Gerichtswesen Deutschland

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Dieser Artikel befasst sich mit dem Gerichtswesen der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland ab 1879

Einleitung

Mit den 1877 beschlossenen Reichsjustizgesetzen[1] wurde erstmals in Deutschland eine einheitliche Gerichtsordnung geschaffen. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) trat mit allen weiteren Gesetzen am 01. Oktober 1879 in Kraft.[2]. Vereinheitlicht wurden dabei unter anderem Regelungen über

  • den mehrstufigen Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit,
  • die Zuständigkeit der Gerichte in Zivilsachen und in Strafsachen,
  • die Zuständigkeit und Besetzung der einzelnen Spruchkörper,
Gerichtsaufbau Deutschland Stand 2011

Eingeführt wurde der vierstufige Aufbau der Gerichte:

  1. Bundesgerichtshof (BGH) (ab 01.Oktober 1950 in Karlsruhe) bzw. Reichsgericht (1879 bis 1945 in Leipzig)
    • Zivilsachen: Revisionsinstanz
    • Strafsachen:Revisionsinstanz. Berufungsinstanz für Hoch-und Landesverratsfälle
  2. Oberlandesgericht (OLG)
    • Zivilsachen: Berufungsinstanz für LG und Urteile der AG in Familiensachen
    • Strafsachen:Berufungs-und Revisionsinstanz. Erstinstanz für Hoch-und Landesverratsfälle
  3. Landgericht (LG)
    • Zivilsachen:u.a. Streitsachen im Wert ab 5000€ und Berufungsinstanz für AG
    • Strafsachen:Erstinstanz für schwere Straftaten und Berufungsinstanz für AG
  4. Amtsgericht (AG)
    • Zivilsachen: u.a. Streitsachen im Wert bis 5000€ , auch Miet und Familiensachen
    • Strafsachen: Erstinstanz für Straftaten, sofern dies nicht dem Landgericht obliegt

Als Besonderheit gibt es in Bayern auch noch ein "Bayrisches Oberstes Landesgericht" (aufgelöst 2004, wiedererrichtet 2018) als Revisionsinstanz statt BGH, wenn nur Landesnormen betroffen sind

Oberlandesgerichte gab es erstmals ab 1808 in den preußischen Ländern, wurden aber bereits 1849 in einer Reform in Ober-Apellationsgerichte umbenannt.

Auf dem folgenden Portal sind die Anschriften der aktuell örtlich zuständigen Gerichte in Deutschland zu finden: Justizportal NRW

Der Gerichtsbau im zeitlichen Ablauf:

Deutsches Reich 1879 - 1945

Zum 01. Oktober 1879 wurden zunächst 28 Oberlandesgerichte und die zugehörigen Landgerichte eingerichtet[3], in der Regel benannt nach dem Dienstsitz. Berlin behielt aus historischen Gründen den Namen Kammergericht bei.

Oberlandesgericht Landgerichte Bestandszeit Amtsgerichte
Königsberg Allenstein, Bartenstein, Braunsberg, Insterburg, Königsberg, Lyck, Tilsit bis 1945 70
Marienwerder 1920 teilweise Abtretung an Danzig und Polen Conitz, Danzig, Elbing, Graudenz , Thorn bis 1943 40
Kammergericht in Berlin Berlin I, Berlin II, Cottbus, Frankfurt a. O., Guben, Landsberg a. W., Potsdam, Prenzlau, Neuruppin
Stettin Greifswald, Stettin, Stargard, Köslin , Stolp bis 1945 57
Posen Landgericht Bromberg, Gnesen, Lissa, Meseritz, Ostrowo, Posen und Schneidemühl bis 1919, 1939-1945 61
Breslau Beuthen, Breslau, Brieg, Glatz, Gleiwitz, Glogau, Görlitz, Hirschberg, Liegnitz, Neisse, Oels, Oppeln, Ratibor , Schweidnitz bis 1945
Naumburg (Saale),[4] Dessau (ab 1886), Erfurt, Halberstadt, Halle, Magdeburg, Naumburg, Nordhausen, Stendal und Torgau bis 1952, ab 1992 128
Kiel Altona (bis 1937, Sitz nach Itzehoe verlegt),Flensburg, Kiel, ab 1937 Lübeck,
Celle,[5] Aurich, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Osnabrück, Stade, Verden, Bückeburg (ab 1909)
Hamm Arnsberg, Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Essen, Hagen, Münster, Paderborn
Kassel,[6] Kassel, Hanau, Marburg 076
Frankfurt a. M. Frankfurt a.M., Hechingen, Limburg, Neuwied, Wiesbaden,
Köln Aachen, Bonn, Kleve, Koblenz, Köln, Düsseldorf, Elberfeld, Saarbrücken, Trier
München[7] München I, München II, Traunstein, Deggendorf, Landshut, Passau, Straubing
Zweibrücken Frankenthal, Kaiserslautern, Landau, Zweibrücken
Bamberg Bamberg, Bayreuth, Hof, Aschaffenburg, Schweinfurt, Würzburg
Nürnberg Amber, Regensburg, Weiden, Ansbach, Fürth, Nürnberg
Augsburg Augsburg, Kempten, Memmingen, Neuburg an der Donau, Eichstätt bis 1932
Dresden,[8] Dresden, Leipzig, Bautzen, Zwickau, Chemnitz, Freiberg, Plauen bis 1952, ab 1993 103
Stuttgart,[9] Ellwangen, Hechingen, Heilbronn, Ravensburg, Rottweil, Stuttgart, Tübingen und Ulm
Karlsruhe),[10] Baden-Baden, Freiburg, Heidelberg (ab 1899), Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Mosbach, Offenburg und Waldshut-Tiengen
Colmar im Reichsland Elsaß-Lothringen,[11] Colmar, Metz, Mülhausen, Saargemünd, Straßburg, Zabern 1879-1918, 1940-1945 79
Darmstadt,[12] Mainz, Darmstadt, Gießen
Hanseatisches OLG in Hamburg auch für Bremen und Lübeck,[13] Hamburg, Bremen (bis 1947), Lübeck (bis 1937)
Rostock; auch für Mecklenburg-Strelitz,[14] Schwerin, Rostock, Neustrelitz, Greifswald bis 1952, ab 1993
Braunschweig,[15] Braunschweig, Holzminden (bis 1890)
Oldenburg; bis 1909 auch für Schaumburg-Lippe[16] Oldenburg, Bückeburg (bis1909)
Jena; auch für alle thüringischen Staaten Eisenach, Weimar, Meiningen, Altenburg, Gotha, Greiz, Gera, Rudolstadt bis 1952, ab 1993
  • das OLG Rostock wurde 1943 kriegsbedingt nach Schwerin verlegt.
  • das Land Schaumburg-Lippe schloss sich 1909 dem OLG Celle an
  • mit dem Groß-Hamburg-Gesetz 1937 wurde Lübeck ein Teil Schleswigs und damit dem OLG Kiel zugehörig. Von dort wechselte die Stadt Altona nach Hamburg. Der dortige Sitz des LG wurde nach Itzehoe verlegt.

Bis 1945 wurde weitere OLG errichtet bzw. 1938 die österreichischen OLG integriert. In Österreich erfolgte zudem die Umbennung der Kreisgerichte in "Landgericht" und der Bezirksgerichte in "Amtsgericht".[17]

Oberlandesgericht Landgerichte Bestandszeit Amtsgerichte
Düsseldorf Düsseldorf, Duisburg, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach und Elberfeld (ab 1930 Wuppertal) 1906 neu aus Teilen der OLG Köln und Hamm
Wien Korneuburg, Krems, St. Pölten, Wien, Wiener Neustadt, Znaim (Sudetenland) 1938-1945
Graz Graz, Klagenfurt, Leoben 1938-1945
Linz[18] neu aus Teilen des OLG Wien Linz, Ried, Steyr, Wels 1938-1945
Innsbruck Feldkirch, Innsbruck, Salzburg 1938-1945
Danzig Bromberg, Danzig, Elbing, Graudenz, Konitz, Thorn, Marienwerder (ab 1943) 1939–44
Prag Brünn, Prag 1939–45 12
Leitmeritz Böhmisch-Leipa, Brüx, Eger, Leitmeritz, Mährisch Schönberg, Neutitschein, Reichenberg, Trautenau, Troppau 1939–44
Kattowitz Beuthen-Kattowitz, Bielitz, Gleiwitz, Neisse, Oppeln, Ratibor und Teschen 1941–45
  • Mit Kriegsende 1945 gingen die OLG Breslau, Königsberg, Marienwerder und alle ab 1939 errichteten OLG infolge der Gebiestsverluste unter.
  • Die österreichischen OLG kamen wieder in die Gerichtsstruktur Österreichs
  • Das Reichsgericht wurde aufgehoben
  • Sämtliche Sondergerichte wurden aufgehoben
  • Das Gerichtswesen unterstand nun der Aufsicht der alliierten Besatzungsmächte


Bundesrepublik Deutschland

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielten die Bezirke aufgrund der Grenzen der alliierten Besatzungszonen teilweise einen neuen Zuschnitt. Neue Oberlandesgerichte wurden in Tübingen (im Kloster Bebenhausen 1946-1952), Freiburg (1946-1952), Koblenz und Bremen eingerichtet, da deren Gerichtsbezirke bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs jeweils von einem Oberlandesgericht abgedeckt worden waren, das nach 1945 in der Besatzungszone einer anderen Besatzungsmacht lag.

  • 1946 verlegt das OLG Zweibrücken wegen der kriegsbedingten Zerstörung des Zweibrücker Schlosses seinen Sitz bis 1965 nach Neustadt an der Weinstraße
  • das OLG Kiel verlegt den Sitz nach Schleswig
  • 1957 kommt mit dem Beitritt des Saarlandes auch das OLG Saarbrücken zum Bundesgebiet
  • zum 01.Oktober wurde der Bundesgerichtshof in Karlsruhe errichtet. Nach der Wiedervereinigung wurde ein Senat in Leipzig angesiedelt.
  • 1992/93 wurden die OLG Rostock, Brandenburg/Havel, Jena, Naumburg, Dresden neu errichtet


Die Oberlandesgerichte in Deutschland (Stand 01.2022)
Oberlandesgericht Bundesland Landgerichte Anzahl Amtsgerichte
Karlsruhe BW Baden-Baden, Freiburg, Heidelberg , Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Mosbach, Offenburg und Waldshut-Tiengen 52
Stuttgart BW Ellwangen, Hechingen, Heilbronn, Ravensburg, Rottweil, Stuttgart, Tübingen und Ulm 56
Bamberg BY Aschaffenburg, Bamberg, Bayreuth, Coburg, Hof, Schweinfurt, Würzburg 18
München BY Augsburg, Deggendorf, Ingolstadt, Kempten (Allgäu), Landshut, Memmingen, München I, München II, Passau, Traunstein, 38
Nürnberg] BY Amberg, Ansbach, Nürnberg-Fürth, Regensburg, Weiden i.d.Opf. 17
Bayerisches Oberstes Landesgericht BY Revisionsinstanz für die bay. OLG, sofern nicht das BGH zuständig
Kammergericht BE Landgericht Berlin (drei Dienststellen) 11
Brandenburgisches OLG in Brandenburg an der Havel BB Cottbus, Frankfurt a. O.,Potsdam, Neuruppin 24
Hanseatisches OLG Bremen HB Bremen 3
Hanseatisches OLG in Hamburg HH Hamburg 8
Frankfurt am Main HE Darmstadt, Frankfurt am Main, Fulda, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg an der Lahn, Marburg, Wiesbaden, 41
Rostock MV Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, Stralsund 10
Braunschweig NI Braunschweig, Göttingen 16
Celle NI Bückeburg, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Verden 41
Oldenburg NI Aurich, Oldenburg, Osnabrück 23
Düsseldorf NW Düsseldorf, Duisburg, Wuppertal, Mönchengladbach, Krefeld, Kleve 29
Hamm NW Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn , Siegen 77
Köln NW Aachen, Bonn, Köln 9
Koblenz RP Bad Kreuznach, Koblenz, Mainz, Trier 31
Pfälzisches OLG Zweibrücken RP Frankenthal i.d.Pfalz, Kaiserslautern, Landau i.d.Pfalz, Zweibrücken 15
Saarländisches OLG Saarbrücken SL Saarbrücken 10
Dresden SN Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig, Zwickau 25
Naumburg (Saale) ST Dessau-Roßlau, Halle, Magdeburg, Stendal 25
Schleswig SH Flensburg, Itzehoe, Kiel, Lübeck 22
Jena TH Erfurt, Gera, Meiningen, Mühlhausen 23


Sonderfall Berlin

Die Stadt Berlin war bis 1920 Teil der Provinz Brandenburg. Das Kammergericht bildete daher das einzige Oberlandesgericht der Provinz. In Berlin waren zunächst zwei Landgerichte ansässig:

  • Berlin I mit dem gleichnamigen Amtsgericht zuständig für das eigentliche Stadtgebiet.
  • Berlin II mit 14 Amtsgerichten für die Umland-Gemeinden.
  • Berlin III wurde bereits 1899 durch Teilung von Berlin II errichtet.

Mit dem Groß-Berlin-Gesetz entstand 1920 die Stadt Berlin heutigen Umfangs. Es folgte eine Neuordnung der dann 11 Amtsgerichte der Landgerichte II und III. Gleichzeit löste sich Berlin von der Provinz, das Kammergericht blieb aber weiterhin dafür zuständig.

1933 wurden die drei Berliner Landgerichte zusammengelegt.



Deutsche Demokratische Republik

Referenzen

<references>

  1. Artikel Reichsjustizgesetze. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
  2. Artikel Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
  3. Gesetz, betreffend die Errichtung der Oberlandesgerichte und Landgerichte vom 4. März 1878 (GS S. 109)
  4. auch für Anhalt (GS 1879 S. 182) und Schwarzburg-Sondershausen (GS 1879 S. 173)
  5. auch für Lippe (GS 1879 S. 219) und Waldeck-Pyrmont (GS 1879 S. 619), ab 1909 auch für Schaumburg-Lippe
  6. auch für Waldeck (GS 1879 S. 619)
  7. Bayern: Königlich Allerhöchste Verordnung, die Bestimmung der Gerichtssitze und die Bildung der Gerichtsbezirke betreffend, vom 2. April 1879 (GVBl. [355])
  8. Dresden (Gerichtsstraße 2): Gesetz, Bestimmungen zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 und über die Zuständigkeit der Gerichte in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit enthaltend, vom 1. März 1879 (GVBl. S. 59)
  9. Stuttgart (Urbanstraße 18): Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze vom 24. Januar 1879 (Reg.-Bl. S. 3)
  10. Karlsruhe (Hoffstraße 10): Gesetz, die Einführung der Reichs-Justizgesetze im Großherzogthum Baden betreffend, vom 3. März 1879 (GVBl. S. 91)
  11. Colmar (Hohlandsbergwall): Gesetz für Elsaß-Lothringen, betreffend die Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 4. November 1878 (GBl. S. 65)
  12. Darmstadt (Mathildenplatz): HessAmtsBL|typ=HRBL |hrsg=Großherzog von Hessen und bei Rhein |titel=Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze |nr=15 |jahr=1879 |datum=1879-05-14 |seite=197 |seiten=197–211|kbytes=17800
  13. Hamburg (Sievekingplatz): Übereinkunft der drei freien Hansestädte, betreffend die Errichtung eines gemeinschaftlichen Oberlandesgerichts, vom 30. Juni 1878 (HmbGS S. 105)
  14. Rostock (Lange Straße 65): Verordnung zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 17. Mai 1879 (Rbl. S. 131 bzw. Offizieller Anzeiger Nr. 151)
  15. Braunschweig (Münzstraße 17): Ausführungsgesetz zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze vom 1. April 1879 (GVS S. 131)
  16. Oldenburg (Elisabethstraße 7): Gesetz, betreffend die Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich, vom 10. April 1879 (GBl. S. 330)
  17. Linz:Verordnung über die Änderung der Bezeichnung von Gerichten im Lande Österreich vom 2. August 1938 [1]
  18. Linz:Verordnung über die Errichtung eines Oberlandesgerichtes in Linz (Donau) vom 9. Februar 1939 [2]