Glockenschlag
Lebensumstände, Glockenschlag: Innerhalb und außerhalb der Stadtmauern, innerhalb der Kirchspiele, hatte ebenfalls der Fiskus Zugriff auf das Glockengeläut der Kirchen. Bei Bedrohung eines Kirchspiels hatte der vom Fiskus eingesetzte Führer die Führer der Nachbarkirchspiele zu verständigen, welche dann ihre Bevölkerung ebenfalls mit Glocken- und Trommelschlag zu alarmieren hatten...
Glocke ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Glocke. |
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Glockenschlag bei Kirche und Staat
Seit der Zeit Karls des Großen ist der Glockengebrauch (Glockengeläut) als Gebetsaufruf in Klöstern und Pfarrkirchen fest eingeführt und bildete seither für die mittelalterliche christliche Welt den Standard.
Päpstliche Edikte ordnen die Zeiten und die Arten des Gebetsläutens für Klöster und Pfarrkirchen. Im Laufe der Kirchengeschichte wird so das Angelusläuten geregelt, das Geläut zur Gottesdienstfeier erfolgt durch ein dreimaliges Läuten. Weiter entstehen mit der Zeit die Bräuche der Scheidglocke, die Toten- oder Sterbeglocke, sowie das Grabgeläut zur Trauerfeier.
In Nachfolge der Reformationwerden die bisherigen Läuteordnungen mit geringen Abweichungen weiter praktiziert. Die neuen Kirchenordnungen betonen die Nutzung der Glocken als „führnehmlich zum Gottesdienst verordnet, das dadurch das Volk zum gehöre gottesworts und gemeinem gebete versamlet werde“ (Kirchenordnung Leipzig 1580).
Die Einschränkung "führnehmlich zum Gottesdienst" macht hier bereits eine weitere Nutzung deutlich, nämlich die Anwendung zu Signalzwecken bei Sturm-, Wasser- oder Feuergefahr und zu öffentlichen Aufrufen oder Bekanntmachungen. Hier nahm das Läuterecht oder Recht des Glockenschlagens der Fiskus für seine Zwecke in Anspruch. Innerhalb der Stadtmauern wurden dann auch zur besseren Klangunterscheidung zunehmend öffentliche Glocken als "Rathausglocken" installiert.
Diese wurden ausschließlich für die Belange des öffentlichen Lebens eingesetzt und befanden sich daher in den Türmen von Rathäusern, manchmal auch in Stadttoren oder anderen weltlichen Gebäuden von besonderer Bedeutung. Als Signalgeber besaßen damit Glocken nicht nur im kirchlichen, sondern auch im weltlichen Leben einer Stadt, aber auch auf dem Lande in einem Kirchspiel besondere Aufgaben.
Der jeweilige Anlass des Glockengeläuts wurde durch den Zeitpunkt, die Schlagfolge und die Intensität beim Läuten erkennbar. Bei dem Läuten der Glocken ist in Ober- und Niedersachsen ein Puls (z.B. zu 3 Schlägen) das Läuten der Glocken von einer Pause (Intervall von z.B. 20 Sekunden) bis zur andern. Einen Puls läuten, zwei Pulse u. s. f. Der erste Puls, der zweite, der dritte. So z.B. heute noch beim sonntäglichen einläuten des Gottesdienstes. [1]
Während die meisten Glocken im Kirchturm "schwingend" geläutet wurden; wurde mit anderen Glocken gebeiert oder auch, nach jeweiligem lokalem Brauch,gekleppt.
Außerhalb der Stadtmauern, innerhalb der Kirchspiele, hatte ebenfalls der Fiskus Zugriff auf das Glockengeläut der Kirchen. Bei Bedrohung eines Kirchspiels hatte der vom Fiskus eingesetzte Führer die Führer der Nachbarkirchspiele zu verständigen, welche dann ihre Bevölkerung ebenfalls mit Glocken- und Trommelschlag zu alarmieren hatten. [2]
Haus Lembeck: Im Jahre 1723 hatte das Haus Lenbeck die "Criminal- und Civiljurisdiction, Klockenschlag, Gebodt und Verbodt in der Herrschaft Lembeck, über die Kirspelen alß Lembeck, Rade, Wulfen, Hervest, Holsterhaußen, Erle und Schermbeck und deren Districten".[3]
Wie wir sehen, begleiteten vom Mittelalter bis in die Neuzeit Glocken den Tagesablauf und bestimmten den Lebensrhythmus der Menschen in einem viel stärkeren Maße als es heute vorstellbar ist.
Glockemschlag im Fürstbistum Münster
Landesherricher Glockenschlag 16.04.1539: Aufforderung an die Ritterschaft, sich gut gerüstet zu halten, um beim Glockenschlag dem Amtmann (Drosten) folgen zu können.
Glockenschlag in einer Herrlichkeit
Richterliches Dokument von 1486, das besagt, dass alle Eingesessenen der Herrlichkeit Raesfeld dem Gericht Lembeck folgen müssen, auch, dass der Glockenschlag und das Kirchengebot im Hause Lembeck ist.
Glockenschlag im Herzogtum Westfalen
Rundschreiben des Amtmanns Dietrich Lilien an den Adel im Amte Werl im Jahre 1590, sich zu erklären ob sie sich auf Erfordern und Glockenschlag mit 1 Mann, Pferd und Harnisch zur Verteidigung des Vaterlandes stellen wollen.
Glockengießer
Glocken werden von den Glockengießern, welche zu den so genannten Rotgießern zählen, aus Metall gegossen.
Bier- oder Zechglocke
- 27.03.1640 Haltern, Stadtprotokoll: Um Glockenschlag neun (Uhr, abends) soll vom Rathaus geläutet werden und einem jedem, den Marketendern der einlagenden Soldaten sowohl als andern, das Zapfen darauf gänzlich verboten werden. Und sind die Wirte in Haltern im geringsten nicht schuldig, den Marketendern zu ihrem Bierzapfen Licht und anders zu verschaffen. Welcher Marketendern sich von den Bürgern etwas abborgt, der soll zur Bezahlung von dem Kommandanten, ohne jenige Ausflüchte, angehalten werden. [4]
Glockenschlag als Feuerglocke
- 01.06.1640 Haltern, Stadtprotokoll: Ist eine große Feuersbrunst in der Hohen Mark entstanden. Die ganze Bürgerei nach beschehenem Glockenschlag zur Alarmierung hinaus gelaufen und selbige gelöscht. [4]
Glockenschlag als Sturmglocke
- 05.02.1647 Haltern, Stadtprotokoll: Abends um 9 Uhr wollte eine Hessensche Kriegspartei von 17 Mann, unter Führung von Philipp von Castrup, über das Eis des zugefrorenen Stadtgrabens über die Mauer stürmen, welche vorher schon niedergerissen und nur mit losen Steinen wieder befestigt war, und in die Stadt eindringen. Diese wurde aber vom Rathaus her bewacht. Als man die Feinde beim Abgang der Runde bemerkte, wurde die Notglocke zum Alarm geläutet und durch einen großen Auflauf der vermutete Einfallversuch durch Spanier abgewehrt. [4]
Wahlaufruf durch Notglocke
- 27.12.1647 Haltern, Stadtprotokoll: Die Bürger wurden nach geendigtem Gottesdienst durch die Notglocke (auf dem Rathaus) aufgerufen, auf dem Bürger- oder Stadthaus beisammen zu kommenn und zur vorhabendem Ratswahl nach altem Brauch die Wahlmänner zu wählen. [4]
Freudengeläut zum "Westfälischen Frieden
- 05.10.1648 Haltern, Stadtprotokoll: Es kommt eine Zeitung an, dass der Landfriede von den Reichsständen mit den Koronen Schweden und Frankreich geschlossen sei und derselbe vereinbart und verkündet werden soll. Aus diesem Grunde erfolgten 3 Salven mit Geschützen und Musketen binnen Dülmen und in den Pausen wiederholts Glockengeläut. [4]
Notglocke zur öffentlichen Vergatterung am Heilstag
- 07.01.1655 Haltern, Stadtprotokoll: Am Heilstag, wie er hier genannt wird, wurde die Notglocke wie gewöhnlich geläutet und dadurch die gesamte Gemeinheit zur Zusammenkunft auf das Bürger- oder Stadthaus gerufen, der Herr Richter die neuen Ratsmitglieder vergattert und geltenden Regeln vom 15.03.1627 und 15.03.1632 deutlich und öffentlich vorgelesen und neuen Ratsmitglieder ernstlich ermahnt, sich danach zu verhalten. [4]
Bestimmung der Arbeitszeit
Das Läuten der Morgenglocke kündigte den Beginn des neuen Arbeitstages, das Offnen der Werkstätten und Läden sowie die Öffnung der Stadttore an, während die Abendglocke das Ende des Arbeitstages bekannt gab. Nach dem zweiten Abendläuten wurden die Stadttore geschlossen und die Wachpflicht für die Bürger begann.
Zweckwidmung des Glockenschlags
Mit dem Läuten der Marktglocke wurden Öffnungs- und Schließzeiten der Wochen- oder Jahrmärkte angekündigt. Die sogenannte Bierglocke oder Zechglocke läutetet das Ende der Schankzeiten in den Wirtschaften und die Wächterglocke den Beginn der Wachrunden der Nachtwächter.
Rats- oder Bekanntmachungsglocke
Beim Klang der Ratsglocke traten die Mitglieder des Stadtrates zu ihren Sitzungen zusammen, während die Bürgerglocke die Bürgern bei wichtigen Ereignissen und Ratsmännerwahlen zusammenrief, wo Zusammenkünfte angekündigt oder Bekanntmachungen verlesen wurden (Nur etwa die Hälfte der Stadtbewohner konnten um 1800 lesen). [5]
Alarmglocke, Sturmglocke oder Feuerglocke
Auf drohende Gefahren oder Brand wies die an ihrem unstimmigen Klang (Pulsfrequenz) zu erkennende Alarmglocke, Sturmglocke oder Feuerglocke hin. Bürger, die diese Glocke überhörten und nicht zur Hilfeleistung erschienen, hatten mit empfindlichen Strafen zu rechnen. [6]
Haus- und Hofglocken
In ländlichen, von den nächsten Ortschaften und Kirchen weiter entfernt liegenden Streusiedlungen und Einzelgehöften dienten Haus- und Hofglocken auch noch im 19. Jahrhundert als Signalgeber für die Bevölkerung.
Die Glocken waren in hölzernen oder in kunstvoll geschmiedeten eisernen Ständern auf den Dächern der größeren Gehöfte angebracht. Im Münsterland befanden sich diese Glocken häufig in kleinen, mit Holz verkleideten Glockenstühlen auf den Hauptgebäuden der sogenannten Schultenhöfe oder auf Adelshöfen .
Damit die Zuhörer „ihre" Glocke erkannten und die Nachrichten „verstanden", waren die Glocken der Gehöfte klanglich unterschiedlich gestimmt. Auch ließ sich an der Art und Weise, „wie die Glocke geschlagen wurde", feststellen, wer, warum gerade läutete.
In anderen Regionen Westfalens wurden die Glocken einer Bauerschaft in sogenannten Glockenbäumen aufgehängt. Die Glockeninteressenten übernahmen neben der Anschaffung und Instandhaltung der Glocke und der Pflege des Baumes auch die mit dem Läuten verbundenen Pflichten.
Z. B. Bauerschaftsglocke in Kilver in Rödinghausen/Kreis Herford:
- Vor dem 1. Weltkrieg wurde dreimal am Tage gekleppt. Die Leute richteten sich nach der Glocke. Wenn sie etwas besonderes hatten, gaben sie (durch Läuten) Bescheid. „Seid heute Abend pünktlich, wir wollen neue Bohnen setzen." Im Sommer wurde morgens um 7.00 Uhr, um 11.00 Uhr und abends um 19.00 Uhr gekleppt. Die Knechte auf den Feldern wussten dann Bescheid. Sie sagten: „Lasst uns aufhören, der Hahn hat gekleppt." Die Linde, in der die Glocke hing, war uralt und zuletzt innen ganz hohl. In dem Stamm befand sich ein Eulennest. ( ) [7]
Zu den wichtigsten Funktionen der Hausdachglocken gehörte das Läuten zu den Mahlzeiten. Aus Bayern sind dazu verschiedene Termine überliefert. So läutete eine Bäuerin um 6.00 Uhr oder 7.00 Uhr zum Frühstück, während sie um 11.00 Uhr oder gegen 12.00 Uhr den Hofbewohnern das Mittagessen ankündigte. Nachmittags wurden regional unterschiedlich entweder der Beginn der Stallarbeit, meistens gegen 17.00 Uhr, oder das Abendessen um 18.00 Uhr durch Läuten bekannt gegeben.
Bei besonderen Anlässen wurden die Hof- oder Hausglocken auch in bestimmten Rhythmen geläutet, um die außerhalb der Gehöfte auf den Feldern und Weiden oder im Wald arbeitenden Bewohner zu informieren oder im Brand- und Schadensfalle zur Hilfe zu rufen.
Fußnoten
- ↑ Quelle: Adelung, Joh. Christ.: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (1793-1801)
- ↑ Quelle: Scotti, Joh. Jos.: Sammlg. der Gesetze u. Verordnungen Fbst. Münster 1359-1811
- ↑ Quelle: Lagerbuch des Hauses Lembeck von 1723, Archiv Haus Lembeck
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Quelle: Schmitt, Gerhard: Die Stadt- u. Ratsprotokolle des Stadtsekretärs J. Schierle 1637-1659)
- ↑ Quelle: Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft (um 1800)
- ↑ Quelle: Goethe-Wörterbuch. Hg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (1978)
- ↑ Quelle: Westfälisches Glockenmuseum Gescher
Archive
- Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Westfalen, Gesamtarchiv von Landsberg-Velen (Dep.), ab) Glockengeläut Nr. 848, 855
- Stadtarchiv Haltern am See