Häuserbuch von Gliesmarode
erste Erwähnung
Die erste Erwähnung von Gliesmarode datiert aus dem Jahre 1031, als in einer Urkunde Glismoderoth der neugegründeten Magnikirche in Braunschweig zugeteilt wurde. Der Ortsname ist abgeleitet vom Personennamen Glismoth (glisian = glänzen, mod = Mut) und von -roth (roden). Die Entstehung der Ortsnamen mit der Endung -rode ordnet man der zweiten Rodungsperiode zu, die etwa um das Jahr 1000 einsetzte. Die Ansiedlung war also vermutlich noch recht jung und auch nicht besonders groß.
Grangie des Klosters Riddagshausen
Das 1145 gegründete benachbarte Kloster Riddagshausen versuchte schon sehr bald, Besitz von Gliesmarode zu ergreifen. So ging zunächst 1150 der Zehnt, der dem Archidiakonat Atzum zustand, ans Kloster über. 1161 tauschten dann die Zisterziensermönche von Herzog Heinrich dem Löwen 3 ½ Hufen ein und erhielten von ihm 5 weitere. Hinzu kam noch Besitz der Familie von Veltheim. 1226 schied Glismederoth aus dem Pfarrverband von St. Magni aus und wurde zum Kloster Riddagshausen eingepfarrt. Die Bewohner der Siedlung mußten weichen, denn die Mönche richten hier einen großen Wirtschaftshof, eine sogenannte Grangie, ein, um ihren Ordensregeln gemäß neben den täglichen Stundengebeten von ihrer eigenen Hände Arbeit in der Landwirtschaft zu leben. Sie legten auch Entwässerungsgräben wie die Mittelriede und an der Wabe eine Wassermühle an.
Wiedergründung des Dorfes
Die Grangie des Klosters Riddagshausen bestand laut Kleinau noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts, wurde erst dann aufgelöst und wieder mit Bauern besetzt. Die ersten Ansiedler kamen es Querum (Lüers) und Hondelage (Brandes, Uhlenhut), vermutlich aber auch aus Hägerdorf, welches das Kloster gemeinsam mit Hondelage 1505 von Hans von Hondelage kaufte und umsiedelte. Das Kloster war nach Neugründung von Gliesmarode Grundherr aller Höfe, übte die Gerichtsbarkeit aus, zog den Zehnten ein und betreute die Bewohner auch kirchlich.
Beschreibung 1546
Das erste Mal erfährt man vom Dorf Gliesmarode im Jahre 1542, als die protestantischen Truppen des Schmalkaldischen Bundes das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel besetzten und zwangsweise die Reformation einführten. Im Visitationsprotokoll hielt man fest, daß Gliesmarode bisher der Pfarrkirche zu Riddagshausen zugeteilt war und dieses auch so bleiben solle. Ferner sollte der Oppermann (Küster) von Mönche Schöppenstedt seine Wohnung in Riddagshausen nehmen und von hier aus den Leuten in Gliesmarode, Querum, Mönche Schöppenstedt und auf dem Hof zu Riddagshausen den Katechismus lehren.
Schon aussagekräftiger ist eine Beschreibung Gliesmarodes aus dem Jahre 1546:
Glismerode ist ein Dorff nahe dem Closter gelegen, hat sich zuuor stets nach der Herschaft zu Wolff. gerichtet und gehalten, vnd das Closter hat binnen Dorfs das Gericht vnd Recht gehapt vnd den Dienst. |
Scheffelschatzregister 1564
Zehende Gottshaus vnd Pfar |
Erbregister 1605
Zerstörungen
Gliesmarode wurde im 16. und 17. Jahrhundert mehrmals geplündert, verwüstet und niedergebrannt, so z. B. in der Braunschweiger Stadtfehde 1492, in den Reformationswirren 1542 bis 1553, nach der erfolglosen Belagerung der freien Hansestadt Braunschweig durch den Herzog 1606 und im Dreißigjährigen Krieg. Es wurde aber immer wieder aufgebaut.
Dorfbeschreibung 1754
Beschreibung 1802
Aus "Geographisch=statistische Beschreibung der Fürstenthümer Wolfenbüttel und Blankenburg" von 1802:
Gliessenrode oder Gliesmerode, ein Dorf an der Wabe und eine Viertelstunde von Riddagshausen, wohin es eingepfarrt ist, mit 1 Schule, die der Prior[1] vergibt, 1 Ackerhofe, 8 Kothöfen, 1 Brinksitzerstelle, 11 Feuerstellen und 106 Einwohnern. Auf dem Nußberge vor dem Dorfe brechen starke Mauersteine, zu deren bequemerm Transporte ein Kanal nach der Schunter gegraben ist. |
Industrialisierung
Durch die Ablösung der Feudalverhältnisse in den 1840er Jahren kamen die Bauern im Braunschweiger Land zu bescheidenem Wohlstand. Ihre Produkte mussten verarbeitet und veredelt werden. Das Handwerk blühte auf. Die Nähe zur Stadt Braunschweig und die gute Verkehrsanbindung machten Gliesmarode schon bald zu einem attraktiven Gewerbestandort.
1878 kauften zwei Schlachter aus der Schöppenstedter Straße in Braunschweig Land und eröffneten ein Fabrikgeschäft für Wurst- und Fleischwaren eröffnen: Denecke und Himmel, später Struck und Witte, prägten den Begriff der Braunschweiger Wurst. 1904 eröffneten die Studienfreunde Pelz und Nagel das Libra-Werk und produzierten Absackwaagen für Schüttgüter. Ein paar Jahre später, 1915, verlegte die Firma Voigtländer ihren Betrieb für optische Geräte in Etappen aus der Campestraße nach Gliesmarode.
Nicht nur die weit über die Landesgrenzen bekannten Firmen brauchen Verkehrsanschlüsse. Drei Eisenbahnen legten ihre Strecken über den 1894 eingeweihten Bahnhof Gliesmarode und im Schatten ihrer drei Bahnhöfe entstanden Sägewerke, Kohlenhandlungen, Dünger-, Blechwaren-, Eisenbeton- und Konservenfabriken.
Und alle, alle brauchten Trinkwasser. Das kam bisher aus den grundstückseigenen Brunnen. Als die Städter am Bienroder Weg das durch Tiefbohrungen erschlossene zweite Wasserwerk in Betrieb nahmen, fielen 1907 in Gliesmarode alle Brunnen trocken.
Mit Tieferlegen kam keine Verbesserung. Ernstlich wurde dem Gemeinderat empfohlen, ein eigenes Wasserwerk zu bauen. Und das zu einer Zeit, als gerade 13000 Mark Kredit bewilligt wurden, um die Schule zu erweitern. Denn über 200 Schülerinnen und Schüler mit zwei Lehrkräften in zwei Unterrichtsräumen ging schon damals schlecht. Auf Drängen der Kreisdirektion war schließlich 1909 die Stadt bereit, mit der Gemeinde einen Wasserlieferungsvertrag abzuschließen. Die Frage der Eingemeindung wurde hiernach 1910 erstmalig gestellt.
Eingemeindung
Die am 1. April 1934 vollzogene Eingemeindung brachte für die Einwohnerschaft einige Verbesserungen wie den Ausbau der Berliner Straße und den Bau der Bugenhagenkirche.
Die rasante Entwicklung Gliesmarodes macht auf eindrucksvolle Weise den Wandel eines Bauerndorfes zum Industriestandort zu Beginn des 20.Jahrhundert deutlich. Aber auch die sich schon in den 60er Jahren abzeichnende Kurve der De-Industrialisierung ist nachvollziehbar.
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohner |
---|---|
1546 | 3 Ackerleute, 1 Müller, 5 Kotsassen[2] |
1564 und 1605 | 3 Ackerleute, 5 Kotsassen, 1 Müller, 1 Schmied |
1754 | 1 Ackermann, 5 Kotsassen, 1 Müller, 1 Schmied, 84 Einwohner |
1790 | 106 |
1885 | 40 Häuser, davon 14 Höfe, 530 Personen |
1895 | 639 |
1902 | 806 |
1905 | 83 Häuser, 1171 Personen |
Lehrer
Obwohl 1647 die Schulpflicht im Lande eingeführt wurde, ist von Lehrern im kleinen Gliesmarode anfangs noch nichts zu lesen. Die Kinder gingen sicher in die Klosterschule nach Riddagshausen. Erst 1683 erscheint erstmals ein “Schulmeister” im Kirchenbuch.
- 1683 Hartwig Meineken, Schulmeister
- ab 1695 Christian Werner Matten, Schulmeister
- 1866 Johann Heinrich Eppers, Opfermann
- 1935 Martin Weferling, Lehrer
Gemeindevorsteher
Urpsrünglich ging der Rang des "Bauermeisters" unter den Bauern jährlich der Reihe nach ringsum. Erst im 19. Jahrhundert wurde das Amt des Gemeindevorsteher geschaffen.
erste Erwähnung bzw. Amtszeit |
Name | Bezeichnung |
---|---|---|
1866 | Christoph Wiemann | Gemeindevorsteher |
1870 - 1900 | Carl Hintze | Gemeindevorsteher |
Höfe und Häuser
Nr. ass. | heutige Adresse | Bezeichnung | Entstehung | Bemerkung |
---|---|---|---|---|
0 | In den Höfen | Ackerhof | 1546 erstmals erwähnt | 1678 aufgelöst |
1 | Querumer Straße 3 | Kothof | zwischen 1678 und 1754 | |
2 | Karl-Hintze-Weg 74 | Kothof | 1546 erstmals erwähnt | |
3 | Karl-Hintze-Weg 73 | Ackerhof | 1546 erstmals erwähnt | heute abgebrochen |
4 | Karl-Hintze-Weg 4 | Kothof | 1546 erstmals erwähnt | |
5 | Karl-Hintze-Weg 3 | Schule | ||
6 | Karl-Hintze-Weg 1 | Mühle | 1518 erstmals erwähnt | |
7 | Karl-Hintze-Weg 1 a | Hirtenhaus | ||
8 | Karl-Hintze-Weg 2 | Kothof | 1546 erstmals erwähnt | |
9 | Karl-Hintze-Weg 76 | Kothof | 1546 erstmals erwähnt | |
10 | Querumer Straße 2 | Schmiede | 1564 erstmals erwähnt | |
11 | Berliner Straße 18 | Kothof | 1546 erstmals erwähnt | |
12 | Querumer Straße 59 | Schmiede | 1564 erstmals erwähnt | |
13 | Querumer Straße 1 | Anbauerstelle | ||
15 | Berliner Straße 105 | Gliesmaroder Turm |
Literatur
- Kayser, Karl: Die reformatorischen Kirchenvisitationen in den welfischen Landen 1542 bis 1544, Göttingen 1897
- Meier, Paul Jonas: Die Kunstdenkmale des Kreises Braunschweig, Wolfenbüttel 1900
Quellen
- Bestandsaufnahme des Riddagshäuser Klosterbesitzes 1546 (Stadtarchiv Braunschweig, Signatur BS B III 5 Bd. 27)
- Scheffelschatzregister des Residenzamtes Wolfenbüttel 1564 (Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, Signatur 24 Alt 6)
- Kirchenbücher des Klosters Riddagshausen 1569-1814 (ebenda, Sign. 1 Kb 946-949)
- Braunschweigisches Adreßbuch 1935 (Stand: 26. Januar 1935)
Weblinks
- Porträt von Gliesmarode auf der Homepage der Stadt Braunschweig
- Familienbuch Riddagshäuser Klosterdörfer
Fußnoten
Kloster Riddagshausen | |
Riddagshausen | Gliesmarode | Querum | Klein Schöppenstedt | Mascherode |