Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/010

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Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)
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Landbesitz der Hausbesitzer, der dort besteht, wo eine Gemeinde das Dorfland von dem Grundzins gemeinschaftlich losgekauft, den einzelnen Theilhabern (Hausbesitzern) jedoch den ihnen zukommenden Landantheil nicht abgetheilt hat in besondere Parzellen privaten Besitzes (Art. 733 und 734 des IX. Bandes der Gesetze, Ausgabe von 1876). - Ein eigenthümliches Merkmal im Leben der russischen Bauern bildet die bäuerliche Hausgenossenschaft (???), die patriarchalische Familie des Morgenlandes.

1. Der Colonial-Uslaw (Gesetzesausgabe von 1857, Band XII, Th. II.) und der Landbesitz der Colonisten.

Bei den südrussischen Colonisten besteht nicht die Sitte der familienähnlichen Hausgenossenschaften (der ???), sondern Jeder führt nach der Verehelichung mit Hilfe seiner Aussteuer und der Mitgift der Frau eine besondere Wirthschaft oder Gewerbe und bildet eine selbstständige Familie (???) ohne jegliche Genehmigung seitens der Gemeinde, wobei er jedoch nicht für abgetheilt gilt, sondern das Anrecht auf elterliches Erbe behält[1]. Deshalb hatten die Artikel 172 und 173 der Colonialordnung von jeher stets mehr Bedeutung für die Colonisten der Gouvernements saratow und Samara, die im Jahre 1800 zur Benutzung des Landes nach der Seelenzahl übergingen, unter Annahme der Sitte der Familiengenossenschaften (???); auf die Colonisten des Südens aber wurden die genannten Artikel nur in der Art angewandt, daß auf Grund derselben eine Wirthschaft von 60 oder (bei den Mennoniten) 65 Dessjatinen? unter zwei Erben, zu 30 oder 32 ½ Dessjatinen auf jeden getheilt werden durfte. Sodann galten für die Colonisten in Südrußland in Betreff des Grund und Bodens verzugsweise die Artikel 155, 156, 159, 160, 169, 170, 171, 173 und 174 des Colonial-Uslaw.

Nach diesen Gesetzartikeln waren zwar für jede angesiedelte Familie 60 (oder 65) Dessjatinen zum Anbau brauchbaren Landes mit vererblichem Nutznießungsrecht angewiesen worden und der Uslaw nennt das Land einer Familie zwar ???; da aber nach demselben Uslaw der Colonist sein Land einer auswärtigen Person weder versetzen, noch verkaufen, noch testamentlich vermachen durfte, so vermaß die Regierung das Land der Familien nicht in besondere Parzellen, erlaubte auch der Gemeinde nicht, abgetheilte Grundstücke mit privatem Eigenthumsrecht für den Besitzer einzuführen[2]. Die angeführten Artikel der


  1. Ausnahmen: Bei manchen Mennoniten bleiben die Neuvermählten ein Jahrlang im Hause der Eltern der Frau, mit ihnen gemeinschaftlich wirthschaftend, und bei manchen protestantischen und katholischen Ansiedlern wirthschaften die jungen Gatten ein Jahrlang mit den Eltern des Mannes.
  2. In dem Gutachten des Ministers Walnjew vom Jahre 1878 in dem Streit über die Benutzung der Viehweide des Dorfes seitens der Anwohner der Molotschnaer Mennoniten heißt es, die „Wirthe“ haben von jeher das Recht gehabt, ihr Land zusammenzulegen, insbesondere beständige Parzellen. Dies ist jedoch eine Annahme, die des Grundes entbehrt: weder im Colonial-Uslav, noch in den Acten des Fürsorge-Comités für die südrussischen Ansiedler, soviel ich mich erinnere, noch in den Colonien gibt es Belege dafür, daß die Colonistengemeinden vor 1871 ein solches Recht besessen hätten; andernfalls würden da oder dort einzelne Colonisten, z. B. die sich vorzugsweise mit Wein- und Gartenbau beschäftigten, unfehlbar ein solches Recht benutzt und die Ausscheidung ihrer Landtheile zu beständigen besonderen Grundstücken verlangt haben.