Computergenealogie/2006/11

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Reise über den Karpatenbogen

Ein genealogischer Streifzug durch die Länder der ehemaligen K.u.K.-Monarchie

Die Karpaten schwingen sich in einem großen Bogen von der Donauniederung bei Pressburg rund um die ungarische Tiefebene bis zum Eisernen Tor bei Orsova, wo die Donau das Gebirge durchstößt. Wien ist ein ausgezeichneter Startpunkt für unsere genealogische Reise durch die Länder des Karpatenbogen.

Gehen Sie zuerst in das Österreichische Staatsarchiv. Ich empfehle Ihnen einen Blick in das K.K. Hofkammerarchiv (Johannesgasse 6), das derzeit aber wegen der Auslagerung einzelner Bestände in das Zentralarchiv geschlossen ist. Kaiserlich und königlich ist die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn von 1867 bis 1918 – der offizielle Name lautet in dieser Zeit: "Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder und die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone". Das "königlich" bezog sich übrigens auf die böhmische Königswürde. In Ungarn hieß es "m. kir." (magyar királyi) oder "kgl. ung." ("königlich ungarisch"). Das Kaisertum Österreich besteht seit 1804. Im Hofkammerarchiv, das heute eine Filiale des Finanzarchivs ist, werden das "Camerale Ungarn und Siebenbürgen" und die Banater Akten aufbewahrt. Das Banat war im 18. Jahrhundert kaiserlicher "Privatbesitz" und wurde von der Hofkammer verwaltet und besiedelt. Die Namenslisten wurde in den 30er Jahren von Wiener Studenten abgeschrieben und gedruckt. Allerdings entdeckte man später zahlreiche Fehler; eine neue Erfassung hat sich der Arbeitskreis donauschwäbischer Familienforscher zur Aufgabe gemacht und im Stader-Sammelwerk die gesamte Auswanderer-Literatur mit ausgewertet.

Wer sich für alte Landkarten interessiert, der sollte das Kriegsarchiv in der Nottendorfergasse 2 besuchen. Die beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (1080 Wien, Krotenthallergasse 3) erhältlichen Generalkarten von Mitteleuropa (1 : 200.000) von 1910 können in der Übersichtsseite angeklickt werden, die Scans bei http://lazarus.elte.hu. Ein weiterer wichtiger Bestand sind die Militärmatriken aus dem 18.-19. Jh. für Offiziere und einfache Soldaten. Im Zentralarchiv ist die Bibliothek auch online nutzbar. Nur hier fand ich z. B. das interessante Manuskript Namensverzeichnis von den in den Jahren 1686 bis 1739 ausgewanderten bzw. ausgewiesenen Berchtesgadener Protestanten von Alfred Spiegel-Schmidt, Berchtesgaden 1989.

Wenn Sie der Donau folgend, die Grenze von Wien aus überschreiten, erreichen Sie bald Pressburg (Bratislava, Pozsony), heute die Hauptstadt der Slowakei. Das Land hat sich 1993 von Tschechien getrennt. Pressburg war 1526–1848 Hauptstadt des Königreichs Ungarn. Hier residierten die Ungarische Hofkammer und der Landtag, die die Wiener Beschlüsse zur Besiedlung der donauschwäbischen Gebiete umsetzte.

Böhmen, Mähren, Sudeten

Tschechien umfasst heute die historischen Länder Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien. Über drei Millionen Deutsche in den Sudeten (die Bezeichnung der Gebirgsregionen an den Grenzen zu Deutschland und Polen) wurden 1945 vertrieben, viele getötet. Die Vorfahren der Sudetendeutschen wanderten hauptsächlich im 12. und 13. Jahrhundert in Zuge der Deutschen Ostsiedlung aus den angrenzenden deutschen Gebieten im heutigen Bayern, Franken, Sachsen, Schlesien und Österreich in die Grenzgebiete Böhmens und Mährens ein. Ausführliche Informationen zur Familienforschung bietet Dora Selig auf http://www.genealogienetz.de/reg/SUD. Sie beschreibt die historischen Siedlungsgebiete und sehr detailliert die genealogischen Quellen dazu. Andreas Hanacek hat genealogische Quellen, Ansprechpartner und Literatur für Nordmähren zusammengestellt.

Arnost Drozd ist der junge Webmaster der etwas verspielten Seiten der Tschechischen Genealogischen und Heraldischen Gesellschaft in Prag, des Clubs für tschechische Heraldik und Genealogie und der Akademie der heraldischen Wissenschaften der Tschechischen Republik (AHN). Eine Zweigstelle der Prager Gesellschaft leitet Karel Dvořák in Brünn: Die Mährische Genealogische und Heraldische Gesellschaft. Eine wenig beachtete Homepage von Karel Kysilka aus Mähren enthält ein paar gute Artikel (englisch) über die böhmischen Kirchenbücher, die Bestände des Provinzarchivs in Brünn oder tschechische Familiennamen. Historische Karten für Böhmen gibt es bei http://oldmaps.geolab.cz/ und auf CD. Die German-Bohemian Heritage Society bietet eine Namensliste deutsch-böhmischer Einwanderer in die USA.

Slowakei, Waldkarpaten, Hauerland und Zips

Folgen wir weiter den Karpaten Richtung Osten, so wandern wir in der heutigen Mittelslowakei durch das Hauerland und Bergstädterland. Deutsche Ordensleute riefen die deutschen Wald-und Bergbauspezialisten im 12. – 15. Jahrhundert, um den Goldabbau zu fördern. Schemnitz, Karpfen, Neusohl, Kremnitz, Deutsch-Proben, Liptau waren Städte mit deutschem Recht. Obwohl die Menschen friedlich unter Slowaken und Ungarn lebten, wurden sie zum Kriegsende 1944 durch Partisanenaufstände getötet (allein in Glaserhau 178 Männer) und später vertrieben. Heute leben dort nur noch wenige Karpatendeutsche.

Weiter östlich finden wir die Hohen Tatra (2665 m), den höchsten Berg der Karpaten und das Gebiet der 24 Zipser Städte (Nordzips) und die Zipsergründe (Südzips). Auch hier entstanden im 13. Jahrhundert freie Bergstädte und Kolonien, um Gold, Silber und Kupfer abzubauen. Die Fugger in Augsburg erwarben ihren Reichtum aus dem Handel- und Bankwesen mit der Zips. Für die frühe Siedungsgeschichte der Zips gibt es viele Gemeinsamkeiten mit den Siebenbürger Sachsen: Mundartkundliche Forschungen bestätigen die Herkunft aus dem moselfränkischen Raum von Luxemburg bis zum Niederrhein und Flandern. Die Wanderung der Siebenbürger erfolgte über Schlesien und die Zips. Eine Sehenswürdigkeit von Käsmark/Zips ist die 1717 nach dem Muster schlesischer Gnadenkirchen erbaute evangelische Artikularkirche, die größte Holzkirche Europas.

Die wenigen verbliebenen Deutschen in den Karpaten werden durch den Karpatendeutschen Verein in der Slowakei und die Monatszeitung „Karpatenblatt“ betreut. Die Zeitung, die im 15. Jahrgang erscheint, kann auch im Internet unter http://www.karpatenblatt.svan.sk aufgeschlagen werden. Die Slowakische genealogisch-heraldische Gesellschaft (SGHS, gegr. 1991) wird von Milan Šišmiš in Martin auf hohem Niveau geführt.

Karpato-Ukraine und Transkarpatien

Die westlichste Provinz der Ukraine, die an Ungarn und Slowakei angrenzt mit den Städten Uschgorod (ung. Ungvár) und Mukatschewo (ung. Munkács) ist überwiegend von Ruthenen (Ukrainern) bewohnt. Die ukrainische Website http://all.zakarpattya.net bietet ausführliche Informationen in Deutsch. Die frühe Besiedlung mit Deutschen erfolgte von der Zips und dem Hauerland aus. Es war immer Durchzugsgebiet, nicht nur für die Siedler nach Osten, sondern auch für die Armeen. Die wechselvolle Geschichte lässt das Gebiet mal zu Tschechien, Russland oder Ungarn gehören. Bis 1920 war es Teil von Österreich-Ungarn. 1910 lebten hier über 30.000 Deutsche, heute sind es ca. 3.000. Es gibt immer noch Kirchen, in denen die Messe deutsch gelesen wird. 2003 gab die Diözese Mukatschewo ein Buch über Transkarpatiens katholische Kirchen heraus. Das Dorf Pausching hatte sogar einen deutschen Bürgermeister. Der Ort Schönborn erinnert an die Besiedlung 1711–1733 aus Mainfranken durch den Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn im Gebiet Bereg, Munkatsch und Szentmiklós.

Galizien

Österreich hat bei den polnischen Teilungen im 18. Jahrhundert Galizien erworben und 1849 zum Kronland Galizien und Lodomerien (mit den Herzogtümern Auschwitz und Zator und dem Großherzogtum Krakau) erhoben. Es wurde 1918 von Polen unter der Bezeichnung Kleinpolen (Malopolska) annektiert. 1939 kam Ostgalizien zur Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, während Westgalizien bei Polen verblieb.

Die Website des Hilfskomitees der Galiziendeutschen A.u.H.B. im Diakonischen Werk der EKD bietet eine umfangreiche Kartensammlung und eine Tabelle der deutschen Siedlungen und Wohnorte. Manfred Daum, Leiter der AgoFF-Forschungsstelle Galizien, hat eine Liste von ca. 100 galizischen Ortsfamilienbüchern veröffentlicht. Auf der Startseite finden Sie auch den Link zur Datenbank Westgalizien (über 66.000 Personen) und Ostgalizien (3.000 Personen).

Die im Berlin Document Center aufbewahrte Kartei der Einwandererzentrale (EWZ 1939–1945) mit 55.694 Personen und 18.689 Familien wurde vom amerikanischen Nationalarchiv verfilmt und steht in den Forschungsbibliotheken der Mormonen zur Verfügung. Ein Register ist alphabetisch nach Namen, das zweite nach den Nummern der Stammblätten geordnet. Auf der Website http://galiziengermandescendants.org von G. Murray Gauer kann der für Galizien bereits ausgewertete Teil nach Namen durchsucht werden.

Wolhynien und Lodomerien

Nordöstlich von Galizien wird Wolhynien im Westen vom Bug, im Osten vom Dnjpr begrenzt. Ein Teil des historischen Wolhynien entspricht der heutigen Oblast Wolhynien als ukrainischer Verwaltungseinheit. Von 1772 bis 1918 bildete sie einen Teil des österreichischen Kronlandes Königreich Galizien und Lodomerien. Die Namen Galizien und Lodomerien sind Umlautungen von Halytsch und Wladimir. Die Website http://www.wolhynien.de enthält einen ausgezeichneten Leitfaden zur Familienforschung in Wolhynien. Jörg Fröhlich bietet ebenfalls ausführliche Informationen über Wolhynien und die Einwanderungszentrale an.

Bukowina

Die Bukowina ("Buchenland") ist 1785 von Österreich erworben und 1786 mit Galizien vereinigt worden. Sie erhielt 1849 den Status eines Kronlandes und entschied sich 1918 für den Anschluss an Rumänien. Die Nordbukowina wurde 1940 von sowjetischen Truppen besetzt, kam 1941 wieder zu Rumänien, das sie 1947 an die damalige Sowjetunion abtreten musste. Heute gehört die Nordbukowina mit der Hauptstadt Czernowitz zur Ukraine, der Süden zu Rumänien. Die Ansiedlung der Deutschen in der Bukowina erfolgte seit 1775 bis ca. 1850 aus Südwestdeutschland, aber auch aus dem Böhmerwald (Glasmacher), Egerland und der Zips (Bergarbeiter). Viele wurden wegen des großen Zustroms nach Galizien von dort in die Bukowina weitergeleitet. Die Weiterwanderung der Zipser in den Nösnergau und das Komitat Bistritz-Nassod in Rumänien hält auch nach 1900 bis ca. 1938 an. Das 1880 angelegte Familienbuch von Wallendorf nordöstlich von Bistritz gibt Auskunft über die Bevölkerungsstrukturen, die Ernst Wagner im Siebenbürgischen Archiv (Band 6, 1967) analysiert hat.

Das Bukowina-Institut der Universität Augsburg verwaltet eine umfangreiche Fachbibliothek und gibt zahlreiche Publikationen heraus, darunter auch interessante genealogische Arbeiten. Auf den Seiten von Peter R. Elbau gibt es zahlreiche Bilder und Informationen und eingescanntes Material, z. B. die Volkszählung von 1900 für Czernowitz. Die umfangreichsten Informationen bietet die amerikanische Bukowina Society an, die große Datenbank mit 190.000 Namen ist allerdings nur Mitgliedern zugänglich.

Siebenbürgen und Banat

In Heft 2/2006 der Computergenealogie wurden bereits das „Land hinter den Wäldern“ und die Siebenbürger Sachsen vorgestellt. Daher seien hier die Links beschränkt auf die Website der Landsmannschaft, http://www.siebenbuerger.de, und die Seiten von Christa Tabara für die Sektion Genealogie des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), http://www.genealogienetz.de/vereine/AKSL.

Für das Banat im westlichen Rumänien sind bisher nur die von Treude während des Krieges verfilmten Kirchenbücher zugänglich. Franz James Gruber hat die Neupanater Mikrofilme eingescannt und veröffentlicht. Dem Vorsitzende der Heimatsortsgemeinschaft ist es gelungen, auch die digitalisierten Kirchenbücher bis 1991 zu beschaffen und zu verkarten. Viele Banater Orte haben eigene Webseiten und Ortsfamilienbücher. Auf der englischsprachigen Seite http://www.rudolfsgnad.net hat die Arbeitsgemeinschaft um Philipp Lung alle verfügbaren und geplanten Familienbücher genannt.

Serbien, Bosnien, Kroatien

Die Forschungsmöglichkeiten in Serbien und Bosnien/Herzegowina sind ungleich schlechter. Es wird kaum Zugang zu den Archivalien gewährt. Kirchenbücher gibt es für die Batschka nur als Duplikate verfilmt (aus Kalocsa / Ungarn). In Kroatien (Syrmien und Slawonien) haben einzelne Forscher die verfügbaren Kirchenbücher und Standesamtsregister ausgewertet, z. B. Rosina Schmidt und Wally Schlegel für Hrastovac-Eichendorf: http://www.hrastovac.com.

Ungarn

In der Computergenealogie 3/2005 finden Sie wichtige Links für genealogische Forschungen in Ungarn. Weil alle Kirchenbücher verfilmt und bei den Mormonen zugänglich sind, ist die Forschung leicht. Im Staatsarchiv Budapest sind die Kirchenbuchverzeichnisse und Archivbestandsverzeichnisse online recherchierbar. Neue historische Landkarten und Quellen (z. B. Siebmacher für Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien) hat der Arcanum-Verlag zusammen mit dem Archiv auf CD und DVD herausgebracht. (Günter Junkers)

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