DNA-Irrtümer
Über die Nutzung der DNA in der Genealogie sind eine Reihe von Missverständnissen, Irrtümern und falschen Erwartungen in Umlauf.
DNA-Genealogie ist keine ernsthafte Genealogie, sondern eine teure Spielerei
Nur Männer können einen DNA-Test machen
Die ersten DNA-Tests für Genealogen ermöglichten die Bestimmung von STR-Markern der männlichen yDNA. Solche Tests der yDNA sind in der Tat nur für Männer möglich. Seit 2009 sind Tests der atDNA verfügbar, die heute die größte Bedeutung für die DNA-Genealogie haben. Diese Tests sind für Männer und Frauen gleichermaßen möglich. Dasselbe gilt für die Tests der mtDNA.
Mit einem DNA-Test kann man sein "Urvolk" bestimmen
Mit einem DNA-Test erhält man eine Ahnentafel
Ich brauche keine DNA-Genealogie, weil meine Ahnentafel schon komplett ist
Einen DNA-Test machen nur die, die keine Lust auf seriöse Forschung haben
Die Ergebnisse von DNA-Tests sagen nichts aus
DNA-Tests enthalten medizinische Informationen
Die Testanbieter für DNA-Genealogie werten die DNA-Tests nicht unter medizinischen oder diagnostischen Gesichtspunkten aus; dies wäre in Deutschland auch nicht erlaubt. Siehe dazu den Artikel DNA-Genealogie.
DNA-Tests sind in Deutschland verboten
Diese - gerade im englischen Sprachraum verbreitete - Behauptung ist unzutreffend. Das Gendiagnostikgesetz regelt den Umgang mit DNA-Tests zu medizinischen Zwecken, die nur durch einen Arzt durchgeführt werden dürfen. DNA-Tests zu wissenschaftlichen Zwecken (wozu die DNA-Genealogie zu rechnen ist) sind davon nicht betroffen. Siehe den Artikel DNA-Genealogie.
Mit allen Verwandten muss ich gemeinsame DNA haben
Mit nahen Verwandten hat man mehr oder wenige große Anteile gemeinsamer DNA, mindestens bis zum Verwandtschaftsgrad von Cousins zweiten Grades (gemeinsame Urgroßeltern). Je weitläufiger die Verwandtschaft ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, trotz bestehender Verwandtschaft keine gemeinsame DNA mehr zu haben. Der Grund dafür ist die rein zufällige Weitergabe von je 50 % der DNA der Eltern an die Kinder; von Generation zu Generation verringert sich so der Anteil gemeinsamer DNA. Eine Übersicht über die durchschnittlich zu erwartende gemeinsame DNA findet sich im Artikel Centimorgan.
Die DNA enthält Spuren der DNA aller Vorfahren
Eltern geben jeweils 50 % ihrer DNA an ihre Kinder weiter. Dadurch verringert sich von Generation zu Generation der Anteil der DNA eines bestimmten Vorfahren, den ein Nachfahre erbt. Bis etwa zur sechsten Vorfahrengeneration lassen sich (theoretisch) DNA-Segmente aller Vorfahren identifizieren; in den höheren Generationen gibt es immer mehr Vorfahren, von denen man keine DNA mehr geerbt hat. Näheres dazu im Artikel Genetische_Vorfahren.
Wenn es keine gemeinsame DNA gibt, ist man nicht verwandt
So pauschal ist die Behauptung falsch. Nahe Verwandte haben auf jeden Fall auch gemeinsame DNA (Eltern, Kinder, Großeltern, Urgroßeltern, Onkel und Tanten, Cousins, Cousins 2. Grades). Sollte festgestellt werden, dass vermeintlich nahe Verwandte keine gemeinsame DNA haben, liegt in der Tat keine Verwandtschaft vor. Weiter entfernte Verwandte hingegen haben möglicherweise keine gemeinsame DNA mehr, sind aber trotzdem miteinander verwandt. Vgl. auch den Artikel Genetische_Vorfahren.
Eine DNA-Herkunftsanalyse zeigt genau, woher die Vorfahren stammen
Die DNA-Herkunftsanalysen sind unterschiedlich genau in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Analyse- und Berechnungsverfahren der einzelnen Anbieter und den tatsächlichen Herkunftsregionen. Die Zuordnung auf die einzelnen Kontinente kann heute mit hoher Sicherheit erfolgen, während beispielsweise die Zuordnung zu einzelnen Regionen in Mitteleuropa oft fehlerhaft ist. Näheres dazu im Artikel DNA-Herkunftsanalyse.
DNA-Herkunftsanalysen sind unseriös
Diese Behauptung wird dann aufgestellt, wenn vorschnell aus der Diskrepanz zwischen einem einzelnen Analyseergebnis und der tatsächlichen Herkunft der Vorfahren auf ein grundsätzliches Versagen der Methode insgesamt geschlossen wird. Dabei wird dann übersehen, dass die Ergebnisse in vielen Fällen eine hohe Zuverlässigkeit haben und dass es große Unterschiede gibt zwischen den unterschiedlichen Analyse- und Berechnungsverfahren der einzelnen Anbieter und den zugrundeliegenden Referenzgruppen. Es kann durchaus ein, dass der eine Proband bei dem Testanbieter A eine gute, beim Testanbieter B eine schlechte Herkunftsanalyse erhält, während Proband B genau entgegengesetzte Erfahrungen macht. Empfehlenswert ist auch, die verschiedenen Tools zur Herkunftsanalyse von freien Anbietern (etwa bei [Gedmatch.com zu benutzen und genau zu prüfen, auf welche Zeiträume sich die jeweiligen Analysen beziehen und welche Referenzgruppen zugrundeliegen. Näheres dazu im Artikel DNA-Herkunftsanalyse.
Literatur
- Bettinger, Blaine T.: The Family Tree Guide to DNA Testing and Genetic Genealogy. Cincinnati 2016, S. 20-34.