Sicherheit macht sicher

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Sicherheit macht sicher


Von Gerhard Krosien

Anfang der 40er Jahre wurde Sicherheit in Deutschland großgeschrieben. Insbesondere wurde Gefahr von oben erwartet. Denn überall auf Memel-Schmelz - und nicht nur dort! - wurden Luftschutzbunker gebaut. Und wo überall! Mal war der Luftschutzbunker in einer großen Fabrik, bei uns in der Zellulosefabrik. Sein Eingang dort war durch ein großes, weißes „LR“ und einen dicken, weißen Pfeil gekennzeichnet. Dann wieder baute Opa zusammen mit einigen Bekannten einen Luftschutzbunker auf unserem Hof: Ein Loch in die Erde, Baumstämme auf den Boden, an alle vier Wände und in doppelter Lage obenauf, Sand darüber, eine massive Tür zum Verriegeln am Eingang, fertig!

Ein großer Luftschutzbunker wurde am Rand „unserer“ Kiesgrube gebaut. Hier ersparte man sich teilweise das Lochgraben, und der Bunker fiel auch deshalb größer aus, weil ja zahlreiche Anwohner zu beiden Seiten der Kiesgrube im „Bedarfsfall“ darin Platz haben sollten. In unseren Gartenzaun wurde sogar ein Tor eingebaut, sodass auch unsere Familie durch den Kirschgarten hindurch zu diesem Luftschutzbunker gelangen konnte.

„In der Stadt“ war so mancher Kellerraum zu einem Luftschutzbunker umfunktioniert worden, indem dort einige Bänke und Liegegestelle aufgestellt wurden. Man musste sich im Eventualfall doch in Sicherheit bringen können!

Gott sei Dank gab es in Memel bis zur Evakuierung 1944 nur selten Bombenalarm! Aber hin und wieder mussten wir doch in den Unterschlupf kriechen. Dann war die Stadt nachts hell erleuchtet, weil überall so genannte „Tannenbäume“ langsam vom Himmel herabsanken, die von angreifenden Bombern abgeworfen worden waren.

Die Familien sputeten sich nach dem ersten Sirenengeheul jedes Mal sehr, ihren Bunker mit Kind und Kegel sowie mit irgend etwas Umgehängtem zu erreichen. In solchen Nächten waren für uns ganz ungewohnt aussehende Soldaten - in blauen Mänteln, mit komischen flachen, blanken Helmen und mit Gamaschen an den Beinen, man sagte, es seien Italiener - dabei, aus großen Metallfässern mit trompetenähnlichen Düsen Nebelschwaden in die Umwelt zu versprühen, um das Gesehenwerden zu erschweren. Jedenfalls kratzte das Zeug uns Kindern ziemlich stark im Hals! Ob das „Nebeln“ geholfen hat, weiß ich nicht. Bombenabwürfe hat es in unserem Stadtteil Schmelz so gut wie nicht gegeben. Schon bald heulte die Sirene Entwarnung, und wir alle konnten unseren unterbrochenen Schlaf fortsetzen.

Kurios war, dass unser „Hofbunker“ von uns niemals als Zufluchtsort benutzt wurde. Da er innen schön kühl war, wurde er als zusätzliche Speisekammer „missbraucht“. Was da alles hineinkam! Wir Bowkes bewahrten darin sogar einmal die für den Muttertag bestimmten Blumen auf! Für den „Notfall“ hatten wir ja den großen Luftschutzbunker am Rande unserer Kiesgrube. Mit den Nachbarskindern war es dort auch viel kurzweiliger!

Dieser Bunker wurde nach Kriegsende - dem Vernehmen nach - von den Litauern zusammen mit dem gesamten Kiesgrubenrand „geschleift“, weil auch die Kiesgrube für den Anbau landwirtschaftlicher Produkte und für den Bau einer Stichbahn zu einer Konservenfabrik genutzt wurde. Von unserem „Hofbunker“ war 47 Jahre nach unserer Evakuierung bei meinem ersten Besuch im Jahre 1991 nichts mehr zu finden. Er war inzwischen also auch beseitigt worden.

Das alles ist wohl ein Anzeichen dafür, dass sich die Menschen heutzutage dort irgendwie sicher fühlen. Oder sollte es für sie keinen Sinn mehr haben, heute - im Atomzeitalter - für ihre persönliche Sicherheit zu sorgen?