Juli 1973[34] und nach dem Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. Juli 1985 [35]. Das im Mai 1990, kurz vor der deutschen Vereinigung, verabschiedetete Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR verwendetete (wie fast alle Länder der "alten" Bundesrepublik) den Begriff Landkreis. An dessen Spitze trat ein Landrat. Dieses Gesetz galt aufgrund des Einigungsvertrages bis zur Einführung neuer Landesgesetze (1992-1994) in den neuen Bundesländern weiter[36].

Polen

In Polen gibt es den Kreis als Landkreis (powiat ziemski)[37] und Stadtkreis (powiat grodzki). Im Zuge einer Verwaltungsreform wurden an 1.1.1999 die Kreise wieder eingeführt, die 1975 aufgelöst worden waren, siehe auch Artikel Powiat. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Die drei Ebenen der Verwaltung in Polen sind die Gemeinde (gmina), der Kreis (powiat) und die Wojewodschaft (województwo).

Anmerkungen, Quellen und Literatur

  1. Wikipedia: Kategorie Diskussion:Ehemaliger Landkreis in Nordrhein-Westfalen
  2. vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Kreisreformen_in_Deutschland_bis_1949#Kreis.2FLandkreis_u.a
  3. Dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 28. November 1938
  4. In Hamburg wurden schon durch das Groß-Hamburg-Gesetz 1937 (§ 2)alle Gemeinden im Land Hamburg mit der Stadt Hamburg zu einer Gemeinde zusammengeschlossen, so dass es hier keine Landkreise geben konnte. In Bremen gab es 1939 nur den Landkreis Bremen (http://www.verwaltungsgeschichte.de/land_bremen.html#gemeinden). Mecklenburg war 1939 bereits in Land- und Stadtkreise eingeteilt (vgl. § 9 des Groß-Hamburg-Gesetzes von 1937 sowie http://www.verwaltungsgeschichte.de/land_mecklenburg.html#meckburg.
  5. http://www.digitalis.uni-koeln.de/Gemeinde/gemeinde_index.html
  6. Günter Brüning: Vom königlichen Landrat zum Oberkreisdirektor - Strukturen und Aufgaben der Kreisverwaltung von 1815 bis heute, in: Westfälisches Archivamt (Hrsg): Archivpflege in Westfalen und Lippe, 44/1996, Seite 3 - 7. PDF
  7. Er ist der Vorgänger des Deutschen Landkreistages ([1]).
  8. Günter Brüning, a.a.O., S. 4 f.
  9. Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin (Groß-Berlin-Gesetz) vom 27. April 1920
  10. Verordnung über das Verfahren vor dem mit der Auseinandersetzung zwischen der neuen Stadtgemeinde Berlin und den Restverbänden der Landkreise Teltow, Niederbarnim und Osthavelland sowie der Provinz Brandenburg betrauten Schiedsgerichte vom 18. Juni 1920 (GS S. 348), zitiert auf www.verfassungen.de/de/be/berlin20.htm
  11. Link auf Auszug aus der Preußischen Gesetzsammlung als PDF
  12. Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen (Groß-Hamburg-Gesetz) vom 26. Januar 1937. Hier werden neben zahlreichen existierenden Landkreisauch neu zu bildende preußische Landkreise genannt.
  13. Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen (Groß-Hamburg-Gesetz) vom 15. Februar 1937.
  14. Vierte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 28. September 1939
  15. Verordnung über Gebietsbereinigungen im Raume der Hermann-Göring-Werke Salzgitter vom 25. Juni 1941
  16. Verordnung über eine Gebietsbereinigung zwischen dem Land Anhalt und dem Land Preußen (Regierungsbezirk Merseburg) vom 13. Februar 1942
  17. [http://www.verfassungen.de/de/preussen/sachsen44.htm Erlaß über die Aufgliederung der Provinz Sachsen vom 1. April 1944 (RGBl. I. S. 110)]
  18. Erlaß über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau vom 1. April 1944 (RGBl. I. S. 109)
  19. Brüning, a.a.O., S. 3
  20. Texte auf Kommunalrecht online der Universität Osnabrück
  21. Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung Des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Mai 2006 (Stand Juni 2007)
  22. Teil 2 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalverfassung - KV MV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 2004 (GVOBl. M-V S. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2006 (GVOBl. S. 539, 546)
  23. http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/XMMGVB5346.pdf
  24. Brüning, a.a.O., S.3
  25. Instruktion Nr. 100 der britischen Militärregierung vom August 1946, erwähnt bei Brüning, a.a.O., S. 5, Text liegt nicht vor.
  26. Artikel VIII Abs. 1 des Gesetzes vom 16. Juli 1969 (PDF) (S. 519) ermächtigte den Innenminister, die Landkreisordnung unter der Bezeichnung Kreisordnung neu bekanntzumachen und das Wort Landkreis durch Kreis zu ersetzen. Dies geschah durch Bekanntmachung des Innenministers vom 11. August 1969 (PDF) (S. 670), mit der der ab 1. Oktober 1969 geltende Wortlaut der Kreisordnung bekanntgemacht wurde.
  27. Mitteilung von Dr. Marco Kuhn, Landkreistag NRW, zitiert in Wikipedia, Disussion: Ehemaliger Landkreis in Nordrhein-Westfalen
  28. Kreisordnung für Schleswig-Holstein – KrO – in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. S. 94) zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. Februar 2005 (GVOBl. S. 66, 67)
  29. Die demokratische Kreisordnung vom 20. Dezember 1946 (hier für das Land Thüringen)
  30. Demokratische Kreisordnung für die Mark Brandenburg vom 19. Dezember 1946
  31. Bekanntmachung über die Demokratische Gemeindeordnung für das Land Sachsen vom 6. Februar 1947
  32. Ordnung über den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Kreise vom 24. Juli 1952
  33. Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957
  34. Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe in der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Juli 1973
  35. Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. Juli 1985
  36. Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990
  37. Verband der Polnischen Landkreise