Australische Auswandererbriefe (1934)/16

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Hier hingegen geht man in seinen Hemden mit Schemisett, doch im Sommer ohne Rock und Jacke, oft auch ohne Weste. Viele trugen nicht mal Hosenträger, sondern einen Lederriemen um den Leib.

      Hier herrscht überhaupt kein Zwang. Den Priestern und Kantoren gibt jeder nach Belieben; aber es ist Ehrensache, nicht filzig und knauserig zu sein. Dafür haben sie aber auch das zu lehren, was ihre Gemeinde will. Bettelleute kennt man bei uns nicht; und bei Euch im reichen Deutschland wurden sie fast zur Landplage.

      Mitunter kommen bis unsere Wohnbezirke Australwilde, die hier Blechfelder heißen. Aber es gibt nur noch wenige. Ihre Zahl wird immer geringer, da die einzelnen Stämme weit im Innern gegenseitig unaufhörlich Krieg führen. Nach ihrer Ansicht darf keine Familie mehr als 2 Kinder haben. Die übrigen bringen sie gleich nach der Geburt um. So nimmt ihre Zahl erschrecklich ab.

      Wir leben hier so ruhig im Gemüt, daß man richtig ausatmet. Was war das mitunter in Paplitz und Tucheim widerlich. Da dachten die jungen Burschen schon während der Arbeit daran, wie sie abends im Kartenspiel gewinnen wollten. Des Sonnabends schmeckte schon keinem mehr das Abendbrot, denn alle Gedanken waren schon im Krug. Da wurde sich dann die Nase tüchtig mit Branntwein begossen. Schließlich gab es Zank und Streit und oft genug obendrein noch Schlägerei. Da verspielten die kleinen Leute ihr Geld; und das Ende vom Liede: die ganze Woche wollte die Arbeit nicht schmecken; und meist sah man dann mürrische und verdrießliche Gesichter. Die Frauen hatten die Plage davon, denn sie sollten ohne das verspielte Geld ihre Familie satt machen. So etwas gibt's hier nicht; selbst das Tanzen hält man hier für nicht angebracht.

      Ehe ich es vergesse: In Deutschland wurde erzählt, daß hier die Priester herrschen sollten. Man müßte Sonntags dreimal in die Kirche und wurde durch Zwang zur Betschwester. Das laßt Euch nur nicht einreden. Des Sonntags wird vor der Kirche ein Morgenlied gesungen, wonach gleich der Gottesdienst beginnt. Der dauert allerdings länger als bei Euch, denn hier predigen die Pastoren richtig nach ihrem Gewissen. Sonntags, Dienstags und Freitags wird Abendstunde gehalten. Das Heimgehen steht in jedermanns eigenem Belieben.

      Nun muß ich über doch zurück auf die Tucheimer und ihren Reichtum. Sie stehen sich alle gut. Alle haben eigenes Land, bloß Wagner, der rebellische Schuster, und Beelitz haben noch nicht gekauft. Aber so geht das: nicht immer der hat den größten Mut, der die größte Schnauze führt; das seht Ihr hier an dem Schuster. An Spannvieh besitzt jeder 6 Ochsen. Kühe und junges Vieh sind reichlich vorhunden. Mit den Reitpferden, von denen sie in den ersten Briefen schrieben, hat es sich geändert. Früher haben sie ein Pferd mit Sattel und Zaumzeug für 5-6 Pfund gekauft: jetzt kostet ein Zugpferd schon an die hundert Pfund, also zwischen 600-700 Thaler; aber dafür benutzt man sie so gut vor dem Wagen als auch als Reitpferd. Die Engländer zum Beispiel fahren hier ganz selten mit Pferden, sie benutzen sie nur zum Reiten.

      Und reiten muß man tüchtig können; denn oft genug muß man sein Vieh suchen. Das geht so weit weg, daß Ihr Euch kaum einen Begriff davon machen könnt. Oft muß man eine Strecke so lang wie von Paplitz bis hinter Genthin reiten, um seine Tiere wiederzufinden. Sie sind alle gezeichnet. Jeder Farmer hat seinen eigenen Eisenstempel. Den macht man im Feuer glühend und brennt damit die rechte Hinterhand der Rinder. Auch die Ohren werden geschlitzt und darin Blechmarken mit dem gleichen Zeichen eingeklemmt. So kennt man das Vieh auseinander. Jeder Farmer muß seine Viehzeichen der Regierung anmelden: da werden sie richtig grundbuchmäßig eingetragen. Wir Tucheimer haben selbstverständlich die Viehzeichen genommen, die wir von daheim kannten. Ich zeichne mit dem Krähenfuß. Friedrich Heinrich brennt eine Wolfsangel ein. Ich habe zwei von unsern Ochsen schon 4 Wochen lang nicht zu Gesicht bekommen, aber in Sorge braucht man darum nicht zu sein.