Eigenbehörigkeit (Fürstbistum Münster)
Leibeigenschaft im Fürstbistum Münster
Die ersten Verordnungen zur Regelung der Leibeigenschaft aus dem 17. und 18. Jahrhundert berührten das Thema nur am Rande und waren daher nur Bruchstücke, welche das grundlegende Rechtsverhältnis der Leibeigenschaft nicht bestimmten.
Eigenbehörige
Bis 1770 gab es je nach Grund- oder Lehnsherrn sehr unterschiedliche Regelungen der Rechtsverhältnisse des einzelnen Grundherren zu seinem Hintersassen. Es gliederte sich vom Grundsatz her in das Rechtsverhältnis des Hintersassen zu seinem
- a) Grundherrn
- b) Leibherrn,
welche zumindes zeiweilig nicht immer identisch waren. In jedem Fall war der Hintersasse zu bestimmten persönlichen Leistungen (auch Abgaben) verpflichtet. Zu diesem persönlichen kam auch ein dingliches Rechtsverhältnis, wenn der Hintersasse für den Besitz eines eigenbehörigen Hofes die Verbindlichkeit auferlegt war, für den Erbnißbrauch des Hofes durch ihn und seine Erben nach Eigentumsrecht die althergebrachten oder vereinbarten Abgaben an den Leib- und Gutsherrn zu entrichten.
Die Leibeigenschaft klebte mithin nicht dem Gute, sondern der Person an. Von daher konnte eine freie Person zunächst einen unbesetzten eigenbehörigen Hof zeitlich (bis zu 12 Jahren) für ein erhöhtes Pachtgeld anpachten und dann durchaus, bei nachgwiesener guter Eignung, sich dem Gutsherrn eigen geben, um danach den eigenbehörigen Hof als Eigenbehöriger zu modifizierten Altbedingungen weiter führen. Im Regelfall wurde ihm dann der alte Hofesname als neuer Hausname angeklebt.
Der frühere alte Hofesname wurde in den Grundherrenakten, auch bei Wechsel des Wehrfesten, im Regelfall weitergeführt. Dies galt für Lagerbücher, Gewinn- und Versterbbücher, Register von Frei- und Wechselbriefen und auch bei Rechnungsbüchern. Für die Führung der Kirchenbücher galten übrigens keine Namensregeln, hier wurde von Fall zu Fall, auch bei ein und der selben Person, unterschiedlich gehandelt.
Diesen althergebrachten Zustand beschrieb denn auch der landesherrlichen Erlaß vom 10. 5. 1770 und unternahm damit den Versuch, den Begriff der Leibeigenschaft im Fürstbistum Münster allgemeinverbindlich zu beschreiben.
Hieraus ergibt sich dann, daß auch der Begriff eines „Eigenbehörigen Gutes“ nicht durch eine mit demselben etwa verbundene dingliche Eigenschaft, sondern nur durch die persönliche Eigenschaft des dasselbe besitzenden Wehrfesters oder Aufsitzers und durch die Art und Weise, wie es diesem von dem Gutsherrn verliehen war, bestimmt wurde.
Eigenbehörigen-Gut
Ein Eigenbehörigen-Gut war ein mit eigenbehörigen Leuten nach Eigentumsrecht auf Dauer wirklich besetztes Gut. Inhaber solcher Güter hatten an ihren Gütern das Recht des Erbnießbrauchs nach Eigentumsrecht (Colonatsrecht). Sie hatten damit das Recht, das Gut gegen Entrichtung bestimmter bedungener, meist althergebrachter feststehender Abgaben und Dienste an den Gutsherrn zu benutzen und zu genießen. Darüber hinaus hatten die Eigenbehörigen auch die sonstigen, dem Eigenbehörigen Gut anlastenden "Onera" (z.B. Kirchenabgaben) zu leisten und Rechte in Anspruch zu nehmen. Nach ihrem Tode hatten eigenbehörige Aufsitzer (Colonen) von Eigenbehörigen-Gütern das ureigene Recht, an einen aus der eigenen Nachkommenschaft des Geblütes zu vererben. Hier galt in den meistenfällen das Recht der Erstgeburt.
Durch die Protokolle der regelmäßig stattfindenden Hofessprachen konnten die Erbfolgen und Erbansprüche im Geblüt eines Eigenbehörigen-Gutes über Generationen verfolgt werden. War jedoch das Geblüt des Besitzers ausgestorben, fiel das Gut dem Grundherrn anheim und es stand diesem frei, sein Gut ab da selbst zu nutzen, es mit anderen eigenbehörigen Colonen zu besetzen, es freien Personen ohne Leibeigentum in Pacht, Erbpacht oder auf andere Weise zur Bewirtschaftung zu überlassen. Die Münstersche Eigentumsordnung gestattete ab 1770 die vertragsmäßige Verwandlung der Eigenbehörigen-Güter auch in Erbpachtgüter. Dies änderte sich erst mit der Besitzname des Landes durch die Franzosen und der Anwendung des „Code Napoleon“.
Besitzübergang
Trennte sich ein Grundbesitzer von seinem Eigenbehörigengut, blieb das Recht des Erbnießbrauchs nach Eigentumsrecht (Colonatsrecht) der Eigenbehörigen des Altbesitzers bestehen. Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten wurde daher das Rechtsverhältnis des alten Leibherrn zum Hintersassen gemeinsam mit dem Grundbesitz an den neuen Grundherrn übertragen. War der Grund des Besitzübergangs ein Verkauf, wurden somit nach mittelalterlicher Formulierung Haus, Hof und aufsitzende Leute "verkauft". Ein Freikauf mit anschließender Eigengebung war nicht mehr notwendig und ersparte den Betroffenen unnötigen Aufwandt und Kosten.
Beispiele
Beispiele für Lagerbuchaufschreibungen, Gewinn- und Versterbbüchern, Frei- und Wechselbrieferteilungen finden sich zum Beispiel bei Eigenbehörigen und Colonaten des Hauses Ostendorf in dem Halterner Ortsteil Holtwick und den Kirchspielen Lippramsdorf und Hamm-Bossendorf.
Bauernbefreiung
Nach der Auflösung des Hochstifts Münster durch den Reichsdeputationshauptausschuß am 25.02.1803 wurde am 05.04. 1803 das Allgemeine Landrecht eingeführt, welches am unbefriedigenden Zustand der Rechtsverhältnisse im bäuerlichen Stand des nunmehrigen Erbfürstentums Münster nichts änderte. Die Münstersche Eigentumsordnung von 1770 hatte weiter Bestand.
Sozialreform
Im Jahre I8O6/07 verlor Preußen das frisch gebackene Erbfürstentum Münster und das ehemalige Fürstbistum Münster fiel teils an das Großherzogtum Berg, teils an Frankreich. Das war verbunden mit einer Intensivierung der sozialen Reformen nach französischem Vorbild. Am 12.Dezember 1808 erhielt durch Verordnung der "Code Napoleon" Rechtskraft. Freiheit und Rechtsgleichheit aller wurden proklamiert. Es erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft (Eigenbehörigkeit) und des Colonatsrechts, Freikauf und bestimmte Dienste wurden ebenfalls aufgehoben. Es erfolgte die Eigentumsverleihung an die Colone und Erbpächter an ihren Höfen und Kotten. Am 11.09.1809 erfolgte die Aufhebung der Lehen und Lehensverhältnisse und nach dem Gesetz vom 13.09.1811 wurden nur noch Allodialgüter (freie Güter) zugelassen. Das volle Eigentum sollte fortan dem zustehen, der das Nutzungsrecht innehatte. Alle an den Gütern haftenden Natural-, Dienst- und Geldleistungen sollten als Grundrenten und -lasten behandelt werden.
Gegensätze
Zur Vorbereitung der Neuordnung im Bereich der Leibeigenschaft wurden um 1805 z. B. im Herzogtum Arenberg genaue Erhebungen durch die ordentlichen Gerichte durchgeführt. Befragt wurden sowohl die Eigenbehörigen als auch die Gutsherren. Diese "Tabellen mit Angaben über die jährliche Pacht, die Dienste, den Erbgewinn, den Sterbefall, die Holzungsrechte, den Viehbestand und den Hofesgrund der Güter privater Eigenbehöriger, erstattet sowohl von den Eigenbehörigen als auch vom Grundherrn", befinden sich im Staatsarchiv zu Münster, Herzogtum Arenberg B und sind nicht nur für den Familienforscher ein äußerst interessantes Dokument.
Äußerst aufschlußreich sind in der erwähnten "Tabelle" die Aufzeichnungen über die einzelnen Höfe. Da sowohl die Eigenbehörigen als auch die Grundherren befragt wurden, geben diese Aufzeichnungen nicht nur sachliche Inhalte wieder, sondern verraten gleichzeitig das damalige Tauziehen zwischen den Eigenhörigen einerseits und den Grundherren andererseits, die angesichts der bevorstehenden Reform noch retten wollten, was zu retten war. In den "weiteren Bemerkungen" am Schluß der Dokumente müssen sogar die "geheiligten Bücher und göttlichen Vorschriften des Alten und Neuen Bundes" herhalten, um den status quo der Eigenbehörigkeit zu rechtfertigen. Andererseits verraten die Dokumente aber auch, daß die Grundherren hierzulande durchaus nicht alle Rechte bis zum Letzten ausschöpften, die sie den Eigenbehörigen gegenüber besaßen.
- Hardick (Marl-Sickingmühle)/Hofzustand 1805 Hier ein Befragungsbeispiel.
Preußisches Allgemeines Landrecht
Nach der Schlacht bei Leipzig 1813 nahm Preußen von Münster Besitz. Endgültig zugesprochen wurde es ihm auf dem Wiener Kongreß. Am 09.09.1814 wurde das Allgemeine Landrecht eingeführt.
Preußische Befreiungsvariante
Die preußische Regierung hob die französischen Befreiungsgesetze wieder auf und ersetzte sie ab 1820 durch andere in Preußen vorher bereits gültige Gesetze, die bedeutend ungünstiger waren. Abgaben und Verpflichtungen sollten abgelöst werden durch einmalige Zahlungen oder Landzuweisungen. Dieser Vorgang zog sich noch lange hin. Ab 1850 wurde er den Bauern erleichtert durch die Gründung einer Rentenbank. Erst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wurden alle Bauern nach und nach volle Herren ihres Besitzes. Auch dazu gibt es in den Archiven eine Vielzahl erhaltener Unterlagen.
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- --Bodo-stratmann 18:45, 28. Mai 2006 (CEST)