Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/22
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den Saal zu seinem Knechte und fragte: „Was giebts? Was
ist geschehen?“ Kaum konnte er vor Weinen die Worte hervorbringen!
„Ach unser lieber Pfarrer muß fort.“ „Wie aus
dem Lande?“ Antw.: „Ja.“ Nun hatte ich genug. Ich eilte in
den Saal zurück auf meinen Platz, aber die ganze Versammlung
schwamm in Thränen. Endlich erschien Joseph Str., Candidat
der Theologie, vor dem Altar und versuchte eine tröstende
Ansprache, deren er freilich selbst bedurfte, an die Gemeinde
zu halten, wurde aber wenig gehört. Der Saal wurde verlassen.
Was im Pfarrhause war, weinte; wo man Leute auf
der Straße sah, die weinten. Weinend ging man den Tag
über im Pfarrhause ab und zu; Lindl selbst hatte ganz rothgeweinte
Augen. Zwei oder drei Tage vergingen mit Rüstungen
zur Reise und der Uebergabe von Rechnungen, Geldern und
des Kirchen-Archivs. Als alles fertig war und der Reisewagen
vor dem Pfarrhause Stand (10 Uhr Morg.), verkündigte auf
einmal das einzige kleine Glöcklein auf dem Betsaale in traurigen,
feierlichen und doch schneidenden Klängen der Gemeinde
die Abreise ihres lieben Pfarrers, und es erfolgte ein Auftritt,
den ich nie vergessen werde. Von allen Ecken und Enden
kam Alt und Jung, Klein und Groß, nicht gegangen, sondern
buchstäblich gelaufen. In ein Paar Minuten stand die ganze
Gemeinde im Pfarrhause; Alles weinte, manche überlaut;
man drängt sich ins Vorhaus und Zimmer, in dem
Lindl war; der tröstete: „lieben Kinder, der Heiland bleibt
bei Euch, wenn ich auch fort muß; haltet Euch an Ihn und
fügt euch in seinen Willen; - wir werden uns wiedersehen. –“
Jeder streckte die Arme nach ihm aus und war bemüht, seinen
Dank auszusprechen, ihm den Abschiedskuß zu geben und das
letzte Lebewohl zu sagen. Ich, als Fremder, hielt mich von
der Gemeinde etwas entfernt, konnte aber daher desto besser
das Ganze übersehen. Endlich gelang es ihm, sich durch die
Menge durchzuwinden; er sprang auf den Wagen, indem
schon seine Frau Elisabeth, sein Söhnchen Samuel und das
Kindermädchen Victoria saßen, entblößte das Haupt, ertheilte
im Wagen stehend der Gemeinde den Abschieds-Segen mit gehobener
Hand und machte den Wagenschlag zu. Güldenschanz
und der fremde Herr fuhren vor, Lindls Wagen setzte sich in
Bewegung, und die ganze Gemeinde begleitete ihren scheidenden
Pfarrer unter Glockengeläut und lautem Weinen bis vor
die Kolonie hinaus. Auf dem Berge vor der Kolonie setzten
sich die Fuhrwerke in Trab, die Gemeinde blieb zurück, einige