Friedensgerichtsverein
Platjenwerber sprachen ihr eigenes Recht
"Friedensgerichtsverein" von 1858 sollte "Streitigkeiten beseitigen und Processe verhüten"
Im Jahre 1858 wurde in Platjenwerbe ein Verein gegründet, der sich "Friedensgerichtsverein zu Platjenwerbe" nannte und dessen Satzung im Paragraph 1 besagt: "Der Zweck des Friedensgerichts ist: Rechtsstreitigkeiten durch Vergleich zu beseitigen und Processe zu verhüten." Es erscheint heute als fast unglaublich, daß sich Privatpersonen zu diesem Zweck zu einem Verein zusammenschlossen. Nachdem im Jahre 1879 im neu gegründeten Deutschen Reich die Zivilprozeßordnung erlassen worden war, war das Weiterbestehen dieses Vereins auch nicht mehr erforderlich; denn alle Zivilprozesse wurden vor Gerichten geführt.
Bis heute haben allerdings einige Verbände in gewissem Rahmen eine eigene Gerichtsbarkeit behalten. Erinnert sei an den Deutschen Sportbund, durch dessen Gericht die Bestechungsskandale in der Fußball-Bundesliga abgeurteilt worden sind. Auch die politischen Parteien verfügen heute noch über eine eigene Gerichtsbarkeit. Auch Kaufleute können untereinander Schiedsgerichte beschließen.
Auf jeden Fall war die Gründung des Friedensgerichtsvereins in Platjenwerbe in jener Zeit, als der Ort noch ein Teil des Königreichs Hannover war, eine Besonderheit, die zeigt, wie die Einwohner darauf bedacht waren, den Rechtsfrieden untereinander zu sichern.
Im Paragraphen 2 der Satzung heißt es: "Das Friedensgericht besteht aus drei Friedensrichtern, zwei Ersatzrichtern, einem Protocoll- und Cassen führer und einem Sellvertreter desselben. Auch ist demselben ein Bote bezugs Behändigung der Vorladung etc. zugeordnet.
Paragraph 3: "Das Amt des Friedensrichters ist ein Ehrenamt und wird unengeltlich ausgeübt. Die Verpflichtung des Gerichts besteht darin, die vor demselben verhandelten Rechtsstreitigkeiten durch Anhörung beider Theile möglichst aufzuklären und durch verständige Vorstellungen einen Vergleich unter den Parteien herbeizuführen."
Paragraph 4: "Ist ein vergleich über den Rechtsgegenstand selbst nicht zu erreichen, so hat das Friedensgericht wo möglich die Parteien zur Unterwerfung unter ein Schiedgericht zu vereinigen."
Paragraph 5: "Das Schiedsgericht, welches nach dem Wunsche der Parteien aus einer oder drei Personen ohne Beschränkung auf die Mitglieder des Friedensgerichts bestehen kann, wird nöthigenfalls durch das Friedensgericht geleitet. Der Schiedsrichterspruch ist für beide streitenden Theile endgültig verbindend, ohne daß eine Berufung oder der Rechtsweg dagegen zulässig ist."
Paragraph 7: "Alle, welche sich durch Unterschrift diesen Statuten unterwerfen, sind verpflichtet, in allen Rechtsstreitigkeiten untereinander, bevor sie gerichtliche Klage erheben dürfen, die Vermittlung des Friedensgerichts anzurufen, und zwar bei zwölf Guten Groschen Strafe."
Paragraph 10: "Ist ein Vergleich zu Stande gebracht, so wird derselbe auf Verlangen der Parteien niedergeschrieben und von diesen sowie von allen anwesenden Mitgliedern des Gerichts nach erfolgter Vorlesung und Genehmigung unterzeichnet."
Paragraph 12: "Ungebührliches Betragen vor dem Friedensgerichte wird von demselben mit Geldbuße sofort geahndet und nöthigenfalls mit Entfernung aus der Sitzung bestraft."
Paragraph 15: "Aller Beistand der Parteien vor dem Friedensgerichte außer durch Angehörige ist ausgeschlossen."
Paragraph 16: Ob die Sitzungen öffentlich sein sollen, hängt von der Bestimmung des Gerichts ab, welches die desfalsigen Wünsche der Parteien berücksichtigen wird."
"Beschlossen in der Versammlung vom 9. Mai 1858 in der Schule Platjenwerbe, worin 24 Mitglieder erschienen waren.
Als Friedensrichter wurden einstimmig für diesen Monat gewählt:
1. Christian Wolls daselbst (wahrscheinlich Christian Wolf von Platjenwerbe Nr.21)
2. Borchert Krudop zu Holthorst
3. Claus Ahlers zu Stubben (von Stubben Nr.10)
Als Ersatzrichter:
1. Hinrich Seiden hieselbst (von Platjenwerbe Nr.39)
2. Johann Krudop zu Holthorst
Protocoll- und Cassenführer:
J. C. Kedler zu Holthorst
dessen Stellvertreter:
J. P. Klindworth hieselbst (Lehrer an der Schule Platjenwerbe Nr.35)
Bote:
Johann Seebeck zu Stubben (aus Stubben 15)