Kirchenjahr
- Abweichend vom der gebräuchlichen Bezeichnung "Kalenderjahr" oder dem "Geschäftsjahr" in Handel und Wirtschaft, pflegen beide christlichen Kirchen in Deutschland seit altersher ihren Jahresverlauf als Kirchenjahr zu praktizieren, das ein ganz eigenes Kalendarium aufweist. Auf die Gliederung, und Abfolge im Zeitverlauf haben ganz unterschiedliche Faktoren Einfluss. Da ist die Stellung des Mondes, als ein fixes astronomisches Datum, maßgeblich für den "Scheitel" des Kirchenjahres, den Ostertermin, aber auch die jüdischer Tradition wirkte mit. Da wird dann einfach gezählt, mal vorwärts und ein andermal von einem zukünftigen Datum / Ereignis rückwärts. Die Zahl 40 spielt vor und nach dem Ostertermin eine wichtige Rolle, sowohl als Zeitspanne als auch als Festlegung eines Datums. Und nicht zuletzt haben weltliche Einflüsse wie auch konfessionelle Abgrenzungen zur jetzigen Gestalt des Kirchenjahres beigetragen.
- Diese besondere Art die 365/366 Tage des Jahres in Abschnitte zu gliedern und darin einzelne Tage, besonders die Sonntage, mit eigenen Bezeichnungen zu belegen, hat erhebliche Folgen für die Genealogie, die Familienforschung, in unseren Tagen, denn die Kirchenbücher und Chroniken früherer Jahre sind mit diesen Tages- und Zeitangaben, meist sogar in lateinischer Sprache, nur dann zu verstehen, wenn man genaue Kenntnis darüber besitzt, an welcher Stelle sie im Kalendarium des Kirchenjahres ihren Platz haben.
Das Kirchenjahr: Rhythmus, innere Struktur, Bedeutung
- Das Kirchenjahr hat seinen eigenen Rhythmus, es beginnt mit dem 1. Advent (nicht etwa zu Weihnachten wie manche heute glauben) und endet mit dem "Letzten Sonntag des Kirchenjahres", der oft auch als Ewigkeitssonntag oder Totensonntag bekannt ist.
- Das Kirchenjahr nimmt im Jahreszyklus das Leben Jesu von der Geburt bis zur Kreuzigung und seiner Auferstehung gedanklich auf und teilt es in entsprechende Abschnitte, die den früheren Generationen beständig als Erinnerung und Mahnung zum eigenen Leben in ihrer religiösen Praxis völlig geläufig waren. Die Feste und Abschnitte des Kirchenjahres prägten das Leben früherer Generationen, man richtete sich danach ganz selbstverständlich aus, wie heute nach dem Taschenkalender oder den zentral gesteuerten Terminen der Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit und umgekehrt.
- Heute sind viele dieser Begriffe und deren Bedeutung verblasst, wenn nicht gar vollkommen unbekannt. Das Kirchenjahr ist für die meisten Menschen unserer Zeit fremd und erklärungsbedürftig geworden, selbst für manche Gottesdienstbesucher. Allerdings wird auch heute noch in der kirchlichen Praxis, z.B. in den Gemeindebriefen, bei Ankündigungen oder auch in Chroniken ganz selbstverständlich mit diesen Begriffen umgegangen, meist allerdings unter zusätzlicher Angabe der „weltlichen“ Benennung, wenn es z.B. um Termine geht.
- Solche Zusätze gibt es aber in den Kirchenbüchern, die die weitaus bedeutenste Quellengattung für die Genealogie darstellt, nicht. Dort, in diesen Urkunden, müssen dann kirchliche Sonntagsnamen in Tag, Monat und Jahr (TT.MM.JJJJ) umformuliert werden und zwar exakt. Zwar gibt es dazu mittlerweile Kalenderrechner, aber die ersetzen nicht die Kenntnis über Bedeutung, Schreibweise und Stellung im Kirchenjahr bei denjenigen, die damit umgehen müssen.
Die Abschnitte des Kirchenjahres:
- Adventszeit (Ankündigung und Erwartung Christi Geburt)
- Weihnachtzeit und Jahreswechsel, (Geburt Christi)
- Zeit nach Epiphanias (Fest der Erscheinung des Herren)
- Passionszeit (Leidenszeit Chrsiti)
- Die Karwoche (Jesus stribt den Kreuzestod)
- Osterzeit (Auferstehung Jesu von den Toten, das Grab ist leer)
- Pfingstzeit (Ausgießung des Heiligen Geistes, Geburtsstunde der christlichen Kirche)
- Zeit nach Trinitatis (Tag der Heiligen Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist)
Diese Zeitabschnitte im Kirchenjahr schließen feststehende Tage, wie auch bewegliche (Fest)Tage ein, sowohl Sonn- als auch Wochentage, Kalendertage oder spät entstandene Gedenk- oder Namenstage. In diese, in langer kirchengeschichtlicher Tradition gewachsene Struktur des Kirchenjahres, mischten sich Gedenk- und Festtage, die eher andere als christliche Ursprünge haben, die aber ähnlich den kirchlichen Festtagen das Jahr für die Menschen damals sinnvoll unterteilten und daher auch Eingang in die Urkunden, Dokumente und Kirchenbücher fanden.
Sonn- und Festtage, geordnet im Jahreslauf.
Das Kalenderjahr hat 52 Wochen, mithin auch 52 Sonntage, deren kirchliche Namen/Benennungen hier in chronologischer Folge aufgeführt sind.
Adventszeit (November / Dezember):
1. Advent; immer ein Sonntag, Tag der Heiligen Barbara, (Der 4. Sonntag vor dem 25. Dezember.)
2. Advent; immer ein Sonntag, Tag des Heiligen Nikolaus
3. Advent; immer ein Sonntag, Tag der Heiligen Luzia
4. Advent; immer ein Sonntag, Tag des Heiligen Thomas und Beginn der 12 Heiligen (Rauhen) Nächte. (Dieser Sonntag kann auf den 24. Dezember, den Heilgen Abend, fallen, dennoch bleibt der Sonntad der 4. Advent, das Weihnachtsfest ist dann der folgende 25. Dezember)
- Nikolaus; immer am 6. Dezember. Dieser Tag gehört nicht eigentlich zu den kirchlichen Festtagen, wird aber in der Bevölkerung oft so angesehen und fand daher als Datum auch gelegentlich Eingang in Dokumente und genealogische Quellen.
Weihnachtszeit:
- In den ersten drei Jahrhunderten kannte die Christenheit außer dem Osterfest keine Jahresfeste. Erst im 4. Jh. begann man in Rom den 25. Dezember als Geburtsfest Christi zu feiern. (Weihnachten mit dem 25.und 26. Dezember, sowie Epiphanias am 6. Januar sind die einzigen kirchlichen Festtage, die ein festes Kalenderdatum haben. Silvester und der Neujahrstag haben ihren Ursprung als Datum nicht in kirchlicher Tradition.)
Heilig Abend; feststehend immer am 24. Dezember (kein kirchlicher Feiertag, wird aber in der Volksfrömmigkeit oft irrtümlich dafür gehalten, jedenfalls in Deutschland)
1. Weihnachtstag; feststehend immer am 25. Dezember, Geburtsfest Christi
2. Weihnachtstag; feststehend immer am 26. Dezember, Tag des Heiligen Stephanus
3. Weihnachtstag; feststehend immer am 27. Dezember, (spielt heute kaum noch eine Rolle.) Tag des Heiligen Johannes,
Jahreswende:
Silvester; feststehend immer am 31. Januar; umgangsprachlich auch: Altjahrsabend
Neujahrstag; feststehend immer am 1. Januar; Tag der Beschneidung und Namensgebung des Herren. (Dieser Neujahrstag kann der erste Sonntag nach dem Christfest sein.)
2. Sonntag nach dem Christfest (fällt aus, wenn zwischen dem 1. und 6. Januar kein Sonntag liegt.)
Epiphaniaszeit:
- Die Dauer der Epiphaniaszeit richtet sich nach dem Beginn der Fastenzeit, die am Aschermittwoch, 40 Tage vor Ostern beginnt. Es gibt bis zu 6 "Sonntage nach Epiphanias". Jährlich werden mindestens die ersten drei und der letzte Sonntag nach Epiphanias gefeiert.
Epiphanias; feststehend immer am 6. Januar, Tag der Heiligen drei Könige, Dreikönigstag
1. Sonntag nach Epiphanias;
2. Sonntag nach Epiphanias;
3. Sonntag nach Epiphanias;
4. Sonntag nach Epiphanias;
5. Sonntag nach Epiphanias; (fällt in einigen Jahren aus, an seine Stelle tritt der "Letzte Sonntag nach Epiphanias")
Letzter Sonntag nach Epiphanias; Fest der Verklärung Jesu, der 6. und/oder letzte Sonntag nach Epiphanias.
Der Osterfestkreis und die Passionzeit:
- Ostern wird seit dem Jahre 325 am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühjahr gefeiert. Die Terminierung richtet sich also nicht nach dem christlichen Anlass, wie viele meinen, sondern nach dem Stand des Mondes, der Astronomie. Ostern nimmt aber das jüdische Pessach-Fest auf (Erinnerung an den Auszug aus Ägypten), das bekanntlich zu Jesu Zeiten schon begangen wurde. Nur der Inhalt des Festtages wurde christologisch interpretiert und tritt in den Vordergrund der kirchlichen Tradition. Das Fest liegt im Zeitraum von Ende März bis Mitte/Ende April. Vom Termin des Osterfestes hängen die nachfolgenden Feiertage im Kirchenjahr ab, der Beginn der Passionszeit genau so, wie die damit verbundene Dauer der Epiphaniaszeit sowie Himmelfahrt, Pfingsten und Trinitatis als Einzeltage.
Septuagesimae; 3. Sonntag vor der Passionszeit (Zählung rückwärts! 3, 2, 1)
Sexagesimae; 2. Sonntag vor der Passionszeit
Estomihi, auch Quinquagesimae; Sonntag vor der Passionszeit
Aschermittwoch; Beginn der Fastenzeit, 40 Tage vor Ostern
Invokavit; 1. Sonntag der Passionszeit (Zählung vorwärts!)
Reminiszere; 2. Sonntag der Passionszeit
Okuli; 3. Sonntag der Passionszeit
Lätare; 4. Sonntag der Passionszeit
Judika; 5. Sonntag der Passionszeit
Die Karwoche:
Palmarum; 6. Sonntag der Passionszeit; Einzug Jesu in Jerusalem, dt.: Palmsonntag (in der ev. Kirche häufig der Sonntag an dem Konfirmationen stattfinden)
Gründonnerstag; immer der Tag vor Karfreitag, Tag der Einsetzung des heiligen Abendmahles.
Karfreitag; Tag der Kreuzigung Jesu
Karsamstag, geht in die Osternacht über
Osterzeit:
Ostersonntag oft in den Kirchenbüchern auch als Pessach (hebräisch) oder Pascha (aramäisch) bezeichnet.
Ostermontag
Quasimodogeniti; 1. Sonntag nach Ostern
Miserikordia, Miserikordias Domini; 2. Sonntag nach Ostern
Jubilate; 3. Sonntag nach Ostern
Kantate; 4. Sonntag nach Ostern
Rogate; 5. Sonntag nach Ostern
Christi Himmelfahrt; (40 Tage nach Ostern)
Exaudi; 6. Sonntag nach Ostern
Pfingstzeit:
Pfingstsonntag, Pentecoste; (50 Tage nach Ostern)
Pfingstmontag
Trinitatis:
Trinitatis; Tag der Heiligen Dreieinigkeit:
Die Sonntage nach Trinitatis
- Nach dem Trinitatisfest, das immer am Sonntag nach Pfingsten gefeiert wird, folgen in numerischer Folge die Sonntage nach Trinitatis.
Fronleichnam; immer am Donnerstag nach Trinitatis, dem zweiten Donnerstag nach Pfingsten; (nur katholisch). Dieses große, kirchliche Fest, wird in katholischen Gemeinden mit einer Prozession durch den ganzen Ort und Andachten bei den vier Altären seit der Gegenreformation überall festlich begangen.
1. Sonntag nach Trinitatis (Zählung vorwärts!)
2. Sonntag nach Trinitatis
3. Sonntag nach Trinitatis
usw.
Abschluss des Kirchenjahres
- Die Dauer dieser Zeit im Kirchenjahr und die Anzahl der gezählten Sonntage richtet sich nach dem Ostertermin vom Anfang her und zum Ende hin nach dem Datum des ersten Sonntag im Advent, dem Beginn des neuen Kirchenjahres. Je nach Zählung gibt es in den Kirchenbüchern mindestens 22 Sonntage (nach Trinitatis)
22. Sonntag nach Trinitatis
23. Sonntag nach Trinitatis, (kommt nur vor in Jahren, in denen Ostern vor dem 3. April liegt.)
24. Sonntag nach Trinitatis, (kommt nur vor in Jahren, in denen Ostern vor dem 27. März liegt.)
Nicht eigentlich zum zum Kirchenjahr gehörig aber oft in diesem Zusammenhang gebraucht und auch in Kirchenbüchern als Datum oder Terminangabe zu finden sind:
- Michaelis; immer am 29. September. An diesem Tag wechselten Dienstleute oft die Arbeitsstelle von einem Hof zum anderen, es wurden Zahlungen für Lohn, Pacht oder andere Verbindlichkeiten für diesen Tag vereinbart und fällig, um diesen Tag herum gab es in manchen Orten Herbstmärkte. So hat sich "zu Michaelis" als stehende Redewendung und für Verabredungen jeglicher Art auch im Volksmund eingebürgert.
- Erntedankfest Sonntag nach Michaelis, bzw. der 1. Sonntag im Oktober
- Reformationsfest immer der 31. Oktober (nur evangelisch)
- Allerheiligen; immer am 1. November (nur katholisch). Ein Gedenken aller Heiligen auch derer, die nicht offiziell heilig gesprochen wurden. In den evangelischen Gemeinen wurde der Tag nicht begangen, er folgte unmittelbar dem von den Protestanten gefeierten Reformationstag und so gibt es viele Belege, dass diese beiden "exklusiven" Gedenktage in gemischt konfessionellen Gemeinden zu Spannungen, gar zu bewusster Provokation gegenseitig führte.
- Allerseelen; immer am Tag nach Allerheiligen (nur katholisch) Ein Gedenken aller Toten und Verstorbenen. Die Gräber werden gemeinsam besucht und festlich geschmückt, vergleichbar mit dem eher evangelisch geprägten Ewigkeits- oder Totensonntag.
- Martini; immer am 11. November
In einigen Kirchenbüchern finden sich sogar bis zu 27 Sonntage nach Trinitatis in der Zählung, abhängig davon, ob der Verfasser die drei letzten Sonntage im Kirchenjahr einfach durchzählt oder die Rückwärtszählung vom Anfang des neunen Kirchenjahres her vornimmt, nämlich in den Bezeichnungen:
Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres; (Zählung rückwärts!)
Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres; auch: Friedenssonntag, volkstümlich: Volkstrauertag genannt.
Buß- und Bettag; immer Mittwoch zwischen dem vorletzten und dem letzten Sonntag im Kirchenjahr.
Letzter Sonntag des Kirchenjahres; auch: Ewigkeitssonntag oder Totensonntag genannt.
- Damit endet das Kirchenjahr und ein neues Kirchenjahr beginnt am 1. Advent-Sonntag.
Umsetzung der Fest- und Namenstage in Kalenderdaten TT.MM.JJJJ
- Für die Umsetzung kirchlicher Sonn- und Festtage des Kirchenjahres in Kalenderdaten TT.MM.JJJJ, ist es notwendig zu wissen, welche Kalenderberechnung zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort Gültigkeit hatte, (z.B., damit diese Daten richtig in Genealogie-Programme und sortierfähige Listen übernommen werden und dann bei Gebrauch und Weitergabe nicht ungenaue oder sogar falsche Daten in Umlauf gesetzt werden). Der Kalender alten Stils, der Julianischer Kalender war bis 1582 in allen deutschen Landen gültig. Er endete formal durch päpstliche Bestimmung am Donnerstag, den 4. Oktober 1582. Diesem Tag folgte unmittelbar Freitag, der 15. Oktober. Zehn Tage werden also kalendarisch übersprungen, aber nicht tatsächlich. Der Kalender neuen Stils, der Gregorianischer Kalender hatte vorerst allerdings nur im Bereich der Katholischen Kirche Gültigkeit.
- Die evangelisch bestimmten Gebiete folgten i.d.R. sehr viel später und auch nicht gleichzeitig. Erst im Jahre 1700 wurde auch hier einheitlich der Gregorianischer Kalender, der Kalender "neun Stils" eingeführt. Dort endete formal der Kalender "alten Stils" am Sonntag, den 18. Februar 1700 (julianisch) und es folgte unmittelbar Montag, der 1. März 1700 (gregorianisch). Wiederum werden bei dieser späten Kalenderumstellung 10 Tage nur kalendarisch übersprungen.
- Durch diese fast 120 Jahre währende Doppelherrschaft der kirchlichen Kalender in katholischen und/oder protestantischen Gemeinden können die Eintragungen in Kirchenbüchern oder anderen Dokumenten von den kalendarischen abweichen, dennoch ist - z.B. für den Tag der Heirat oder eines Vertragsabschlusses - der gleiche Tag gemeint. Üblicherweise setzte man in solchen Fällen den beiden Tagesangaben hinzu: "nach altem Stil" oder "nach neuem Stil". Fehlen solche Zusätze, so heißt das nicht, dass der Schreiber damals Unkenntnis über den Kalender alten oder neuen Stils gehabt hätte, sondern im Gegenteil. Nur wir heute, wir können einem Sonntag Palmarum 1600 nicht mehr ansehen, ob es der 16.März 1600 (julianisch) oder der 26. März 1600 (gregorianisch) war.
Weblinks
Quelle: http://www.uni-leipzig.de/~prtheol/egb/egb.htm Das Evangelische Gottesdienstbuch - Agende für die EKU und für die VELKD