Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1895/123

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1895
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Nr. 20.


Artikel 30.

      Die Landeskommission entscheidet über alle Reklamationen gegen die Veranlagung und über die von den Vorsitzenden der Veranlagungskommissionen eingelegten Berufungen. Sie entscheidet ferner über alle gegen das Verfahren der Veranlagungskommissionen vorgebrachten Beschwerden einschließlich derjenigen, welche die Frage betreffen, ob die in Artikel 26 erwähnten Versäumnisse entschuldbar sind.

Artikel 31.

      Zum Zwecke der Prüfung der von den Steuerpflichtigen angebrachten Reklamationen hat der Vorsitzende der Landeskommission, wenn die thatsächlichen Verhältnisse nicht schon klar genug vorliegen, um danach die Entscheidung treffen zu können, zunächst den Versuch zu machen, durch nähere Aufklärungen und Nachweisungen von Seiten des Reklamanten die Wahrheit zu erforschen. Erscheinen die hierdurch erzielten Resultate indessen der Landeskommission nicht ausreichend, um die Entscheidung darauf zu gründen, so steht dieser die Befugniß zu, eine genaue Feststellung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Reklamanten zu veranlassen, und zu diesem Behufe Zeugen, äußersten Falls eidlich durch das betreffende Gericht vernehmen zu lassen, behufs der nöthigen Erörterungen Sachverständige zuzuziehen, dem Reklamanten bestimmte Fragen über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse vorzulegen, sowie ihn aufzufordern, die in seinem Besitze befindlichen Urkunden, Pachtkontrakte, Schuldverschreibungen u. s. w. zur Einsicht vorzulegen, auch seine Handelsbücher auf Verlangen durch den Steuerkommissär oder einen andern Beauftragten der Landeskommission in seinem Geschäftslokale einsehen zu lassen.
      Hat Reklamant den an ihn gestellten Aufforderungen entsprochen, dann trifft die Kommission, im Falle sie sich für ausreichend unterrichtet erachtet, auf Grund aller gesammelten Nachrichten ihre Entschließung. Wenn jedoch binnen der zu bestimmenden Frist die erforderte Auskunft nicht ertheilt wird, oder die betreffenden Urkunden etc. nicht vorgelegt werden, so wird - was dem Reklamanten jedesmal bei der Aufforderung zu eröffnen ist - angenommen, daß er die angebrachte Reklamation zu begründen außer Stande sei und dieselbe abgewiesen.
      Auch ist die Landeskommission, wenn es an anderen Mitteln, die Wahrheit zu ergründen, fehlt, berechtigt, den Reklamanten zur Erklärung an Eidesstatt über die in Betreff seines Einkommens von ihm selbst gemachten Angaben aufzufordern. Sie hat für einen solchen Fall in einer darüber zu erlassenden Entscheidung die eidesstattliche Erklärung wörtlich vorzuschreiben, auch die mindestens achttägige Frist zu bestimmen, nach deren Ablauf diese Erklärung abzugeben ist, widrigenfalls die angebrachte Reklamation als unbegründet zurückzuweisen sein würde.
      Dem pflichtmäßigen Ermessen der Landeskommission bleibt es übrigens lediglich überlassen, welche der erwähnten Mittel sie zur Ergründung der Wahrheit in Anwendung bringen will.